Berlin. Die Bahn kommt aus dem Chaos nicht heraus. Jetzt drohen den Chefs Konsequenzen. Wird es nicht besser, müssen sie künftig alle drei Monate zum Rapport.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will bei der Modernisierung der Deutschen Bahn eine Schippe drauflegen. „Ich habe die Bahn aufgefordert, ein Sanierungskonzept auszuarbeiten“, sagt der Minister. Darin sollen konkrete Fortschritte festgelegt werden, die der Konzern erreichen muss. Das will Wissing alle drei Monate kontrollieren. Wird ein Ziel verfehlt, muss sich ein dafür verantwortlicher Bahnmanager rechtfertigen. Wissing begründet den strengen Kurs mit den schwachen betriebswirtschaftlichen Ergebnissen. Mit Ausnahme der Spedition Schenker würden alle eigenwirtschaftlichen Sparten schwache Ergebnisse liefern.

In sieben Bereichen sieht der Minister Handlungsbedarf. An erster Stelle steht die Zuverlässigkeit der Züge. „Gerade im Fernverkehr muss die Pünktlichkeit deutlich verbessert auf ein international vergleichbares Spitzenniveau gebracht werden“, fordert er. Auch die Auslastung müsse verbessert werden. Wissing sieht in niedrigen Preisen für Fahrten in leeren Waggons oder attraktivere Verbindungen für Geschäftsleute Ansatzpunkte dafür. Über das „Wie“ soll allerdings der Bahnvorstand entscheiden.

Deutsche Bahn: Wissing fordert spürbaren Personalabbau

Auch einen spürbaren Personalabbau sehen die Eckpunkte vor. Wissing betont, dass es dabei nicht um die Leute im Betrieb, sondern Verwaltungsposten geht. In welcher Größenordnung Personal abgebaut werden soll, ließ Wissing offen. Der Bahnvorstand hatte kürzlich seinerseits bereits von 30.000 Stellen gesprochen, die gestrichen werden. Das Zugpersonal oder andere kundennahen Dienste sollen von den Kürzungen ausgenommen werden. „Es muss im Overhead gespart werden“, stellt Wissing klar. Um die Produktivität zu erhöhen, solle die Bahn in Kooperation mit den Gewerkschaften auch unzeitgemäße, beeinträchtigende Regelungen beseitigen. 

Damit diese Vorgaben, wie schon so häufig geschehen, nicht wieder einkassiert werden, weil es irgendwo schlechter läuft als erwartet, pocht der Minister auf eine konkrete Ausgestaltung des Konzepts durch den Bahnvorstand. Darüber wird die Steuerungsgruppe Bahn im Ministerium wachen. Festgelegt werden neben den Pünktlichkeitszielen auch viele Details, etwa die Zahl der Langsamfahrstellen und kleinen Baustellen, der Anteil auszutauschender Bremsen oder elektronischer Stellwerke. 

Bahnarbeiter tauschen auf der ICE-Strecke zwischen Köln und Frankfurt in der Nähe des ICE-Bahnhofs Montabaur Weichen aus. Bauarbeiten bremsen den Zugverkehr derzeit vielerorts aus, gleichzeitig muss das Netz aber dringend saniert werden.
Bahnarbeiter tauschen auf der ICE-Strecke zwischen Köln und Frankfurt in der Nähe des ICE-Bahnhofs Montabaur Weichen aus. Bauarbeiten bremsen den Zugverkehr derzeit vielerorts aus, gleichzeitig muss das Netz aber dringend saniert werden. © DPA Images | Thomas Frey

Bahn soll Sanierungskonzept erstellen – Grüne sind skeptisch

Auf den Prüfstand sollen auch die Investitionen ins rollende Material kommen. Auf teure Spezialanfertigungen soll künftig verzichtet, stattdessen mehr auf standardisierte Züge gesetzt werden. Darüber hinaus will Wissing die Digitalisierung des Zugverkehrs vorantreiben. Ein letzter wichtiger Punkt betrifft die Folgen des Klimawandels. „Die Bahn muss auch ankommen, wenn Extremwetter ist“, betont der Minister.

Die recht allgemein formulierten Forderungen hat der Bahnvorstand nun in einem Sanierungskonzept mit konkreten Zielen ausgefüllt. Darüber soll der Aufsichtsrat des Konzerns auf seiner Herbstsitzung am 19. September entscheiden. Bisher ist darüber noch nicht mehr bekannt. Zumindest beim grünen Koalitionspartner stößt Wissing nicht gerade auf Begeisterung. „Eine Kombination aus Selbstverständlichkeiten, Populismus, Widersprüchen und schwammigen Formulierungen“, nennt Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen, die Vorschläge. Ein solches Papier mache keinen Zug pünktlicher und bringe keine zusätzlichen Fahrgäste. 

Weniger Züge? Wissing dementiert nur halbherzig

Welche Folgen das „Sanierungsprogramm DB AG“ für die Kunden hat, ist noch nicht absehbar. Es gibt Hinweise, dass die Bahn den Zugverkehr auf unrentablen Strecken ausdünnen könnte. Das dementiert Wissing nur halbherzig. „Niemand möchte, dass die Bahn Strecken streicht“, betont er.

Auf die Fahrgäste im Fernverkehr, aber auch auf die Güterbahnen, kommen voraussichtlich höhere Preise zu. Grund dafür sind unter anderem die steigenden Preise für die Benutzung der Trassen. Der Anstieg geht auf eine Finanzierungsentscheidung der Ampel zurück, die statt Investitionszuschüsse zu geben das Eigenkapital der Bahn erhöhen will. Letzteres muss die Infrastrukturtochter InfraGO mit 5,9 Prozent verzinsen. Dafür müssen die Kunden letztlich aufkommen. Was das für Bahnfahrer bedeutet, gibt die Bahn in der Regel nach der Aufsichtsratssitzung im Herbst bekannt.

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Güterbahnen-Chefin übt Kritik

Während Wissing die Gründung der gemeinwohlorientierten Netzgesellschaft für einen Erfolg hält, sind die Güterbahnen auch der hohen Trassenpreise wegen davon gar nicht begeistert. „Trotz vollmundiger Versprechen ist seit der Gründung der InfraGO nichts besser geworden, dafür vieles noch schlechter“, kritisiert Neele Wesseln, Chefin des Branchenverbands Güterbahnen. Matthias Stoffregen, Geschäftsführer des Verbands Mofair, sieht ebenfalls keine Fortschritte. Als Branche sehen wir nur höhere Kosten für die Schieneninfrastruktur“, sagt er. 

Die Verbände fordern eine vollständige Trennung von Netz und Betrieb der Bahn. Davon will der Minister derzeit nichts wissen, obschon auch die FDP dies in der Vergangenheit immer wieder einmal gefordert hat. Immerhin will Wissing die Finanzierung der Infrastruktur reformieren. Dazu gehört auch, dass die Kosten nicht im aktuellen Maße von den Kunden über die Trassenpreise getragen werden müssen.