Berlin. Nach zähem Ringen vermeldet die Ampel eine Einigung. Wie das Milliardenloch jetzt gestopft werden soll – und wie die Reaktionen ausfallen.
Bis kurz vor Fristende hat die Ampel-Koalition ihren Haushaltsstreit ausgereizt, am Ende steht nun ein Kompromiss: Wie die Bundesregierung am Freitagnachmittag mitteilte, haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einigen können. In den vergangenen Tagen hatte es zahlreiche Telefonate zwischen den Dreien gegeben, dazwischen waren immer wieder politische Spitzen gesetzt worden. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie sieht der Kompromiss aus?
Sowohl Kanzler Scholz als auch Finanzminister Lindner haben sich bewegt. Während Scholz ursprünglich mit gleich drei Buchungstricks den Haushalt retten wollte, lehnte Lindner das ab. Zu groß war die Sorge, dass das Bundesverfassungsgericht den Haushalt einkassieren würde, so wie es der Ampel bereits beim Nachtragshaushalt 2021 passiert war. Zwei von drei Buchungstricks – ein Umwidmen von nicht genutzten KfW-Mitteln aus der Zeit der Gaspreisbremse sowie ein milliardenschwerdes Darlehen an die Autobahn GmbH – sind nun vom Tisch.
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Ein dritter Kniff aber bleibt: Die Infrastruktursparte der Deutschen Bahn erhält eine Eigenkapital-Spritze in Höhe von 4,5 Milliarden Euro. Zusätzlich soll die Bahn ein Darlehen in Höhe von drei Milliarden Euro erhalten. Letzteres hatte Lindner kritisch gesehen, auch bei der Eigenkapital-Spritze hatte er eigentlich mit knapp einer Milliarde Euro weniger geplant. Da das Darlehen mit 1,5 Prozent verzinst wird, ist die Regelung wohl konform mit der Schuldenbremse und nicht als versteckte Beihilfe zu werten.
Mit zwei kleineren Maßnahmen wollen Scholz, Lindner und Habeck ebenfalls das Haushaltsloch reduzieren: Zum einen wird damit gerechnet, dass man rund 200 Millionen Euro weniger als geplant benötigt, um Steuerausfälle im Zuge der Energiekrise zu kompensieren. Zum anderen hat die positive Entwicklung beim verstaatlichten Energiekonzern Uniper dazu geführt, dass dieser eine um rund 300 Millionen Euro höhere Zahlung als geplant leisten kann.
Statt des ursprünglich gedachten Lochs von 17 Milliarden Euro bleibt nun eine Finanzlücke von rund 12 Milliarden Euro. Da in der Regel nicht alle Mittel, die den Ministerien zur Verfügung gestellt werden, im entsprechenden Haushaltsjahr auch abfließen, hofft die Ampel, dass sich dieser Teil deutlich reduzieren wird. Insgesamt wird wahrscheinlich dennoch eine Lücke von – je nach Rechnung – rund zwei Milliarden Euro übrig bleiben. Da sowohl die Konjunkturentwicklung als auch die prognostiziere Entwicklung der Steuereinnahmen beim Haushalt eine Rolle spielen und beide in den kommenden Wochen nochmals aktualisiert werden, kann sich das Loch entweder vergrößern oder ganz schließen. Sollte das Loch weiter bestehen, müssten sich die Haushaltspolitiker im Parlament in der sogenannten Bereinigungssitzung auf Einsparungen einigen.
Wie fallen die Reaktionen aus?
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht bezeichnete die Ampel-Politik gegenüber unserer Redaktion als „Trauerspiel“: „Wochenlang die Bürger mit diesem Haushaltsstreit zu nerven, ist eine Unverschämtheit. Trotz Einigung bleibt es bei einem Harakiri-Haushalt mit vielen Luftbuchungen und einem wirtschaftspolitischen Wunschkonzert“, sagte sie. Das BSW werde diesen Haushalt im Bundestag deshalb ablehnen. „Milliarden stehen für Unsinniges bereit und an der falschen Stelle wird gespart“, so Wagenknecht weiter.
Linken-Chefin Janine Wissler äußerte Zweifel an dem Kompromiss. „Wir werden sehen, wie lange die Einigung diesmal hält und was die Ampel-Fraktionen und das Bundesverfassungsgericht dazu sagen“, sagte sie dieser Redaktion. Die Einigung laufe darauf hinaus, mit Buchungstricks Finanzlöcher zu verdecken, ohne aber etwas an der sozialen Schieflage des Haushalts zu ändern. Zufrieden zeigte sich dagegen FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer: Die Koalition habe einen „guten Kompromiss“ erreicht, sagte Meyer unserer Redaktion. Der Haushalt sei nun verfassungsgemäß, die Schuldenbremse werde eingehalten.
Warum musste überhaupt eine neue Einigung her?
Die Vorgeschichte dazu beginnt eigentlich im Winter 2023. Damals hatten die Richter am Bundesverfassungsgericht die Ampel in eine schwere Haushaltskrise gestürzt. Mit Blick auf den Nachtragshauhalt 2021 kassierten die Juristen damals vor allem die Idee ein, Milliarden an Corona-Krediten für den Klimaschutz umzuwidmen. Bundesfinanzminister Linder wollte eine erneute Schmach beim Haushalt 2025 unbedingt vermeiden, ließ deshalb zwei Gutachten erstellen. Zuvor hatten sich die Ampel-Spitzen Anfang Juli auf den finanziellen Spielraum für das kommenden Jahr geeinigt.
Von „schwierigen Verhandlungen“ war damals die Rede, manch ein Beobachter wähnte währenddessen die Koalition schon vor dem Aus. Anfang August sickerten dann die Ergebnisse der Gutachten durch. Demnach warnten sowohl der wissenschaftliche Beirat als auch der Bielefelder Rechtsprofessor Johannes Hellermann vor einem erneuten Verfassungsbruch. Daraufhin warf die Ampel den zuvor gefundenen Kompromiss beim Haushalt wieder über den Haufen.
Was wurde konkret angezweifelt?
Genau ging es um die Pläne der Ampel, Bahn und die Autobahngesellschaft so finanziell zu unterstützen, dass das nicht auf die Schuldenbremse angerechnet wird. Demnach sollten Zuschüsse für die Infrastruktur durch Kredite ersetzt werden. Konkret ging es um Darlehen in Höhe von acht Milliarden Euro für die Schiene und Autobahnen. Lindner sagte hinterher, das habe die Einigung mit Blick auf den Haushalt überhaupt erst möglich gemacht. Auch eine Umwidmung von nicht abgerufenen Mitteln aus der Zeit der Gaspreisbremse wurde als verfassungsrechtlich schwierig angesehen, zu nah war die Idee an der Umwidmung der Corona-Mittel.
Das Vorgehen Lindners sorgte jedoch für Irritationen innerhalb der Ampel. Aus dem Umfeld von Wirtschaftsminister Habeck hieß es, der Grüne sei „sehr irritiert“ darüber gewesen, dass ein Gutachten „einseitig und selektiv öffentlich gemacht wurde“, anstatt mit den Regierungspartnern über Lösungen zu beraten. Kanzler Scholz schaltete sich sogar aus seinem Urlaub in den Streit ein und machte klar, dass ein juristisches Gutachten durchaus Darlehen der Bahn und der Autobahngesellschaft als Finanzierungsmittel erlaube. Lindner wiederum reagierte darauf vergleichsweise schmallippig. „Ich fühle mich von der Botschaft des Kanzlers nicht angesprochen“, sagte der FDP-Vorsitzende im Interview mit dieser Redaktion.
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