Essen. Thyssenkrupp-Chef Lopez feiert Deal mit Kretinsky, erntet aber Kritik von der IG Metall. Was er in einer merkwürdigen Pressekonferenz dazu sagt.

Die Pausen werden länger in der eilig einberufenen Pressekonferenz, die Nichtantworten häufen sich. Was ist passiert? Miguel Lopez kann nach nicht mal einem Jahr als Thyssenkrupp-Chef einen Investor für das kriselnde Stahlgeschäft präsentieren. Dies sollte sein Tag sein, er nennt ihn „historisch“ und erklärt den Journalistinnen und Journalisten nicht ohne Stolz: „Sie sehen, es geht voran.“ Doch auf vieles, was die ihn anschließend fragen, möchte er lieber nicht näher eingehen.

Nicht auf Fragen nach der Kritik von IG Metall und Betriebsrat, die sich einmal mehr von ihm übergangen fühlen. Und nicht auf die mehrfach gestellte Frage, ob er sich mit dieser guten Nachricht nicht doch am Dienstag auf der Betriebsversammlung im Duisburger Fußballstadion den erwarteten 10.000 Stahlbeschäftigten stellen will.

Eine Pressekonferenz mit vielen Pausen und Nichtantworten

Es wird eine etwas skurrile Telefonkonferenz mit langen Pausen, vernehmbarem Geflüster und vielen Nachfragen, ob Lopez denn auf die eben von dem Kollegen oder der Kollegin gestellte Frage noch antworten könne, was ihm wohl durchgegangen sei. Als die Frage nach seinem angekündigten Fernbleiben am Dienstag im Stadion erneut kommt, antwortet sein Pressesprecher an seiner Statt und erklärt, der Deal sei schließlich noch nicht in trockenen Tüchern, die Gremien müssten erst zustimmen.

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Wer weiß, wie es auf Stahl-Versammlungen zugeht, ahnt, dass der Name des Konzernchefs in seiner Abwesenheit noch öfter fallen wird, als wenn er erscheinen würde. Und die auf die Veranstaltungen üblichen Pfeifkonzerte noch lauter werden dürften. Zumal nicht damit zu rechnen ist, dass die veranstaltenden Betriebsräte und IG-Metall-Gewerkschafter im MSV-Stadion milde über Lopez reden werden.

Ganz im Gegenteil: Die seit vergangenen Herbst bestehenden Spannungen zwischen dem Konzernchef und der Arbeitnehmerseite haben an diesem Freitag einen weiteren Bogen geschlagen. IG Metall und Betriebsrat zeigten sich mindestens vom Zeitpunkt der Nachricht überrascht. Und entrüstet darüber, erst kurz davor informiert worden zu sein. „Kein guter Stil und kein guter Start“ sei das, findet Jürgen Kerner, Vizechef der IG Metall. Knut Giesler, NRW-Chef der Gewerkschaft, wirft Lopez „Konzeptlosigkeit“ vor, die „durch Pressemitteilungen nicht besser“ werde.

Thyssenkrupp-Chef: Ad-hoc-Pflichten ließen frühere Einbindung nicht zu

Auf die Nachfragen der Wirtschaftspresse dazu betont Lopez, in den vergangenen Monaten stets die Gremien informiert zu haben. Indirekt bestätigt er aber auch, unmittelbar vor dem am Freitag geschlossenen Kretinsky-Deal Zurückhaltung geübt zu haben - indem er auf die Gepflogenheiten bei Ad-hoc-pflichtigen, sprich börsenrelevanter Pflichtmitteilungen, verwies.

Auf die Einlassungen einer schreibenden Kollegin, dass man gerade einen Stahlkonzern doch nicht ohne die Arbeitnehmerseite umbauen könne und die eines Fernsehkollegen, er sei in seiner Antwort aber recht nonchalant darüber hinweggegangen, geht Lopez nicht näher ein.

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Es ist nicht das erste Mal, dass sich die bei Thyssenkrupp besonders mächtige Arbeitnehmerseite und der neue Vorstandschef öffentlich nicht gerade als Einheit präsentieren. Zu einem regelrechten Eklat war es im November gekommen, als im Aufsichtsrat die von Lopez geplante Erweiterung des Vorstands von drei auf fünf Mitglieder gegen die Arbeitnehmerbank durchgeboxt wurde.

Zerwürfnis nach der Erweiterung des Thyssenkrupp-Vorstands

Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm, der auch Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) ist, hatte von seinem Doppelstimmrecht als Vorsitzender Gebrauch gemacht, was in Aufsichtsgremien extrem selten vorkommt. Die IG Metall nannte das einen „Kulturbruch“. Im Interview mit unserer Redaktion verteidigte Lopez die Vorstandserweiterung dagegen vehement. Die Erweiterung sei notwendig, um die großen Herausforderungen meistern zu können.

Der frühere Siemens-Manager zeichnete nach seinem Amtsantritt ein ähnlich düsteres Bild von der Wettbewerbsfähigkeit des Traditionskonzerns wie es schon seine Vorgängerin Martina Merz vier Jahre zuvor getan hatte. Besonders für den Stahl wollte und will er eine Lösung finden, woran Merz wie auch deren Vorgänger gescheitert waren. Er vermittelt den Eindruck, mehr handeln statt reden zu wollen.

IG Metall sieht ebenfalls den Druck, etwas im Stahl verändern zu müssen

Grundsätzlich ist auch die IG Metall der Meinung, dass sich bei Thyssenkrupp Steel einiges ändern muss, damit das Unternehmen eine Zukunft hat. Für den Umstieg auf eine grüne Stahlproduktion braucht es viele Milliarden Euro und weitreichende Entscheidungen. Über das Wie und besonders die Transparenz der nächsten Schritte ist aber derzeit keine Einigkeit zwischen Konzernvorstand, Gewerkschaft und Betriebsräten in Sicht.