Essen. Thyssenkrupp-Chef López sagt im Interview, warum es nicht weitergehen kann wie bisher und wie es um den Stahl-Deal mit Kretinsky steht.

Miguel López hat mit Gegenwind zu kämpfen bei Thyssenkrupp. Ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt sind führende Arbeitnehmervertreter aufgebracht angesichts eines Vorstandsumbaus, den der neue Konzernchef befürwortet. Die Stimmung ist aufgeheizt. In seinem ersten großen Interview als Thyssenkrupp-Chef verteidigt López seine Pläne für einen Neustart des Essener Traditionsunternehmens, zu dem rund 100.000 Beschäftigte gehören. So wie bisher könne es nicht weitergehen, betont er. „Der Moment, „Stopp!“ zu sagen, musste kommen, und ist jetzt da. Alles andere wäre unverantwortlich“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr López, es hat geknallt bei Ihnen im Konzern. Die IG Metall ist in Aufruhr, weil eine Vergrößerung des Vorstands gegen ihren Willen beschlossen worden ist. Ließ sich der Konflikt nicht entschärfen?

López: Die Erweiterung hat gute Gründe. Wir brauchen für unsere jeweiligen Geschäfte bei Thyssenkrupp eine eindeutige Zuordnung im Vorstand. Es muss klar sein, wer wofür verantwortlich ist. Bislang war diese Verantwortung auf Vorstandsebene nicht klar abgebildet. Das mussten wir dringend ändern. Und zu Interna aus dem Aufsichtsrat gibt es selbstverständlich keine Kommentare von mir.

Ab Januar haben Sie fünf statt drei Vorstandsmitglieder: Volkmar Dinstuhl ist dann verantwortlich für das Autozuliefergeschäft, Ilse Henne für den Werkstoffhandel, Oliver Burkhard weiterhin für die Marine-Sparte, Sie selbst kümmern sich um den Stahl und die neue Klimaschutz-Sparte. Hinzu kommt der neue Finanzchef Jens Schulte. Das heißt: mehr Personal an der Spitze, dabei soll doch fast überall im Konzern gespart werden.

López: Das Argument ist nicht stichhaltig. Ilse Henne und Volkmar Dinstuhl waren schon bisher im Konzern und werden auf ihren vorherigen Positionen nicht ersetzt. Wir bauen also keine zusätzlichen Führungspositionen auf. Aber wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, warum Thyssenkrupp seit vielen Jahren seine wirtschaftlichen Ziele nicht erreicht hat. Hier kommen wir schnell zu den Faktoren Führung und Verantwortung. Eine Aufstellung, wie es sie jetzt neu bei uns gibt, hat sich in vielen großen Unternehmen bewährt.

Thyssenkrupp-Chef López über den Vorstands-Eklat im Aufsichtsrat

Trotzdem ist es ein Vorgang, die geschlossene Arbeitnehmerseite zu überstimmen. Ließ sich das nicht verhindern?

López: Die Argumente, die ich genannt habe, sprechen für sich.

Die Doppelrolle von Marine-Chef Oliver Burkhard, der neben seiner Aufgabe in Kiel auch Personalvorstand für den Gesamtkonzern ist, erscheint ungewöhnlich. Warum haben Sie dieses Konstrukt bei der neuen Vorstandsaufstellung beibehalten?

López: Herr Burkhard führt Marine Systems als CEO sehr gut. Das Geschäft ist auf einem guten Weg. Er agiert unternehmerisch, und er nimmt die Menschen mit. Genau das braucht Thyssenkrupp. Verändern müssen wir dort, wo sich die Leistungsfähigkeit nicht so entwickelt hat, wie es erforderlich ist.

Und wo mangelt es nach Ihrer Einschätzung an Leistungsfähigkeit im Konzern?

López: Alle Geschäfte müssen ihre Ziele erreichen – Einheit für Einheit. Das packen wir jetzt mit klaren Schritten, Verantwortlichkeiten und Zielen an – überall im Unternehmen.

Miguel López ist seit gut einem halben Jahr Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp. Von der Essener Zentrale aus will er den Konzern auf Rentabilität trimmen.
Miguel López ist seit gut einem halben Jahr Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp. Von der Essener Zentrale aus will er den Konzern auf Rentabilität trimmen. © Funke Foto Services | Fabian Strauch

Bei Ihrer ersten Jahresbilanz haben Sie einen Verlust von zwei Milliarden Euro präsentiert, für das laufende Geschäftsjahr erwarten Sie unter dem Strich einen Anstieg auf einen positiven Wert im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Haben Sie die Sorge, dass Ihnen die schwache Konjunktur dazwischenkommt?

López: Unsere Ziele sind ehrgeizig, keine Frage, aber sie sind auch erreichbar. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bleibt schwierig, umso mehr konzentrieren wir uns auf das, was wir selbst in der Hand haben.

Sie meinen Ihr Programm Apex, mit dem Sie für das Geschäftsjahr 2024/2025 auf Konzernebene eine Gewinnmarge von vier bis sechs Prozent für das bereinigte Ebit anstreben – also für das Ergebnis vor Zinsen und Steuern.

López: Richtig, wir müssen Thyssenkrupp nachhaltig profitabel machen. Dann werden wir auch mit Zuspruch von Anlegern belohnt, und das ist Voraussetzung für Investitionsfähigkeit und Wachstum. Der Aktienkurs ist derzeit auf einem Niveau, mit dem wir nicht zufrieden sein können. Wir wollen ein Konzern sein, der verlässlich ist – auch als Dividenden-Zahler. Dafür muss die Leistungsfähigkeit sämtlicher Geschäftsbereiche zunehmen.

Sparprogramm „Apex“ enthält keinen Stellenabbau

Tausende Stellen hat Thyssenkrupp in den vergangenen Jahren bereits gestrichen. Bleibt es dabei, dass durch das Programm „Apex“ kein weiterer Arbeitsplatzabbau kommt?

López: Apex ist kein Programm zum Stellenabbau. Wir setzen mit vielen Hebeln an: unter anderem bei den Materialkosten, der Preissetzung, den Geschäftsmodellen und beim Thema Leistungskultur.

Heißt „Apex“ auch: weniger Dienstreisen, weniger externe Berater?

López: Auch das sind Teilaspekte zur Senkung unserer Sachkosten.

Sind die Vergütungen der Vorstandsmitglieder auch an die Ergebnisse gekoppelt, die sie in den Segmenten erzielen, für die sie künftig verantwortlich sind?

López: Der Vorstand einer Aktiengesellschaft haftet gesamtheitlich als Organ. Daher hat er auch ein gemeinsames Ziel, in dem sich die Gesamtleistung des Konzerns widerspiegelt.

Mit der Vorstandserweiterung ist auch das Signal verbunden: mehr Macht für die Zentrale. Ist das Konzept der „Group of Companies“, also die Strategie einer Firmengruppe starker Einzelunternehmen, wie sie Ihre Vorgängerin Martina Merz ausgerufen hat, beerdigt?

López: Die Formulierung habe ich mir nicht zu eigen gemacht. Es geht um klar definierte und zugewiesene Führungsverantwortung auf allen Ebenen des Unternehmens. Das ist das Signal.

López übernimmt Merz‘ „Group of Companies“ nicht

Wofür steht Thyssenkrupp denn aus Ihrer Sicht? Was ist der Kern des Unternehmens?

López: Kernbestreben ist, uns in allen Segmenten eine gute Zukunft zu erarbeiten. Dafür sind drei große Themen entscheidend. Erstens das Portfolio: Wir möchten die Stahlsparte und unser Marine-Geschäft verselbstständigen, denn beide Bereiche sind sehr spezifisch in ihrer jeweiligen Industrie unterwegs. Zweitens die wirtschaftliche Leistungskraft: Jedes Geschäft muss mindestens so gut und möglichst besser als seine Wettbewerber sein. Drittens die grüne Transformation: Wir wollen den Stahl klimafreundlich machen und unser Geschäft mit grünen Technologien bei „Decarbon Technologies“ und im gesamten Konzern ausbauen.

Sie sind seit etwas mehr als einem halben Jahr Thyssenkrupp-Chef. Lässt sich Thyssenkrupp nur im Konflikt sanieren?

López: Interessante Frage. Kurz vor Weihnachten, bei dem ersten Treffen unserer Top-500-Führungskräfte nach Corona, also seit vier Jahren haben mir viele gesagt: „Wir haben noch nie eine so klare Aussage zum Thema Leistungsfähigkeit bekommen wie jetzt.“ Ich habe dann zurückgefragt: „Warum nicht?“ Als Antwort habe ich oft gehört: „Wir wollten keinen Konflikt erzeugen.“ Ich glaube schon, dass es gewisse Reibungen erzeugt, wenn wir als Vorstand den Fokus auf die Steigerung der Leistung richten. Jahrzehntelang sind viele unserer Geschäfte nicht verlustfrei gefahren. Der Moment, „Stopp!“ zu sagen, musste kommen, und ist jetzt da. Alles andere wäre unverantwortlich. Wo sollte das hinführen?

Sind aus Ihrer Sicht die Interessen der Anteilseigner-Seite bei Thyssenkrupp zuletzt zu kurz gekommen?

López: Ja, Aktionäre empfinden da nicht anders als Sparer. Sie vertrauen uns ihr Kapital an und erwarten dafür eine angemessene Verzinsung. Sonst fühlen sie sich zu Recht nicht gut behandelt.

Im Interview mit den WAZ-Redakteuren Ulf Meinke und Stefan Schulte spricht Miguel López Klartext.
Im Interview mit den WAZ-Redakteuren Ulf Meinke und Stefan Schulte spricht Miguel López Klartext. © Funke Foto Services | Fabian Strauch

In einem Mischkonzern wie Thyssenkrupp läuft es mal in dem einen Bereich besser, mal in einem anderen. Ist der Konzern auch dafür da, hier etwas auszugleichen?

López: Ziel ist, dass jedes Segment aus eigener Kraft seine Zukunft meistert. Es ist nicht angestrebt und nicht erwünscht, dass es zu Quersubventionierungen im Konzern kommt.

Welche Thyssenkrupp-Firmen stehen noch auf der Verkaufsliste?

López: Für zwei Unternehmen unserer Autozulieferer-Sparte, Springs & Stabilizers sowie Automation Engineering, läuft der Verkaufsprozess. Das ist allgemein bekannt.

Hinzu könnte ein Teilverkauf der Stahlsparte mit großen Werken in Duisburg, Bochum, Dortmund und Südwestfalen kommen. Wenn Sie den Stahl verselbstständigen: Was bleibt dann als Kern von Thyssenkrupp?

López: Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Bei einem Teilverkauf würde Thyssenkrupp ja Anteilseigner eines Gemeinschaftsunternehmens bleiben. Und darüber hinaus bleibt eine große Breite unserer Geschäfte. Nehmen Sie die Sparte „Decarbon Technologies“ mit unserem Wasserstoff-Geschäft rund um Nucera. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die Auftragspipeline ist lang und sehr gut gefüllt. Der Bedarf nach Elektrolyseuren zur Wasserstoff-Produktion steigt. Wir stehen am Start einer Entwicklung. Die Wasserstoff-Wirtschaft wird gewaltige Dimensionen erreichen.

Thyssenkrupp-Chef López: Ich bin ein Stahl-Fan

Sehen Sie auch Wachstumspotenziale für den Stahl?

López: Ich bin ein Stahl-Fan. Deswegen bin ich auch im Vorstand für den Stahl zuständig. Aber wir sind mit unserem Stahlgeschäft schon seit vielen Jahren nicht auf dem Niveau der Wettbewerber. Das müssen und werden wir ändern. Und mit der Dekarbonisierung des Stahls gehen wir eine umfassende Transformation an. Nur so können wir das Geschäft in die Zukunft führen.

Sie führen mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky Gespräche, um einen Gemeinschaftskonzern zu gründen, an dem beide Seiten mit jeweils 50 Prozent beteiligt sind. Wie ist der aktuelle Stand der Gespräche?

López: Die konjunkturelle Eintrübung seit September hält an und ist nicht förderlich. Aber wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass die Potenziale für ein Gemeinschaftsunternehmen groß sind. Herr Kretinsky bringt mit seinem Unternehmen EPH Energieexpertise mit, die sehr wichtig für das Stahlgeschäft der Zukunft ist.

Haben Sie einen Zeitplan für die Gespräche formuliert? Irgendwann müssen Sie sich doch in die Augen schauen und sagen: Wir gehen in diese oder in jene Richtung.

López: Es gibt keinen fixen Termin. Und wir setzen uns nicht unter unangemessenen Zeitdruck.

Nach dem Eklat im Aufsichtsrat zur Vorstandserweiterung befürchtet die IG Metall, auch die Entscheidung zu einem Teilverkauf des Stahls könnte gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter fallen. Schließen Sie einen Teilverkauf des Stahls gegen die Stimmen der Arbeitnehmer aus?

López: Wir streben natürlich eine Lösung an, die von allen getragen werden kann. Der Weg muss ein gemeinsamer sein.

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Haben Sie den Eindruck, die IG Metall will durch die jüngste Eskalation während und nach der Aufsichtsratssitzung Herrn Kretinsky abschrecken?

López: An solchen Spekulationen beteilige ich mich nicht. Alle wissen, wie wichtig die Energiefrage für den Stahl der Zukunft ist.

Sind die Verhandlungen zum Verkauf der Stahlsparte belastet?

López: Ich erlebe sehr ernsthafte Diskussionen zur Zukunft des Stahls. Im Aufsichtsrat der Stahlsparte sind sich alle darüber im Klaren, dass wir die Leistungsfähigkeit erhöhen müssen.

Ob es langjährige Job-Garantien im Stahl gibt, „wird sich zeigen“

Die IG Metall fordert für den Fall der Gründung eines Stahl-Gemeinschaftskonzerns konkrete Zusagen, etwa langjährige Garantien für Arbeitsplätze und Standorte. Können Sie solche Garantien geben?

López: Das wird sich zeigen. Wir reden hier über ein 50-50-Unternehmen, nicht über einen Verkauf. Grundvoraussetzung für ein Zusammenkommen ist, dass sich beide Parteien auf einen Plan einigen. Dazu gehört ein Übereinkommen, wie der Stahl in die Zukunft geführt werden kann. Dabei geht es um Themen wie die Profitabilität, Cash-Generierung, Pensionen, Eigenkapital-Ausstattung und Investitionsfähigkeit.

Können Sie sich auch einen Komplett-Verkauf vorstellen?

López: Wir streben eine 50-50-Konstruktion an. Das heißt: Wir bleiben drin – und zwar aus gutem Grund. Wir wollen dem Unternehmen Stabilität bieten und gleichzeitig die Expertise eines Energiepartners nutzen können.

Soll in dem Business-Plan auch stehen, wann die nächsten DRI-Anlagen für die Herstellung von grünem Stahl geplant sind? Bislang gibt es nur Klarheit dazu, wie ein klimaschädlicher Hochofen in Duisburg ersetzt werden soll. Es gibt aber insgesamt sechs Hochöfen, davon vier bei Thyssenkrupp Steel und zwei weitere bei Ihrer Tochter HKM.

López: Die Dekarbonisierung muss Teil des Plans sein. Und zusätzlich die Bedürfnisse unserer Kunden – sprich: Wie schnell sie grünen Stahl für ihre Produkte benötigen.

Für Ihre erste DRI-Anlage sollen Sie rund zwei Milliarden Euro aus den Kassen von Bund und Land erhalten. Haben Sie die Sorge, dass für weitere Anlagen, die notwendig sind, nach dem Haushaltschaos weniger Geld fließen wird?

López: Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die wir von der Bundes- und der Landesregierung erhalten. Mit Blick auf die Zukunft bin ich optimistisch. Die handelnden Akteure wissen, worum es geht und was auf dem Spiel steht.

Thyssenkrupp: Die neue Stahlanlage läuft mit oder ohne Wasserstoff

Noch ist der Stahlstandort Duisburg nicht an ein Wasserstoff-Netz angebunden, das die neue DRI-Anlage für die Grünstahl-Produktion versorgen könnte. Sehen Sie angesichts der Haushaltskrise im Bund den Aufbau des Wasserstoff-Netzes in Gefahr?

López: Wir brauchen eine Anbindung in Duisburg an das Wasserstoff-Kernnetz, das der Bundeswirtschafts- und Klimaminister konkret plant. Der Wasserstoff-Bedarf unserer neuen DRI-Anlage ist gewaltig. Die DRI-Anlage lässt sich aber auch vorübergehend mit Erdgas betreiben. Ob Leitungen stehen oder nicht: Der Betrieb der DRI-Anlage ist nicht infrage gestellt.

Aber bei einer übermäßigen Nutzung von Erdgas statt Wasserstoff würde Thyssenkrupp Steel nicht mehr die gesamte staatliche Förderung zustehen, sondern nur ein Teil der rund zwei Milliarden Euro – richtig?

López: Das ist korrekt. Es sind Kontingente für den Einsatz von grünem Wasserstoff vorgesehen, an die Teile der staatlichen Förderung gekoppelt sind. Denn ein Ziel ist, die Wasserstoff-Wirtschaft in Deutschland anzukurbeln. Daher ist es auch so wichtig, dass das Wasserstoff-Netz ausgebaut wird. Die Infrastruktur muss pünktlich stehen.

Sie erhalten voraussichtlich milliardenschwere Staatshilfe für den Aufbau der Grünstahl-Produktion in Duisburg, gleichzeitig wollen Sie einen Teil des Stahlgeschäfts veräußern. Passt das zusammen?

López: Das Geld aus der Staatskasse fließt, um Klimaschutz und Wasserstoff-Wirtschaft Impulse zu geben. Und es geht um Anlagen, die in Deutschland entscheidende Teile der industriellen Wertschöpfungskette in stahlverarbeitenden Branchen absichern – unabhängig vom Eigentümer.

Sie loten die Chancen für eine „Energiepartnerschaft“ mit dem Tschechen Kretinsky aus, zu dem auch ein großes ostdeutsches Braunkohle-Geschäft gehört, das alles andere als klimafreundlich ist. Können Sie sich auch weitere Energiepartnerschaften vorstellen, etwa mit Akteuren aus dem Nahen Osten?

López: Absolut. Drei Regionen haben wir weltweit für mögliche Energiepartnerschaften besonders im Blick: Die iberische Halbinsel hat aus unserer Sicht innerhalb Europas das größte Potenzial für die Produktion von wettbewerbsfähigem Grünstrom – und damit auch für Wasserstoff. Daneben haben wir die arabische Halbinsel und den Süden der USA im Blick. In allen drei Regionen loten wir Chancen für Partnerschaften aus.

López: Wir brauchen Wasserstoff-Pipelines aus Südeuropa

In den vergangenen Jahrzehnten hat Erdgas aus Russland eine entscheidende Rolle bei der Energieversorgung in Deutschland gespielt. Benötigt die Bundesrepublik nun neue Pipelines für Wasserstoff aus Ländern wie Spanien, Portugal und Marokko?

López: Auf jeden Fall. Wir brauchen Pipelines aus dem Westen und Süden Europas. Sonst wird sich der riesige Wasserstoff-Bedarf in Deutschland kaum decken lassen.

Sie selbst sind viel auf Reisen – in China, in den USA, im Mittleren Osten. Sehen Sie die Zukunft von Thyssenkrupp mehr in Abu Dhabi, Louisiana und Shanghai und weniger in Duisburg, Bochum und Dortmund?

López: Das ist kein entweder oder. Wir verkaufen unsere Produkte weltweit. Ich möchte möglichst oft dort sein, wo unsere Kunden sind. Im Umfeld von 500 Kilometern um Duisburg herum sind die meisten Stahlkunden, das haben die Kollegen in Duisburg gut im Griff. Wir haben aber auch besonders viele Kunden und Projekte auf der arabischen Halbinsel, in den USA und in China. Das ist der Grund, warum ich häufiger in diesen Regionen unterwegs bin. Thyssenkrupp lebt vom globalen Geschäft. Deshalb ist mein Platz nicht nur an Rhein und Ruhr, sondern als Thyssenkrupp-Chef habe ich eine globale Aufgabe.