Essen. Nach mehr als einem Jahr einigen sich Verdi und Handelsverband NRW auf Lohnerhöhungen in drei Schritten. Das sind die Details der Tarifeinigung.

Der seit mehr als 13 Monaten dauernde Tarifkonflikt im nordrhein-westfälischen Einzelhandel ist endlich beendet: Die Gewerkschaft Verdi und der Handelsverband NRW haben sich am Dienstagabend auf einen Kompromiss geeinigt, der sich am Pilotabschluss aus Hamburg orientiert. Die rund 715.000 Beschäftigten im NRW-Einzelhandel erhalten demnach knapp zwölf Prozent mehr Lohn, schrittweise verteilt auf drei Jahre.

„Nach zwölf Monaten harter und intensiver Streikaktionen können wir mit Fug und Recht behaupten, dass wir um jeden Euro gekämpft haben. Für eine Verkäuferin bedeutet das Ergebnis, dass sie zum 1. Mai 2025 brutto knapp 400 Euro mehr im Monat zur Verfügung hat. Jeder Euro davon ist ein Ergebnis der gemeinsamen Streikbewegung“, erklärte Verdi-Verhandlungsführerin Henrike Eickholt.

Handelsverband NRW: Ergebnis bringt Arbeitgeber an finanzielle Grenzen

Weit weniger euphorisch zeigte sich Arbeitgeber-Verhandlungsführer Christopher Ranft: „Wir sind froh, nach den vielen Verhandlungstagen nun einen für beide Seiten tragbaren Tarifabschluss erreicht zu haben“, sagte er, doch die Arbeitgeber seien damit an ihre finanziellen Grenzen gegangen. „Die Ausgangslage nach den zahlreichen Krisen der letzten Jahre und damit einhergehender historisch negativer Konsumstimmung war denkbar schlecht“, sagte Ranft.

In Hamburg hatten sich Arbeitgeber und Gewerkschaft Verdi vor zwei Wochen auf einen neuen Tarifvertrag im Einzelhandel geeinigt, der mit seiner ungewöhnlich langen Laufzeit von drei Jahren für lange Zeit Tariffrieden in der Branche schafft. Das Ergebnis sieht eine Lohnerhöhung in drei Stufen vor: Rückwirkend zum 1. Oktober 2023 sollen die Monatslöhne um 5,3 Prozent steigen, zum 1. Mai dieses Jahres, also ebenfalls rückwirkend, um weitere 4,7 Prozent und zum 1. Mai 2025 pauschal um 40 Euro und weitere 1,8 Prozent.

„Darüber hinaus werden die Auszubildendenvergütungen überproportional erhöht. Zusätzlich zahlen die Arbeitgeber eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1000 Euro spätestens im August 2024“, erklärte Verdi NRW. Teilzeitbeschäftigte sollen demnach die Inflationsprämie anteilig zu ihrer Arbeitszeit erhalten, Auszubildende bekommen 500 Euro.

Verdi: Altersvorsorge wird auf 420 Euro aufgestockt

Auf einer pauschalen Erhöhung hatte Verdi bestanden, um die unteren Lohngruppen überdurchschnittlich am Ergebnis zu beteiligen, die Gewerkschaft war in NRW im April 2023 mit der Forderung nach 2,50 Euro mehr Stundenlohn in diese Tarifrunde gegangen. Ab Januar 2025 erhalten Beschäftigte jährlich zusätzlich 120 Euro tarifliche Altersvorsorge, damit steigt dieser Betrag auf 420 Euro.

Verhandlungsführerin Eickholt, Landesfachbereichsleiterin Handel bei Verdi NRW, hatte sich bereits nach dem Durchbruch in Hamburg optimistisch gezeigt. Es sei ein Erfolg, dass es Verdi gelungen sei, die Arbeitgeber „von einem Tarifdiktat abgebracht“ zu haben, sagte sie unserer Redaktion. „Es gab eine klare Strömung bei einigen Unternehmen, in einen tariflosen Zustand zu wechseln. Das wäre fatal. Die Tarifflucht haben wir jetzt abwehren können“, so Eickholt.

Einzelhandel: Kompromiss in Rheinland-Pfalz geplatzt

Allerdings werden im Einzelhandel Pilotabschlüsse nicht so einfach übernommen wie in vielen anderen Branchen. Das hat sich im Vorfeld der finalen NRW-Runde vor allem in Rheinland-Pfalz gezeigt: Verdi holte dort leichte Verbesserungen gegenüber dem Hamburger Abschluss heraus, vor allem eine Besserstellung für die Teilzeitkräfte. Den Abschluss vom vergangenen Freitag ließen die Arbeitgeber am Pfingstwochenende aber platzen. Verdi befürchtete hernach, die Arbeitgeberverbände in den anderen Ländern könnten sich daran ein schlechtes Beispiel nehmen.

In NRW haben die Arbeitgeber ebenfalls dem Vorbild aus Hamburg zugestimmt. Da keine Extraleistungen vereinbart wurden wie in Rheinland-Pfalz, ist damit zu rechnen, dass dieser Abschluss in NRW Bestand haben wird. Für viele Unternehmen stelle dieser Abschluss „eine enorme finanzielle Herausforderung dar“, erklärte der Handelsverband. Doch er hob die „historisch lange Laufzeit“ hervor, die Friedenspflicht und Planungssicherheit für die nächsten zwei Jahre bringe.

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