Essen. E-Lkw rollen bisher kaum über die Straßen in NRW und Europa. Eon und MAN wollen das ändern und mehr E-Mobilität in den Schwerlastverkehr bringen.
Der Umstieg auf Lastkraftwagen, die mit Elektromotoren betrieben werden, stockt. Während elektrisches Fahren im Individualverkehr bereits im Massenmarkt angekommen ist, gibt es bislang kaum emissionsfreie Lkw mit elektrischem Antrieb auf Europas Straßen. Ein entscheidender Faktor, warum sich Unternehmen gegen batteriebetriebene Lkw entscheiden: die fehlende Lade-Infrastruktur. Der Energieversorger Eon und der Lastwagen- und Bushersteller MAN wollen das ändern und gemeinsam ein öffentliches Ladenetzwerk in Europa ausbauen.
Eröffnung der ersten Standorte schon in diesem Jahr geplant
„Wir haben die Produkte, brauchen aber auch die Infrastruktur“, sagt Alexander Vlaskamp, Chef von MAN Truck & Bus. Für Transportunternehmer hört es nicht mit dem Kauf der E-Lkw auf. Sie müssen sie auch laden können. Noch in diesem Jahr sollen daher die ersten Lade-Standorte für E-Lkw eröffnet werden, die Eon gemeinsam mit MAN plane, sagt Leonhard Birnbaum, Chef von Eon.
Bis Ende 2025 soll die Zahl auf 80 Standorte wachsen. Damit wären bereits die Hälfte der rund 400 Ladepunkte erreicht, die europaweit an rund 170 Standorten entstehen sollen. Davon seien allein 125 in Deutschland geplant, weitere in Österreich, Großbritannien, Dänemark, Italien, Polen, Tschechien und Ungarn. „Das bisher größte, öffentliche Ladenetz für elektrische Nutzfahrzeuge“, wie es Alexander Vlaskamp formuliert, soll an bestehenden MAN-Servicepunkten entstehen, aber auch für Nutzfahrzeuge anderer Hersteller zugänglich sein.
Elektrifizierung als wichtiger Teil zur Senkung der Emissionen
Mit dem Investment in Elektromobilität reagieren Eon und MAN auch auf das europäische Ziel, „die Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge bis zum Jahr 2040 um 90 Prozent zu senken“, sagt Leonhard Birnbaum, Vorstandsvorsitzender von Eon. Wer klimaneutral fahren möchte, muss mit null Emissionen unterwegs sein. Und der MAN-Chef betont: „Elektromobilität ist ein wichtiger Beitrag zur Dekarbonisierung.“ Nur damit könne die europäische Verkehrs- und Energiewende gestaltet und das Pariser Klimaabkommen erreicht werden.
„„Elektromobilität ist ein wichtiger Beitrag zur Dekarbonisierung.““
Zur Höhe der Investitionen wollte sich beide Manager nicht äußern. Birnbaum deutet an, es würde sich um „keine vernachlässigbare Summe“ handeln. „Damit die Mobilitätswende gelingt, benötigen wir bis 2030 rund 50.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte für schwere Nutzfahrzeuge in Europa“, sagt Vlaskamp. „Natürlich leisten wir als Hersteller von Elektro-Lkw dazu unseren Beitrag.“
Es braucht erneuerbare Energien, um die E-Lkw nachhaltig zu laden
Damit die Elektrifizierung gelingt, brauche es erneuerbare Energien, mit der die E-Lkw geladen werden können. „Das ist im Aufbau“, sagt der MAN-Chef. Denn: „Fahrzeuge sind erst nachhaltig, wenn sie mit Grünstrom betrieben werden.“ Für die Ladestationen soll zu 100 Prozent grüner Strom verwendet werden. Bei dem aktuellen Anteil regenerativer Energie könnte das schwierig werden, und so bestätigt der Eon-Chef auf Nachfrage, dass es zunächst Strom aus dem Ausland geben wird.
Die Ladepunkte von MAN und Eon sollen vor allem in Industriegebieten mit hohem Lkw-Aufkommen oder in der Nähe von Autobahnen entstehen. Die Standorte sollen jeweils zwei oder mehr 400 Kilowatt-Ladepunkte erhalten, eine Säule so groß wie eine Telefonzelle. Das Zwischenladen, das 45 Minuten dauert, passe in die gesetzlich vorgeschriebene und gleich lange Pause, die ein Lkw-Fahrer nach viereinhalb Stunden einlegen muss. MAN biete Elektro-Nutzfahrzeuge mit Tagesreichweiten von 600 bis 800 Kilometern an.
„„Doch darüber, ob unsere Kunden auch wirklich vom Diesel- auf den Elektroantrieb umsteigen, entscheidet letztlich die passende Ladeinfrastruktur.““
MAN rechne damit, den ersten serienreifen Elektro-Lkw im Herbst dieses Jahres an die Kunden auszuliefern. Schon jetzt gebe es über 2000 Vorbestellungen. Bis 2030 soll die Hälfte der Lastkraftwagen elektrisch sein. Das entspreche einer Anzahl von 40.000 Fahrzeugen. „Doch darüber, ob unsere Kunden auch wirklich vom Diesel- auf den Elektroantrieb umsteigen, entscheidet letztlich die passende Ladeinfrastruktur“, sagt Friedrich Baumann, Vorstand bei MAN. Die angesprochene Ladesicherheit und -geschwindigkeit könnten Grund dafür sein, dass ein Großteil der Lkw weiterhin Diesel tankt. Nach Angaben des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) von Ende 2023 waren lediglich 475 von 800.000 Lkw, die täglich durch Deutschland gefahren sind, elektrisch betrieben.
E-Lkw: Eine Ladung könnte bald nur zehn Minuten dauern
Eon und MAN wollen die Ladepunkte in verschiedenen Stufen ausbauen. Perspektivisch sollen die Kilowatt-Ladepunkte auf ein schnelleres Megawatt-Ladesystem umgerüstet werden. So könnte ein E-Lkw perspektivisch bereits innerhalb von zehn Minuten geladen sein. Dem stehe aktuell unter anderem die Überhitzung der Stecker im Weg: „Je mehr Ladeleistung, desto heißer werden die Stecker“, sagt Marc Langendorf, MAN-Kommunikationsleiter. Im Testzentrum von Eon in Essen-Vogelheim werde derzeit an Lösungen für die besonderen Anforderungen elektrischer Lastkraftwagen und Busse geforscht.
Der Eon-Chef appelliert auch an die Politik: „Wir brauchen trotzdem weiter Unterstützung von der Politik, um erfolgreich zu sein.“ Dafür nennt Birnbaum drei Punkte: den Ausbau des Netzanschlusses, Flächenverfügbarkeit und europäisches Denken. Eins wird deutlich: Um die Energie- und Verkehrswende und den Klimaschutz voranzubringen, sei nun Schnelligkeit gefragt. „Weil wir keine Zeit haben und bis 2030 anspruchsvolle Ziele erreichen wollen.“ Für die Umsetzung verweist er auf einen Abbau bürokratischer Hürden. Es brauche schnellere Genehmigungen von Straßenverkehrsämtern und der öffentlichen Verwaltung.
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