Essen. Signa hat für seine deutsche Immobilientochter Insolvenzantrag gestellt. Was das bedeutet, was Insider befürchten und was das für Galeria heißt.

Nach mehreren Berichten über bevorstehende Insolvenzanträge aus René Benkos Signa-Gruppe ist im Amtsgericht Berlin-Charlottenburg der erste eingereicht worden. Am Freitagnachmittag habe die Signa Real Estate Management Germany dort Konkursantrag gestellt, berichtet der Spiegel und das Handelsblatt übereinstimmend. Es ist eine von mehr als 1000 Firmen aus dem komplexen Benko-Konstrukt und eine Tochter der Obergesellschaft Signa Prime. In die hat der österreichische Immobilienmogul unter anderem seine deutschen Luxuskaufhäuser KaDeWe, Altershaus und Oberpollinger sowie den Hamburger Elbtower gebündelt, dessen Bau jüngst unterbrochen wurde.

Berichte über dramatische Finanzierungsprobleme bei Signa verdichten sich seit Wochen. Insider sprechen unserer Redaktion gegenüber seit Tagen davon, dass möglicherweise sehr bald mehrere Insolvenzanträge gestellt werden könnten. Am Freitag meldete das auch der Spiegel. Die österreichische Zeitung „Der Standard“ will erfahren haben, dass ein Insolvenzantrag in Österreich am kommenden Dienstag gestellt werden solle. Am gleichen Tag sollten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Signa über die Insolvenz und weitere Schritte informiert werden. Für welches Signa-Unternehmen das gelten soll, schreibt der Standard nicht.

Noch keine Auswirkungen auf Galeria Karstadt Kaufhof

Besonders kritisch soll es den Insidern zufolge um Signa Prime stehen, aber auch der Holding fehlt Geld. Welche Auswirkungen das zum Beispiel auf die deutsche Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hätte, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Sie gehört zur Signa Department Store Group, die wiederum Teil der Signa Retail Gruppe ist, dem Handelszweig der Signa Holding.

Der Spiegel zitiert aus dem Insolvenzantrag in Deutschland: „Sehr geehrte Damen und Herren, in unserer Eigenschaft als Geschäftsführer der Signa Real Estate Germany GmbH (…) beantragen wir ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin wegen Zahlungsunfähigkeit zu eröffnen (…).“ Das offenbare, dass Signa Prime nicht mehr in der Lage sei, ihre Tochterfirmen mit ausreichend Finanzmittel zu versorgen. Beobachter und Insider befürchten, das verschachtelte Benko-Imperium könne nun in sich zusammenbrechen.

Das träfe dann auf die ein oder andere Weise auch die Essener Warenhaustochter Galeria mit ihren 91 Filialen. Benko hatte im Rahmen des letzten Insolvenzverfahrens im Frühjahr den Gläubigern zugesagt, selbst 200 Millionen Euro in die Kaufhäuser zu investieren. Ob die noch fließen, ist nun ungewiss. Ginge die österreichische Mutter pleite, könnte der Insolvenzverwalter versuchen, Galeria zu verkaufen.

Galeria-Sanierer Geiwitz soll Benkos Signa-Gruppe retten

Der 46-jährige Signa-Gründer René Benko hatte sich schon vor wenigen Tagen aus wichtigen Gremien seines Immobilien- und Handelskonzerns zurückgezogen. Der Sanierungsexperte Arndt Geiwitz gilt nun als der starke Mann bei Signa. Geiwitz, der auch die letzten beiden Insolvenzverfahren der deutschen Warenhaustochter Galeria Karstadt Kaufhof gemanagt hatte, hat vor wenigen Tagen wichtige Funktionen des österreichischen Immobilien-Unternehmers René Benko übernommen.

Seit dem 8. November ist Geiwitz Unternehmensangaben zufolge als Beiratsvorsitzender und als Vorsitzender des Gesellschafter-Komitees der Signa-Holding für die Restrukturierung der gesamten Firmengruppe verantwortlich. Für die Dauer dieses Vorhabens nehme Geiwitz auch eigenverantwortlich die Interessen der „Familie Benko Privatstiftung“ wahr. Geiwitz genieße „das Vertrauen aller Gesellschafter“ der Signa-Holding, heißt es in einer vom Unternehmen verschickten Mitteilung.

Auch der erfahrene Sanierer Ralf Schmitz – im Ruhrgebiet unter anderem bekannt durch seine Schlüsselrolle beim Verkauf des Essener Energiekonzerns Steag – soll bei der Neuaufstellung der Signa-Gruppe mitwirken. Wie Signa am 10. November mitteilte, wird Schmitz „Chief Restructuring Officer“ – und damit für die Umsetzung der Restrukturierung des Konzerns verantwortlich sein. Es gehe um die Signa-Gesellschaften Prime und Development, in denen Schmitz seine Tätigkeit als zusätzliches Vorstandsmitglied beginne.

Signa: Bis Ende November soll Klarheit herrschen

„Wie lange diese Restrukturierung dauert, lässt sich heute nicht abschätzen“, erklärte Signa bereits vor wenigen Tagen. Das Ziel sei, bis Ende November „einen Plan für die wesentlichen Schritte der Restrukturierung zu erarbeiten und den Gesellschaftern zu präsentieren“. Es gelte, „alle Bereiche“ der Signa-Gruppe „auf den Prüfstand zu stellen“ und „langfristige Lösungen zu finden“.

Der Termin ist nicht zufällig gewählt: Das Handelsblatt berichtete unlängst, Ende November werde eine 200 Millionen Euro schwere Signa-Anleihe fällig. Mehrere Wirtschaftsmedien berichteten über hektische Versuche, an frisches Geld zu kommen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge benötigt Signa kurzfristig 600 Millionen Euro, um eine Insolvenz noch verhindern zu können.

Die Signa-Gruppe, die in der langen Niedrigzinsphase in europäischen Städten und in den USA Immobilien erwarb, war durch die höheren Zinsen und die gestiegenen Baukosten in Schwierigkeiten geraten. Auch der Essener Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof gehört zur Signa-Gruppe.

Viele Investoren involviert: Kühne, Toeller und die RAG-Stiftung

Der österreichische Geschäftsmann Benko hatte über Jahre hinweg ein breites Netzwerk aufgebaut und namhafte Investoren für sich gewinnen können, unter anderem Tierfutter-Unternehmer Torsten Toeller („Fressnapf“), Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne – und auch die Essener RAG-Stiftung, die auf dem Welterbe-Gelände Zollverein residiert. Jürgen Rupp, der Finanzchef der Stiftung, die auch Mehrheitsaktionärin des Chemiekonzerns Evonik ist, übernahm sogar eine Funktion in einem Signa-Gremium. Noch bei der jüngsten Jahresbilanz der RAG-Stiftung äußerte er sich zufrieden mit Blick auf die Beteiligung an Signas Immobilien-Firmen „Prime“ und „Development“. Die RAG-Stiftung wolle an ihren Signa-Investitionen festhalten, sagte Rupp im Juni.

Eine Großbaustelle von Signa in Düsseldorf: das Carsch-Haus an der zentralen Heinrich-Heine-Allee.
Eine Großbaustelle von Signa in Düsseldorf: das Carsch-Haus an der zentralen Heinrich-Heine-Allee. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

In mehreren deutschen Metropolen gibt es große Immobilienprojekte der Signa. Ein Beispiel ist das Carsch-Haus in Düsseldorf nahe der bekannten Königsallee. Auf der Projekt-Website macht Signa selbst klar, was auf dem Spiel steht. Seit mehr als 20 Jahren entwickle das Unternehmen „außergewöhnliche Immobilienprojekte in den zentralen Lagen deutscher und österreichischer Städte“, heißt es dort. Verwiesen wird unter anderem auf das KaDeWe („Kaufhaus des Westens“) in Berlin sowie das renommierte Alsterhaus und das gigantische Hochhausprojekt „Elbtower“ in Hamburg. Mit diesen Projekten leiste Signa „wichtige Beiträge für die Stadtentwicklung“.

Ein Blick auf die Elbtower-Baustelle am 27. Oktober in Hamburg: Der Wolkenkratzer soll das dritthöchste Hochhaus Deutschlands werden – nach dem Commerzbank-Turm und dem Messeturm in Frankfurt. Bislang steht allerdings nur ein Teil des Gebäudes.
Ein Blick auf die Elbtower-Baustelle am 27. Oktober in Hamburg: Der Wolkenkratzer soll das dritthöchste Hochhaus Deutschlands werden – nach dem Commerzbank-Turm und dem Messeturm in Frankfurt. Bislang steht allerdings nur ein Teil des Gebäudes. © dpa | Marcus Brandt

Vergangene Woche debattierten bereits die Parlamentarier des Berliner Abgeordnetenhauses über die Folgen der Signa-Krise. In der Hauptstadt verfolgt das Unternehmen eine Reihe von Bauprojekten, unter anderem am Ku’damm und am Hermannplatz.

In Hamburg steht vom geplanten mehr als 230 Meter hohen Elbtower, der das Stadtbild massiv verändern soll, bislang nur ein Bruchteil. Anfang 2018 hatte noch der damalige Bürgermeister Olaf Scholz das Projekt vorgestellt.

Warenhauskette Galeria hat gerade erst ein Insolvenzverfahren hinter sich

Angesichts der Krise des Mutterkonzerns Signa gerät auch die Essener Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof erneut in den Fokus. Galeria-Chef Olivier Van den Bossche betonte vor wenigen Tagen, das Unternehmen sei „entschuldet, schlanker und agiler aufgestellt als früher“. Die Zeit im Advent ist für die Warenhausbranche traditionell wichtig. „Lasst uns jetzt den gemeinsam eingeschlagenen Weg fortsetzen“, schrieb Van den Bossche vor wenigen Tagen in einem Brief an die Beschäftigten, der unserer Redaktion vorliegt. Das Management appelliert: „Volle Konzentration auf ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft.“

Galeria Karstadt Kaufhof hatte unlängst rund 680 Millionen Euro als Staatshilfe erhalten und dennoch Insolvenz anmelden müssen. Das Insolvenzverfahren ist mittlerweile abgeschlossen. Das Geschäftsjahr 2022/23 ging bei Galeria am 30. September zu Ende. „Wir erzielen bei entscheidenden Kennziffern Fortschritte“, sagte Galeria-Chef Van den Bossche Ende August im Gespräch mit unserer Redaktion, ohne Details zu nennen. „Die Frequenz in unseren Häusern steigt. Beim Umsatz und beim Ergebnis gibt es Steigerungen. Wir sind insgesamt auf dem richtigen Weg, aber es wird natürlich nicht einfach.“ Trotzdem verbuchte Galeria unter dem Strich rote Zahlen. Das Unternehmen wolle „im dritten Jahr beginnen, wieder Gewinne zu schreiben“, so der Manager. Nun stellt sich die Frage, wie sich die Krise von Signa auf Galeria auswirken wird.

Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier: