Duisburg. Am Dienstag treffen sich die Belegschaften von Thyssenkrupp Steel und HKM. Vor der einmaligen Versammlung sind Verunsicherung und Unruhe groß.
Am kommenden Dienstag, 30. April, beginnt um 10 Uhr (Einlass ab 8.30 Uhr) eine Belegschafts-Information des Betriebsrats für alle Standorte von Thyssenkrupp Steel (TKS) sowie der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM). Die Betriebsräte rechnen mit über 10.000 Teilnehmern aus allen Betrieben in NRW. Nach der Ankündigung des Konzerns, die Jahresproduktion von 11,5 auf 9,5 Millionen Tonnen zu senken und die Werke neu zuzuschneiden, sind Tausende von Arbeitsplätzen bedroht. Entsprechend groß ist Anspannung. Sie steigt noch durch die aktuelle Nachricht, dass der EPCG-Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský mit einer 20-Prozent-Beteiligung bei TKS einsteigen wird.
Nach einer Sitzung der Aufsichtsgremien hatte der Vorstand am 11. April eine nur eine Zahl genannt, sich allerdings noch nicht zu den Auswirkungen auf die künftige Zahl von Hochöfen, Stahl- und Walzwerken sowie der Verwaltungs- und Dienstleistungsbereiche geäußert. Die Pläne der Neuaufstellung, so hieß es, sollten demnach „umgehend weiter konkretisiert“ und anschließend mit den Mitarbeitervertretern beraten werden. Und: „Es ist das erklärte Ziel, betriebsbedingte Kündigungen auch weiterhin zu vermeiden“. Eine Job-Garantie gilt bei TKS noch bis März 2026.
Thyssenkrupp will Produktion senken: Jobgarantie gilt bis März 2026
„Welcher Standort ist betroffen? Wie geht es mit meinem Betrieb weiter? Das will natürlich jetzt jeder wissen. Die Unruhe und die Verunsicherung bei den Kolleginnen und Kollegen ist groß“, sagt Dzenan Kurspahic, Geschäftsführer des Konzernbetriebsrats.
Dort laufen die Fäden für eine in dieser Größenordnung einmalige Versammlung der Beschäftigten zusammen. Ein Treffen aller TKS-Belegschaften hatte es zuletzt 2018 zur letztlich gescheiterten Beteiligung des britischen Stahlkonzerns Tata im Landschaftspark Duisburg-Nord gegeben.
Hüttenwerke Krupp-Mannesmann „mit weit über 1000 Leuten im Stadion“
Als unwahrscheinlich gilt, dass die Beschäftigten schon am Dienstag Antworten auf ihre Fragen bekommen. „Wir gehen nicht davon aus, dass uns ein Konzept präsentiert wird“, sagt Marco Gasse, der Betriebsratsvorsitzende der HKM. Für die Hütte im Süden geht es ums Ganze.
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Der zweitgrößte deutsche Stahlstandort wartet auf die Zusage der Gesellschafter Thyssenkrupp (50 %) und Salzgitter (30%) für den Bau einer Direktreduktionsanlage zur Produktion von „grünem“ Stahl. „Wir werden mit weit über 1000 Leuten im Stadion sein“, kündigt Gasse an, „die Stimmung ist sehr angespannt.“
Gern hätten die Betriebsräte Miguel Ángel López auf dem Podium gesehen. López habe aber „auf unsere schriftliche Einladung nicht reagiert“, berichtet Kurspahic. Der Vorstandschef des Thyssenkrupp-Konzerns hat nun mit dem Einstieg von Křetínský einen Investor für die Stahlsparte gefunden – es soll der erste Schritt sein zur Schaffung eines Gemeinschaftsunternehmens, an dem beide Seiten jeweils 50 Prozent der Anteile halten.
Vollständig vertreten sein werde der Stahl-Vorstand um den Vorsitzenden Bernhard Osburg. „Wir erwarten aber nicht, dass der Vorstand seine Pläne am Dienstag preisgibt“, so der Geschäftsführer des Konzernbetriebsrats.
Betriebsrat: Belegschaft soll Gelegenheit haben, ihre Sorgen zu formulieren
So finden sich auf der Rednerliste vor allem prominente Namen aus der Bundes- und Landespolitik (>> zum ArtikelStahlkocher im Stadion: Welche Politiker kommen, wer absagt). Sie werden den Stahl-Belegschaften den Rücken stärken und ihre Erwartungen an den Vorstand für eine Neuausrichtung formulieren.
Das gilt auch für die Spitzen der IG Metall, vertreten durch den NRW-Bezirksleiter Knut Giesler. Jürgen Kerner, 2. Vorsitzender der Gewerkschaft, spricht erst tags darauf bei der Mai-Kundgebung im Landschaftspark Nord, er ist am Dienstag wegen eines wichtigen privaten Termins verhindert.
„Wir wollen den Beschäftigten die Möglichkeit geben, ihre Empörung herauszulassen“, sagt Dzenan Kurspahic zur Zielrichtung der Versammlung. Es gelte, „die Stimmung aufzunehmen und zu kanalisieren.“
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Rote Linien zu ziehen für die Arbeitnehmerseite und die Beschäftigten einzustimmen auf eine harte Auseinandersetzung in den nächsten Monaten, das wird die Aufgabe sein von Tekin Nasikkol, dem Vorsitzenden von Gesamt- und Konzernbetriebsrat. „Die Vorstände sollen sehen, dass es nicht nur um Standorte, sondern um Menschen geht“, sagt HKM-Betriebsrat Marco Gasse. Der Kampf um die Zukunft des Stahlstandorts Duisburg beginnt am Dienstag.