Essen. Der Ruhrwirtschaft reichen die vom Regionalplan ausgewiesenen Gewerbeflächen nicht aus. Sie warnen: Windräder dürfen Firmen nicht vertreiben.
Die Verabschiedung des Regionalplans Ruhr hat vor allem die Ruhrwirtschaft herbeigesehnt. Seit Jahren beklagen Industrie-, Handels- und Handwerkskammern, aber auch die kommunalen Wirtschaftsförderer einen sich zuspitzenden Mangel an Gewerbe- und Industrieflächen im Ruhrgebiet. Nun fordert die Ruhrwirtschaft, dass es nicht noch einmal elf Jahre dauern dürfe, bis der mehr als 12.000 Seiten umfassende Regionalplan in die Tat umgesetzt wird.
Unsere Texte zum Schwerpunkt über den Regionalplan Ruhr:
- 12.766 Seiten, 17.000 Einsprüche, ein Plan: Das steckt im Regionalplan Ruhr
- Kommentar: Wir sind das Ruhrgebiet. Sind wir das?
- Der größte Streitfall im Regionalplan: Zankapfel Kiesabbau am Niederrhein
- Grün oder Gewerbe? Streit in Witten über Einstufung des Vöckenberg
„Jetzt ist Tempo gefragt“, sagt Michael Bergmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet im Namen aller sechs Industrie- und Handelskammern, die für das Ruhrgebiet zuständig sind. Nach erheblichen Verzögerungen liege mit dem Regionalplan, den das Ruhrparlament am Freitag verabschieden will, nun „endlich eine Rechtsgrundlage für Planvorhaben und Investitionsentscheidungen“ auf dem Tisch. Der Regionalplan habe für die Kommunen und die Wirtschaft „enorme Bedeutung“.
Kammern: Neue Gewerbeflächen im Regionalplan Ruhr reichen nicht aus
Auch das Ruhr-Handwerk zeigt sich zufrieden, warnt aber zugleich davor, jetzt die Hände in den Schoß zu legen. „Mit Rechtskraft des Regionalplans allein ist aber die Bereitstellung eines dauerhaften Angebots an Gewerbe- und Industrieflächen nicht gesichert“, sagt Thomas Harten, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Münster.
Wie sich der neue Regionalplan konkret auswirken kann, zeigen drei Beispiele:
Auf einer Brache im Autobahnkreuz Kaiserberg wird an der Stadtgrenze Duisburg/Mülheim seit viel Jahren ein Autohof geplant. Im neuen Regionalplan Ruhr ist festgelegt, dass sich das Grundstück innerhalb eines regionalen Grünzugs aufgrund seiner „erheblichen Vorbelastungen“ und seiner Nähe zur Autobahnmeisterei als Autohof eigne.
Der wachsende Safthersteller Niederrhein-Gold in Moers plant seit langem eine Erweiterung. Das war schwierig, weil die zusätzliche Fläche im bisherigen Regionalplan als „allgemeine Freiraum- und Agrarbereiche, Regionale Grünzüge“ ausgewiesen war. Nun soll dort auch eine gewerbliche und industrielle Nutzung möglich sein.
Im Dortmunder Hafen soll an der Speicherstraße ein neues Quartier mit Büro, Gewerbe und Berufskolleg entstehen. Der Regionalplan sieht vor, dass die zweckgebundene Nutzung als Hafen für neu angesiedelte Unternehmen entfällt.
Die im Regionalplan zusätzlich ausgewiesenen Hektar für Gewerbe und Industrie „reichen nicht aus, um den Flächenbedarf in der Wirtschaft zu decken“, sagt aber IHK-Manager Bergmann. In einem Papier mit dem Namen „Wirtschaft braucht Flächen“ haben die Kammern gemeinsam ihre Positionen festgehalten. Eine wichtige Rolle spielt dabei das von der schwarz-grünen Landesregierung formulierte Ziel, bis zum Jahr 2032 rund 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie auszuweisen.
„Ausbau der Erneuerbaren Energien mit Augenmaß“
„Für die Unternehmen im Ruhrgebiet ist es besonders wichtig, dass bestehende Betriebsstandorte gesichert werden und der Ausbau erneuerbarer Energien mit Augenmaß betrieben wird und nicht zulasten der bestehenden Gewerbeflächen erfolgt“, mahnt Bergmann. Sein Handwerkskollege Harten wird noch deutlicher: „Wir müssen die regenerativen Energien ausbauen, aber nicht auf kostbaren Gewerbeflächen. Das würde unsere Unternehmen verdrängen.“ In anderen Regionen sei es bereits zu Konflikten gekommen zwischen Wirtschaft und Windenergie.
Um mehr Platz für Gewerbe und Industrie zu schaffen, ohne in den Freiraum einzugreifen, setzen die Kammern vor allem auf Brachflächen, die lange ungenutzt sind, weil sie mit Altlasten belegt oder nicht an das öffentliche Straßen- und Leitungsnetz angeschlossen sind. Nach einer Erhebung der Business Metropole Ruhr war das restriktionsfreie Reservoir von Flächen ohne Altlasten-Probleme und zu nahe Wohnbebauung im Ruhrgebiet zuletzt auf nur noch rund 480 Hektar geschrumpft. Davon seien aber nur 304 Hektar zu bebauen. Das entspricht in etwa 425 Fußballfeldern. Dieser Vorrat reiche weniger als drei Jahre, heißt es.
Julia Frohne, Geschäftsführerin der Business Metropole Ruhr GmbH, zeigt sich dennoch zufrieden: „Mit dem Regionalplan können die Kommunen erstmals seit Jahren die Gesamtfläche der Gewerbeflächen vergrößern – und das auch mit regionaler Perspektive und Blick auf den Schutz des Freiraums“, sagt sie. Nun gebe es einen klaren Plan, „der der Wirtschaft Perspektive bietet und die Lebensqualität im Blick hat“.
Land soll Sanierung von Brachen finanziell fördern
Um den höheren Bedarf zu decken, wollen die Kammern das Potenzial nutzen, das in den Brachen steckt, die erst aufwändig saniert werden müssen. Die Sanierung gilt aber als ausgesprochen teuer und würde die Kommunen allein finanziell überfordern. Der Bochumer IHK-Manager Bergmann wiederholt deshalb die Forderung, die die Ruhrwirtschaft schon vor Jahren aufgestellt hat: „Auch das Land muss dafür Mittel zur Verfügung stellen. Noch einmal elf Jahre können wir nicht warten.“ In einem Atemzug nimmt er dabei auch zugleich die Städte und Gemeinden in die Pflicht, die die Vorgaben des Regionalplans nun umsetzen müssen. Bergmann: „Es muss jetzt schnell Baurecht geschaffen werden. Die Bearbeitungszeiten sind zum Teil indiskutabel.“
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Die Ruhrwirtschaft will aber auch ihren eigenen Beitrag gegen die Flächennot leisten. „Wir wollen uns auch bewegen“, sagt Handwerks-Geschäftsführer Harten. Konkret kündigen die Kammern an, dass sich Unternehmen von auf Vorrat gebunkerten Flächen trennen. Bergmann: „Die Flächeneigentümer müssen jetzt die Bereitschaft zeigen, nicht benötigte Flächen für andere wirtschaftliche Nutzungen zur Verfügung zu stellen.“