Essen. Eine Prämie sollte den Kauf von E-Autos ankurbeln. Von der Idee blieb kaum etwas übrig, vom Geld auch nicht. Eine Spur führt nach China.

Sie sollte eines der wichtigsten Instrumente der Verkehrswende sein. Die Treibhausgasminderungsquote, kurz THG-Quote, belohnt Besitzer von Elektroautos mit einer steuerfreien Prämie – für ihren Beitrag, klimaschädliches CO2 einzusparen. Die Idee ist gescheitert, weil das Wichtigste fehlt: der Anreiz, in Klimaschutz zu investieren.

Eigentlich sollte das „Taschengeld obendrauf“ den Kauf von E-Autos oder Wallboxen fördern. Und tatsächlich löste die Idee in den ersten Jahren einen Ansturm aus. Das Außergewöhnliche dabei: Das Geld stammt nicht aus Steuermitteln, sondern von den Mineralölkonzernen, die so ihre Klimaschutzverpflichtungen erfüllen. Von der einstigen Goldgräberstimmung aber ist nichts mehr übrig, die ausgezahlte Prämie ist um über 75 Prozent abgestürzt. Verschmutzen lohnt sich wieder.

Zulassungszahlen von E-Autos brechen um über 30 Prozent ein

Noch vor zweieinhalb Jahren konnten Halter von Elektroautos Jahresprämien von 300 Euro und mehr erhalten. Das deckte schon fast die Kosten der Kfz-Versicherung. Aktuell werden in der Regel weniger als 100 Euro gezahlt, nur ganz selten mehr. Hinzu kommen bürokratische Hürden bei der Beantragung der Quote. Viele Antragsteller klagen über monatelange Wartezeiten bei der Bearbeitung durch das Umweltbundesamt. Das Fatale dabei: Parallel zum Preisverfall der THG-Quote stellte die Bundesregierung Ende 2023 über Nacht die Förderung der Elektromobilität ein. Die Zulassungszahlen von E-Autos in Deutschland sind aktuell im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt um über 30 Prozent eingebrochen.

Wie funktioniert der Quotenhandel, und was steckt hinter dem Absturz der Prämie? In diesem Artikel beantworten wir die wichtigsten Fragen und Antworten zur THG-Quote und geben ein Ausblick, wie es mit der Elektromobilität in Deutschland weitergehen soll.

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Die THG-Prämie für E-Autos: So funktioniert der Quotenhandel

Hinter der Bezeichnung „THG-Quote“ steckt die von der Bundesregierung beschlossene Treibhausgasminderungsquote für den Verkehrssektor. Mineralölkonzerne, die Benzin oder Diesel verkaufen, müssen die verursachten klimaschädlichen Emissionen Jahr für Jahr um vorgegebene Quoten reduzieren. Das geht, in dem die Unternehmen mehr Spritsorten mit niedrigeren CO2-Emissionen in den Verkehr bringen, beispielsweise beispielsweise mehr Biokraftstoffe wie E10 (Bioethanol) oder B7 (Biodiesel) in den Verkehr bringen.

Verpassen die Mineralölkonzerne die Vorgabe, müssen sie für jede nicht eingesparte Tonne CO2 eine Strafe zahlen. Ende 2023 lag diese „Pönale“ bei 600 Euro pro Tonne CO2. Um den Zahlungen zu entgehen, können die Unternehmen an einer Art Ablasshandel teilnehmen:  Sie kaufen Umweltzertifikate von Dritten, die Emissionen im Verkehr einsparen.

Zu Beginn des THG-Quotenhandels konnten nur Betreiber von Ladestationen für Elektrofahrzeuge ihre Zertifikaten verkaufen. Seit 2022 dürfen auch Privatpersonen am Handel teilnehmen und eine steuerfreie Prämie in Anspruch nehmen. Voraussetzung: Sie müssen Halter eines vollelektrischen Fahrzeugs sein. Besitzer von Plug-in-Fahrzeugen sind vom Quotenhandel ausgeschlossen, da diese auch mit fossilen Kraftstoffen angetrieben werden.

Diese Elektrofahrzeuge können die Prämie beantragen:

  • E-Autos (nur vollelektrische, keine Plug-in-Hybride)
  • Elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge und Busse
  • E-Motorräder, E-Roller oder andere Leichtfahrzeuge mit Zulassung (großes Nummernschild)

Hybride, Plug-in-Hybride, Erdgas- und Wasserstoffautos sind nicht prämienberechtigt. Auch E-Roller und E-Scooter sind ausgeschlossen.

>>Tipp: Auch wer sein E-Auto geleast hat, kann die Prämie beantragen. In manchenLeasingverträgen kann die THG-Prämie zudem als Anzahlung angerechnet werden und so die monatliche Rate verringern.

Für die ausgezahlte Prämie muss keine Steuer gezahlt werden, falls das Elektroauto im Privatbesitz ist. Das hat das Bundesfinanzministerium klargestellt. Gewerbetreibende hingegen müssen die Erlöse aus dem THG-Quotenhandel als Betriebsgewinn versteuern.

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So können Halter von E-Autos die THG-Quote beantragen

Halter, die Emissionen ihrer Fahrzeuge verkaufen wollen, müssen die THG-Prämie jährlich geltend machen. Die Abwicklung übernehmen Dienstleister, die den Verkauf überwiegend im Internet als Zwischenhändler steuern. Diese Quoten-Vermittler können Energieunternehmen, Versicherungen, Automobilclubs wie der ADAC oder private Anbieter sein.

Der Halter muss dem Händler als Nachweis die Zulassungsbescheinigung Teil 1 vorlegen – auf der Webseite eines Quoten-Vermittlers etwa kann sie als Foto hochgeladen werden. Der Vermittler reicht den Antrag beim Umweltbundesamt (UBA) ein, das den Antrag überprüft und zertifiziert. Gibt es grünes Licht, verkaufen die Anbieter die eingesparten Emissionen gesammelt an Mineralölkonzerne. Vom Erlös behalten die Zwischenhändler eine Provision von bis zu 25 Prozent ein, der Rest geht an die Halter.

Incendios en Indonesia
Seit Jahrzehnten verliert Indonesien durch Brandrodungen Regenwald. Die Fläche wird meist für Palmölplantagen genutzt. Palmöl ist als Rohstoff für Biokraftstoffe umstritten. © picture alliance/dpa | Dedy Sutisna

Die ausgezahlte Prämie fällt je nach Dienstleister unterschiedlich aus. Bis zur Auszahlung können Monate vergehen. Die THG-Quote wird nur einmal im Jahr gewährt. Wer Besitzer eines E-Fahrzeugs ist und die THG-Prämie für 2024 noch nicht beantragt hat, sollte sich nun darum kümmern. Anträge für das laufende Jahr 2024 müssen bis zum 15. November 2023 beim Umweltbundesamt eingegangen sein. Die meisten THG-Quotenvermittler haben von sich aus eine frühere Frist festgelegt, da Anträge noch geprüft und weitergeleitet werden müssen. Bei vielen Anbietern endet die Frist daher schon Ende Oktober.

>> Achtung: Wird ein E-Fahrzeug verkauft und hat der Vorbesitzer die Prämie bereits beantragt, kann der Käufer dies erst im Folgejahr tun.

Handel mit THG-Quoten: Diese Prämienmodelle gibt es

Auf die Preisschwankungen der Prämie reagieren Vermittler mit neuen Angeboten. Das sind die unterschiedlichen Modelle:

  • Festpreis: Zwischenhändler garantieren einen fixen Betrag, der zügig an den Antragssteller ausgezahlt wird. Der Erlös aber fällt geringer aus.
  • Flexpreis: Flexible Prämien versprechen höhere Beträge, meist werden sie nach drei Monaten ausgezahlt. Die Höhe der Prämie orientiert sich an den Marktpreisen, sie kann entsprechend höher oder niedriger ausfallen. Im Vergleich zum Festpreis besteht somit ein Risiko.
  • Variable Auszahlung mit garantiertem Auszahlungsbetrag: Die vorher festgelegte Prämie wird auf jeden Fall ausgezahlt. Je nach Marktpreis kann ein höherer Betrag zur garantierten Summe hinzukommen.

Halter von E-Autos können mit THG-Händlern längerfristige Verträge abschließen, meist über zwei Jahre. Sie binden sich damit aber an Konditionen. Generell gilt: Besitzer von E-Autos können ihren Dienstleister frei wählen und auch im neuen Jahr zu einem anderen Anbieter wechseln – sofern sie bei ihrem vorherigen Anbieter keine Abtretungserklärung für mehrere Jahre eingegangen sind.

Prämien vergleichen: So finden Sie den besten Anbieter

Wie hoch die THG-Prämie tatsächlich ausfällt, hängt von den Konditionen des Vermittlers ab. Verbraucher sollten daher die Angebote der Quotenhändler vergleichen. Das Online-Portal Efahrer.com bietet auf dieser Seite einen aktuellen Vergleich von THG-Anbietern an. Auch das Vergleichsportal Verivox listet auf dieser Seite die Angebote von Händlern auf.

Manche THG-Vermittler bieten Boni an, etwa, wenn Freunde angeworben werden. Der ADAC zahlt seinen Mitgliedern aktuell zehn Euro zur Prämie hinzu. Bei manchen Anbietern haben Halter von E-Autos die Möglichkeit, ihre THG-Prämie oder Teile davon zu spenden.

THG-Quote für Elektroautos: Warum die Prämie abgestürzt ist

Die Höhe der ausgezahlten Prämie hängt von der pauschalierten Strommenge ab, die der Halter eines E-Autos veräußern darf. Dabei ist es unerheblich, wie viele Kilometer der Besitzer fährt und wie hoch der tatsächliche Verbrauch des Fahrzeugs ist. Stattdessen wird die Strommenge von der Bundesregierung nach einem Rechenschlüssel festgelegt, sie orientiert sich dabei am Strommix in Deutschland. Bezugsjahr für das Quotenjahr 2024 ist das Strommixjahr 2022. In diesem Jahr führte der russische Angriffskrieg in der Ukraine dazu, dass die Gaspreise massiv anstiegen. Deutschland setzte als Reaktion verstärkt auf Kohle, dadurch verschlechterte sich der Strommix: Die CO2-Emissionen nahmen zu.

Ein schlechterer Strommix wirkt sich jedoch auf die Höhe der THG-Prämien aus, da er die CO₂-Einsparungen von Elektroautos reduziert: Mehr Kohle im Strommix bedeutet, dass die CO2-Emissionen pro verbrauchte Strommenge steigen. Laut Branchenexperten ließ allein der schlechtere Strommix die THG-Prämien um sieben Prozent sinken.

Verdacht: Falsch deklarierter Biosprit aus China überschwemmt Markt

Für den drastischen Preisverfall der THG-Prämie aber sollen mutmaßlich falsch deklarierte Biodiesel-Importe aus China verantwortlich sein. So mutmaßt der Bundesverband THG Quote, dass den importierten Biokraftstoffen massiv klimaschädliches Palmöl beigefügt worden seien. Der Import von Biosprit auf Palmölbasis in die EU ist wegen seiner schlechten Klimabilanz verboten, im Kraftstoff selbst lässt sich der Unterschied nur mit großem Aufwand nachweisen.

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Nach Angaben des Europäischen Verbandes der Biodieselhersteller wurden allein 2023 rund 1,8 Millionen Tonnen Biodiesel aus China nach Europa importiert. Dadurch sank der Druck auf die Mineralölkonzerne, ihre Treibhausgase auf andere Weise zu kompensieren: Verschmutzen lohnt sich seitdem wieder, die THG-Prämie stürzte ab.

Nach Einschätzung der Branche dürften Mineralölkonzerne die niedrigen Preise genutzt haben, um sich auf diese Weise günstig mit Treibhausgasminderungsquoten einzudecken. Demnach sollen die Unternehmen im vergangenen Jahr bis zu 50 Prozent mehr Quoten gekauft haben, als sie eigentlich benötigten. Da die eingekauften Quoten ins nächste Jahr übertragen werden dürfen, rechnet die Elektromobilitätsbranche nicht mit einer Besserung: Der Preis der THG-Prämie für E-Fahrer wird wohl noch länger im Keller bleiben.

Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen.Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.