Berlin. Wer ein Elektroauto hat, kann eine Prämie kassieren. Auch der Automobil-Club bietet das Kunden an. Das Geschäft ging immer gut – bis jetzt.

Wer den ADAC ruft, erwartet Hilfe. Die „Gelben Engel“ rückten im vergangenen Jahr gut 3,5 Millionen Mal aus, um liegen gebliebene Autos wieder flottzumachen. Jetzt ist Deutschlands größter Automobil-Club selbst in Not geraten. Grund dafür ist die Insolvenz der Landwärme GmbH, von Deutschlands größtem Vermarkter sogenannter Treibhausgasminimierungs-Quoten (THG-Quoten), also sauberer Emissionszertifikate, die zum Beispiel auch Halter von CO₂-einsparenden Elektroautos weiterverkaufen können.

Informationen unserer Redaktion zufolge soll der ADAC im derzeit laufenden vorläufigen Insolvenzverfahren zu den größeren Geschäftspartnern zählen, denen Landwärme noch Geld schuldet. Laut einer Quelle im Umfeld der Gläubiger will der ADAC einen Betrag im hohen zweistelligen Millionenbereich geltend machen. Geld, das Landwärme für den eingetragenen Verein eigentlich aus dem Verkauf der THG-Quoten erzielen sollte. Doch dazu ist es wegen der Mitte August in Eigenverwaltung angemeldeten Insolvenz nicht mehr gekommen.

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Landwärme-Insolvenz: ADAC droht millionenschweres Fiasko

Landwärme lehnte eine Stellungnahme ab. Zu einzelnen Vertragsverhältnissen sage man nichts. Der ADAC bestätigt auf Anfrage hingegen, von der Landwärme-Pleite betroffen zu sein, schweigt aber zu einer möglichen Schadenshöhe. Aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens könne man sich zu Details nicht äußern, sagte eine Sprecherin. ADAC-Kunden sind nicht geschädigt worden, aber dem Automobil-Club selbst droht ein millionenschweres Fiasko.

Beim THG-Quoten-Verkauf ist der Automobil-Club eigentlich nur Vermittler. Den Verkauf übernahm Landwärme. Man machte feste Preise aus, die Landwärme wegen deutlich gefallener Quotenpreise aber nicht mehr erfüllen konnte.

ADAC: 200.000 Mitglieder und Kunden nutzten Prämienangebot des Vereins

Zu Vertragsdetails und zu mit Landwärme verhandelten Preisen schweigt auch der ADAC auf Nachfrage. Der THG-Bonus folge aber keinem wirtschaftlichen Zweck. Es gehe darum, Mitgliedern und Kunden einen verbraucherfreundlichen Service und ein Instrument der Mitgliederbindung anzubieten. „Vor diesem Hintergrund werden Prämien transparent und zuverlässig zu einem festen Preis an E-Auto-Fahrer ausgezahlt – abzüglich einer geringen Aufwandsentschädigung für Service und Abwicklung“, sagte die Sprecherin. Seit dem Start, im April 2022, hätten 200.000 Mitglieder und Kunden ihren THG-Bonus über den ADAC beantragt.

Von dem Geschäft mit den sauberen Anteilen im Verkehrssektor konnten bis 2021 nur Versorger profitieren, die dank des Grünstromanteils im deutschen Strommix ihr CO₂-Budget nicht ausschöpften. Seit 2021 können auch E-Auto-Halter das eingesparte Treibhausgas weiterverkaufen. Abnehmer sind Mineralölkonzerne wie BP oder Shell, aber auch kleinere Tankstellenbetreiber. Der Gesetzgeber will die Firmen, die umweltschädlichen Sprit in Umlauf bringen, so motivieren, die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

THG-Quoten: Gehöriger Preisverfall traf auch ADAC-Kunden

Für alle Seiten funktionierte das System des Quotenhandels – bis der Markt absackte. Abzulesen ist der Preisverfall auch an dem, was der ADAC seinen Kunden als Prämie anbot. Noch 2023 zahlte der Verein Elektrohaltern 300 Euro, wenn sie ihre THG-Quote über den Automobil-Club vermarkten ließen. Anfang dieses Jahres sank der Preis auf 120 Euro für Club-Mitglieder und 100 Euro für Nichtmitglieder. Mittlerweile gibt es nur noch 90 Euro, externe Kunden bekommen 80 Euro.

So wie man bei dem Verein in München das Geschäft mit Landwärme anging, war man sich der Sache aber sicher. Landwärme nahm die vom Auto-Club geworbenen E-Auto-Halter als Paket, meldete sie beim Umweltbundesamt an. Die Behörde bestätigte die Zertifizierungen, der ADAC überwies den versprochenen Betrag an die Mitglieder und bekam später, nachdem Landwärme die Quoten an die Mineralölunternehmen verkauft hatte, das Geld zurück. Das ging gut, bis der Dienstleister in die Insolvenz rutschte.

Preisverfall bei THG-Quoten: Das sind die Gründe

Für den Preisverfall bei den CO₂-Zertifikaten können aber sowohl der ADAC als auch Landwärme nichts. Mineralölfirmen haben grundsätzlich mehrere Möglichkeiten, ihre Pflicht zur CO₂-Minderung zu erfüllen, nur eine davon ist der Kauf der deutschen THG-Quoten. Weitere bestehen darin, klimafreundliche Projekte im Ausland zu finanzieren und als „fortschrittlich“ zertifizierten Biokraftstoff zu verkaufen. Beides war zuletzt günstiger als der hiesige Quotenkauf, was zum Nachfrage- und Preiseinbruch bei den deutschen Zertifikaten führte. Doch es gibt Zweifel.

Pannenhelfer vom ADAC-Gelber Engel.
So kennt man den ADAC: Die „Gelben Engel“ als Pannenhelfer bringen liegen gebliebene Autos wieder in Fahrt. © picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Das Umweltbundesamt teilte nach der Landwärme-Pleite mit, Unregelmäßigkeiten zu prüfen. Der Bundesverband THG-Quote fordert Konsequenzen: „Solange die Rahmenbedingungen nicht angepasst werden, schafft die THG-Prämie bei der aktuellen Preislage keine Anreize für die notwendige Mobilitätswende“, so der Verband. Fälschlicherweise ausgestellte Zertifikate für ausländische Klimaprojekte müssten aberkannt und die fälschlich als „fortschrittlich“ deklarierten Biokraftstoff-Importe verbannt werden.

Landwärme-Insolvenz: ADAC will Schaden in Grenzen halten

Dem ADAC würde das nicht helfen. Intern arbeitet man an einer Begrenzung des Schadens. Möglicherweise ist es noch möglich, einst Landwärme übergebene Quoten selbst zu vermarkten. Gesunkene Preise aber bleiben. Von der Insolvenz sind nach Informationen unserer Redaktion nicht nur Quoten aus diesem Jahr, sondern auch aus dem Jahr 2023 betroffen. Das erklärt die hohe Summe offener Forderungen. Üblich ist in Insolvenzverfahren, dass Gläubiger höchstens einen Bruchteil ihrer Forderungen zurückerhalten. Der Ausgang wird auch davon abhängen, ob es gelingt, Landwärme zu sanieren oder an einen Investor zu verkaufen.

Am Service vom ADAC für die E-Auto-Halter hat sich zunächst nichts geändert. Die THG-Quote für dieses Jahr kann über den Automobil-Club noch bis zum 31. Oktober beantragt werden. Elektroautobesitzer können sich jedes Jahr neu entscheiden, mit wem sie ihre THG-Quote vermarkten. Der ADAC ist Deutschlands größter Verein mit mehr als 21 Millionen Mitgliedern. Neben der Pannenhilfe werden zum Beispiel auch Auslandskrankenversicherungen, Schlüsselnotdienste und Reiseservices angeboten.