Essen. Der Energieriese Eon hat im Essener Norden ein „Test- und Innovationszentrum für E-Mobilität“ eröffnet. Was es damit auf sich hat
Vom Nordkap bis nach Sizilien sind es an der Daniel Eckhardt-Straße in Essen-Vogelheim nur ein paar raumgreifende Schritte. Der Essener Energieriese Eon hat dort, in einer 10.000 Quadratmeter großen Halle, ein „Test- und Innovationszentrum für Elektromobilität“ eingerichtet.
In einer in eisblau ausgeleuchteten Kältekammer testen die Ingenieure, was passiert, wenn sie ein Elektroauto bei minus 40 Grad laden. Nebenan läuft der Vergleichstest in einer in wohlfühlorange ausgeleuchteten Wärmekammer bei plus 50 Grad. Der Ladevorgang soll schließlich reibungslos funktionieren, egal welche Bedingungen draußen herrschen, erläutert Mathias Wiecher, bei Eon als Vice President zuständig für das Thema Elektromobilität, als er seine Zuhörer durch die Halle führt.
Laut E.ON handelt es sich bei dem Essener Testzentrum um das europaweit größte dieser Art
Die Kälte- und Wärmekammer sind zwei von insgesamt 25 Prüfständen, an denen die Eon-Ingenieurinnen und Ingenieure Ladelösungen für Elektrofahrzeuge testen und erforschen. Bei der feierlichen Eröffnung des „Test- und Innovationszentrums“ greift Eon-Vorstand Patrick Lammers ganz hoch ins Regal: Europaweit handele es sich um das größte herstellerunabhängige Testzentrum dieser Art.
Die Halle steht buchstäblich unter Strom. Die Ladesäulen verfügen über eine Leistung von bis zu drei Megawatt. Andreas Wiecher vergleicht den Energiebedarf mit dem eines Dorfes. Das ist mehr als die Photovoltaikanlagen an der Fassade und auf dem Dach werden erzeugen können.
Im Inneren besteht das Testzentrum in Essen aus Containern, vollgestopft mit Technik
Drinnen sieht das Testzentrum aus ein Versuchslabor. Das Interieur ist in Modulbauweise errichtet und besteht größtenteils aus Containern, vollgestopft mit Technik und Kabeln so dick wie Unterarme. Auf dem Dach eines Containers gibt es eine Art Lounge mit einladenden Sesseln. Dass der Vice President einen modischen Hipsterbart trägt, passt irgendwie ins Bild, auch wenn das nur Zufall sein mag.
„Energiewende, Verkehrswende, Klimaschutz - all das gelingt nur, wenn die Elektromobilität noch mehr Fahrt aufnimmt“, sagt Lammers vor den versammelten Gästen, die sich zur feierlichen Eröffnung an der Daniel-Eckhardt-Straße eingefunden haben. Eon will seinen Teil dazu beitragen. Geht doch die Internationale Energieagentur davon aus, dass sich die Zahl der Autos mit Elektroantrieb bis 2030 verzehnfachen könnte, wie Lammers ausführt.
Diese Wachstumsrate verspricht Rendite. Allein 2022 habe Eon 20.000 Ladepunkte an Privat- und Geschäftskunden in Europa verkauft. Mindestens 1000 öffentliche Schnellladepunkte werde Eon jedes Jahr einrichten, kündigt Lammers an. Der Bedarf scheint gegeben.
Oberbürgermeister Thomas Kufen freut sich, dass Eon sich für Essen als Standort seines Testzentrums entschieden hat. In Sachen Elektromobilität sieht Kufen in Sachen E-Mobilität Nachholbedarf. Auch wenn es darum geht, „den ein oder anderen mitzunehmen, der sich auf den Ausbau der Infrastruktur verlässt“.
Ladeinfrastruktur für den Schwerlastverkehr ist ein Schwerpunkt des Testzentrums
Das gilt nicht nur für Ottonormalverbraucher aus aller Herren Länder, für die Eon im neuen Versuchslabor diverse Wallboxen testet, wobei fast jedes Land eigene Standards zu setzen scheint. Es gilt auch für Spediteure, deren Lkw umweltunfreundlichen Diesel tanken. Von den Traktoren der Bauern, die in diesen Tagen durch ganz Deutschland rollen, ganz zu Schweigen.
Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs sei ein besonderer Schwerpunkt des Testlabors. Gemeinsam mit Fahrzeugherstellern wie Volvo und Mercedes testet und entwickelt Eon Ladetechnologien, die für die besonderen Anforderungen elektrischer Lastkraftwagen und Busse konzipiert werde.
Zu Demonstrationszwecken und fürs Pressebild schließt Eon-Vorstand Lammers gemeinsam mit dem Oberbürgermeister einen E-Truck an einen Hypercharger an. Die Ladesäule verfügt über eine Leistung von 400 KW und ist so groß wie eine Telefonzelle. Ältere Jahrgänge werden sich erinnern; auch ausgewachsene Menschen mit Übergröße konnten darin stehen.
Eineinhalb Stunden dauert der Ladevorgang, erläutert Eon-Ingenieur Tobias Osowski. Das Ziel sei es, dass ein Lkw-Fahrer in seiner gesetzlich vorgeschriebenen Lenkpause volltanken kann. Alle viereinhalb Stunden müssen Brummifahrer eine 45-minütige Pause einlegen.
Es gibt also noch einiges zu tun. Wie zum Beweis stauen sich draußen auf der Daniel-Eckhardt-Straße die Lkw. Viele Trucker nehmen diesen Weg, weil die nahe A42 wegen Brückenarbeiten gesperrt ist. Bald soll die Straße offiziell zur Umleitung für den Lkw-Verkehr werden. Wer also wissen will, wo Deutschland steht in Sachen Elektromobilität, muss im Eon-Testzentrum auf dem Weg vom Nordkap nach Sizilien nur mal eben vor die Tür treten. Der Eindruck: Es ist noch ein weiter Weg.
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