Essen/Duisburg. Bei Thyssenkrupp gibt es endlich Klarheit zu den milliardenschweren Subventionen für den Aufbau einer grünen Stahlproduktion in Duisburg.

Aufatmen bei Thyssenkrupp: Die EU-Kommission hat die milliardenschwere deutsche Förderung zum Aufbau einer Produktion von klimafreundlichem Stahl in Duisburg genehmigt. Es gehe um Unterstützung in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro, teilte die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel mit.

Die Hilfen sind den Angaben zufolge zweigeteilt. Zum einen sollen mit Zuschüssen von bis zu 550 Millionen Euro Bau und Montage einer Anlage für die Stahlproduktion unterstützt werden. Anfangs soll zwar noch Erdgas für den Betrieb verwendet werden, doch das Gas soll bis zum Jahr 2037 vollständig durch erneuerbaren Wasserstoff ersetzt und somit noch klimafreundlicher werden. Mit den restlichen bis zu 1,45 Milliarden Euro der Beihilfen soll ein Mechanismus finanziert werden, der in den ersten zehn Jahren des Betriebs der neuen Anlage Mehrkosten decken soll. Konkret geht es dabei um Kosten, die bei der Beschaffung und Nutzung von Wasserstoff anfallen würden.

Die Eigeninvestitionen seitens Thyssenkrupp liegen Unternehmensangaben zufolge bei knapp eine Milliarde Euro. Die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission ermögliche der Bundesregierung die Freigabe der beantragten Fördermittel, erklärte der Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel in Duisburg. „Wir setzten jetzt auf eine zeitnahe formale Gewährung durch die Bundesregierung“, sagte Bernhard Osburg, der Vorstandschef von Thyssenkrupp Steel.

Robert Habeck: „Enorm wichtige Entscheidung für den Klimaschutz“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einer „enorm wichtigen Entscheidung für den Klimaschutz und den Industriestandort in Deutschland“. Das Werk in Duisburg sei nicht nur ein großer CO2-Emittent, sondern auch „ein zentraler Teil der Wertschöpfung in Deutschland – vom Auto bis zum Windrad“. Nicht zuletzt gehe es um „viele Arbeitsplätze, die mit dem Vorhaben zukunftssicher gemacht werden können“.

„Heute ist ein guter Tag für das Klima und für unseren Industriestandort Nordrhein-Westfalen“, kommentierte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Entscheidung in Brüssel. „Eines der wichtigsten Projekte zur Transformation der Industrie zur Klimaneutralität in unserem Land kann endlich in die Umsetzung gehen.“

NRW steuert größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes bei

Eine Genehmigung der Subventionen durch die EU-Kommission hatte sich in den vergangenen Tagen abgezeichnet. Sigmar Gabriel, der Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel, zeigte sich bereits vor wenigen Tagen überzeugt, dass es zu einer Freigabe der staatlichen Finanzmittel kommen wird. „Mehr als 30.000 Stahlarbeiter mit Familien können beruhigt den Sommer genießen“, schrieb Gabriel beim Kurznachrichtendienst Twitter. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe die erforderlichen Schritte unternommen.

„Diese große Transformation der Stahlindustrie ist nur mit Bundes- und Landeshilfen möglich“, so der frühere Vizekanzler Gabriel, der nun als Chefkontrolleur in Diensten der Thyssenkrupp-Stahlsparte steht. Der frühere SPD-Chef Gabriel lobt in diesem Zusammenhang ausdrücklich den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU). Die größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes NRW wäre „ohne den Mut des Ministerpräsidenten“ nicht möglich gewesen, so Gabriel. Das Land NRW will bis zu 700 Millionen Euro für das Thyssenkrupp-Projekt beisteuern. Rund 1,3 Milliarden Euro könnten aus der Kasse des Bundes kommen.

Riesiger Bedarf an Wasserstoff bei Thyssenkrupp absehbar

Finanziert werden sollen damit Pläne für den Bau einer sogenannten Direktreduktionsanlage, mit deren Hilfe Thyssenkrupp einen bestehenden Hochofen in Duisburg ersetzen will. Für das Vorhaben hat der Stahlkonzern eine finanzielle Förderung von Bund und Land fest eingeplant.

Bei einem Auftritt vor Stahlarbeitern Mitte Juni hatte sich Bundeswirtschaftsminister Habeck zuversichtlich gezeigt, dass es eine Einigung dazu geben werde. „Wir haben die zwei Milliarden gegen alle Widerstände verteidigt“, sagte er.

Die neue Anlage soll ab Ende 2026 in Betrieb gehen, so Thyssenkrupp Steel. Ab dem Jahr 2029 will der Stahlkonzern rund 143.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr verbrauchen. Das entspreche alle zwei Stunden und 365 Tage im Jahr der Füllmenge des Gasometers Oberhausen.

Die IG Metall lobt die staatliche Förderung, sieht aber weiteren Bedarf für finanzielle Unterstützung. „Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal“, sagt IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner, der auch Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp ist. „Klar ist aber auch: Dies kann nur der Einstieg sein. Auch die weiteren Hochöfen müssen perspektivisch durch mit Wasserstoff betriebene Direktreduktionsanlagen ersetzt werden. Hier ist die Politik weiterhin in der Pflicht, diesen Jahrhundertumbau zu begleiten und auch finanziell zu fördern.“

Anlagenbauer SMS Group mit Schlüsselrolle

Eine Schlüsselrolle beim anstehenden Umbau des Standorts Duisburg von Thyssenkrupp spielt der Anlagenbauer SMS. Das Düsseldorfer Unternehmen soll die erste DRI-Anlage in Duisburg bauen, mit deren Hilfe Thyssenkrupp künftig grünen Stahl im Ruhrgebiet herstellen will. „Die Arbeiten in Duisburg haben begonnen und wir kommen gut voran“, sagte Burkhard Dahmen, der Chef der SMS Group, bereits vor einigen Tagen im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die damit verbunden ist, die grüne Transformation von Deutschlands größtem Stahlproduzenten mit unserer Technologie zu unterstützen.“ Das Auftragsvolumen für SMS beträgt über 1,8 Milliarden Euro – es ist der größte Einzelauftrag in der Firmengeschichte. „Wir liefern die Anlage schlüsselfertig zum Festkostenpreis“, so Dahmen. „Eine Preisanpassungsklausel gibt es nicht.“

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