Essen/Bochum. Bei Thyssenkrupp regt sich vor der Hauptversammlung Kritik. Aktionäre positionieren sich schon vor dem Treffen am Freitag in Bochum.
Wenige Tage vor der Hauptversammlung von Thyssenkrupp in Bochum ist klar: Das Management um Konzernchef Miguel López muss sich auf Gegenwind von verschiedenen Seiten einstellen. Unmut wird sowohl bei Arbeitnehmervertretern als auch bei Investoren laut. So will unter anderem die Sparkassen-Investmentfirma Deka ein Zeichen setzen und die Dividende, für die sich der Vorstand und der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp aussprechen, bei der Hauptversammlung ablehnen. „Das Geld braucht das Unternehmen für seine internen Umbauprozesse“, sagt Deka-Experte Ingo Speich in einem Interview mit der „FAS“.
Auch der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagene Zahlung von 93,38 Millionen Euro an die Thyssenkrupp-Anteilseigner abzulehnen. Das Geld solle stattdessen „für Investitionen in die Zukunftsfähigkeit der eigenen Geschäftstätigkeit, die Erhaltung der Arbeitsplätze und das schnellere Erreichen der Klimaziele“ verwendet werden, fordert die Aktionärsvereinigung.
Kritische Aktionärinnen und Aktionäre verweisen auf die Staatshilfe
In diesem Zusammenhang verweisen die Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre auch auf die Staatshilfe, die der Konzern zum Aufbau einer Grünstahl-Produktion in Duisburg erhält. „Die Beanspruchung von Staatshilfen, die sich aus Steuergeldern speisen, ist für uns nicht vereinbar mit der gleichzeitigen Ausschüttung einer Dividende“, schreiben die Aktionärsvertreter in einem Gegenantrag zur Hauptversammlung. „Angesichts der akuten Probleme im Bundeshaushalt können die Konzernverantwortlichen von Glück reden, dass die staatliche Förderung für Thyssenkrupp bereits zugesagt wurde. Angesichts dieser Unterstützung durch die Gesellschaft sollte Thyssenkrupp kurzfristige Gewinne für langfristige Transformationsprojekte nutzen.“
Nach mehreren Digital-Veranstaltungen plant Thyssenkrupp für den 2. Februar in Bochum wieder eine Hauptversammlung in Präsenz. Die Thyssenkrupp-Führung erklärte, sie halte „die Gegenanträge für unbegründet“. Mit der Dividende werde „die nachhaltige Zuversicht des Managements in die zukünftige Geschäftsentwicklung“ von Thyssenkrupp unterstrichen. Die Finanzierung der geplanten Investitionen des Konzerns sei unabhängig von der Zahlung einer Dividende gesichert.
Zwei Milliarden Euro Verlust, trotzdem Dividende
Bei seiner ersten Jahresbilanz für Thyssenkrupp hat Miguel López im vergangenen November einen milliardenschweren Verlust präsentiert. Unter dem Strich ist im Geschäftsjahr 2022/23 ein Fehlbetrag in Höhe von zwei Milliarden Euro entstanden. Ursächlich sind Unternehmensangaben zufolge vor allem Wertberichtigungen in der Bilanz der Stahlsparte, zu der große Standorte in Duisburg, Bochum, Dortmund und Südwestfalen gehören. Im Vorjahreszeitraum hatte Thyssenkrupp noch einen Jahresüberschuss in Höhe von 1,2 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Trotz des aktuellen Verlusts plant das Thyssenkrupp-Management die Ausschüttung einer Dividende. Wie im Vorjahr sollen 15 Cent je Aktie fließen. Nach drei Nullrunden hatte Thyssenkrupp erstmals für das Geschäftsjahr 2021/22 wieder Geld an die Anteilseigner überwiesen – zu diesem Zeitpunkt noch unter Martina Merz, der Vorgängerin von Miguel López. Der Essener Krupp-Stiftung – mit einem Anteil von rund 21 Prozent größte Einzelaktionärin – kommen bei dieser Dividendenhöhe rund 19,6 Millionen Euro zu.
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Michaela Muylkens, die seit Juli im Vorstand der Krupp-Stiftung ist, verteidigte unlängst die Ausschüttung des Konzerns trotz des Milliardenverlusts. „Die Stiftung ist auf eine Dividende angewiesen“, sagte sie im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die Dividende ist die Grundlage unserer Existenz.“ Die gemeinnützige Stiftung, die auf dem Gelände der Villa Hügel in Essen residiert, verwendet die Einnahmen aus ihrer Konzernbeteiligung, um Projekte in Kunst und Kultur, Bildung, Wissenschaft, Gesundheit und Sport zu fördern.
Thyssenkrupp-Chef López hat den Eindruck, die Interessen der Anteilseigner-Seite seien bei Thyssenkrupp zuletzt zu kurz gekommen. „Aktionäre empfinden da nicht anders als Sparer. Sie vertrauen uns ihr Kapital an und erwarten dafür eine angemessene Verzinsung. Sonst fühlen sie sich zu Recht nicht gut behandelt“, sagte López im Interview.
Deka: Thyssenkrupp „weiterhin ein Ankündigungsweltmeister“
Nach Einschätzung der Fondsgesellschaft Deka ist bei Thyssenkrupp in den vergangenen zwei Jahren „zu wenig passiert“. Deka-Experte Ingo Speich kritisiert im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“, Thyssenkrupp sei „weiterhin ein Ankündigungsweltmeister“. Dass es nach wie vor viel Skepsis bei den Kapitalanlegern gebe, lasse sich auch an der Bewertung des Stahl- und Industriegüterkonzerns an der Börse ablesen.
Auch von führenden Arbeitnehmervertretern wird López skeptisch beäugt. Die IG Metall ist in Aufruhr, weil der Aufsichtsrat Ende vergangenen Jahres eine Vergrößerung des Vorstands gegen ihren Willen beschlossen hat. Im gleichermaßen mit Mitarbeiter- und Kapitalvertretern besetzten Thyssenkrupp-Kontrollgremium musste dafür Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm seine Doppelstimme einsetzen – ein seltener Vorgang in Deutschlands Industrie. Nach dem Eklat im Aufsichtsrat zur Vorstandserweiterung befürchtet die IG Metall, auch eine Entscheidung zu einem Teilverkauf der Thyssenkrupp-Stahlsparte könnte gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter fallen.