Duisburg. Minister Habeck kann bei seinem Auftritt in Duisburg noch keinen Förderbescheid für Thyssenkrupp präsentieren, er sieht aber Fortschritte.

Als Robert Habeck diesen Satz sagt, schlagen ihm Buhrufe entgegen: „Ja, der Förderbescheid für den grünen Stahl in Duisburg mit Tinte und Unterschrift – er ist noch nicht da.“ Um die Frage nach dem Warum beantworten zu können, muss sich der Grünen-Politiker dann erstmal Gehör verschaffen, so grell sind die Trillerpfeifen der Stahlarbeiter, die sich zu Tausenden vor den Werkstoren von Thyssenkrupp in Duisburg versammelt haben. Die Begründung für die Verzögerung, so Habeck, sei eigentlich eine positive. Sie laute: „Weil Thyssenkrupp an den Standort geglaubt hat.“ Was er damit meine? Im vergangenen Jahr, berichtet Habeck, sei der Förderantrag des Unternehmens für eine künftige grüne Stahlproduktion in Duisburg ausgeweitet worden. „Und das ist ein super Bekenntnis, es ist supergroß, das ist supercool“, sagt er. Es solle mehr grüner Stahl in Duisburg produziert werden als ursprünglich geplant. Eine Konsequenz sei aber auch gewesen, dass die Arbeit, die rund um den Förderantrag zu erledigen sei, „halb von vorne begann“.

In den vergangenen Tagen und „in den letzten Nächten“, erzählt Habeck weiter, habe er sich mit seiner Mannschaft „dahintergeklemmt“, damit es bald zu einer Entscheidung für die erhoffte milliardenschwere Förderung des Staates für Thyssenkrupp komme. Der „formale Bescheid“ sei zwar noch nicht da, aber am Montagmorgen sei ein schriftliches Dokument aus Brüssel gekommen mit einer Zusage dafür, dass zwei

Tausende Beschäftigte sind zum „Stahl-Aktionstag“ nach Duisburg gekommen.
Tausende Beschäftigte sind zum „Stahl-Aktionstag“ nach Duisburg gekommen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Milliarden Euro für das Duisburger Vorhaben „ausgegeben werden können“. Bekanntlich will das Land NRW bis zu 700 Millionen Euro davon beisteuern – blieben rund 1,3 Milliarden Euro aus der Kasse des Bundes. Zur Einordnung der aktuellen Situation bedient sich Habeck der Sprache des Fußballs: „Hier ist der Ball. Wir haben ihn auf den Elfmeterpunkt gelegt. Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist der Tritt gegen den Ball.“

Auch der Konzern sei gefordert, so Habeck. Schließlich soll Thyssenkrupp selbst Geld in die Hand nehmen für den größten Umbau in der Geschichte des Stahlstandorts Duisburg. Habeck formuliert es – wohl leicht untertrieben – es werde noch „ein bisschen Diskussion um das Kleingedruckte“ geben. Eine Diskussion um das Kleingedruckte? Wieder gibt es Buhrufe und Pfiffe der Stahlarbeiter in Duisburg, als der Minister das sagt. „Aber ihr müsst sehen, woher wir gekommen sind“, hält Habeck dagegen. „Wir haben die zwei Milliarden gegen alle Widerstände verteidigt.“

Müssen die Verträge mit dem Anlagenbauer wieder gekündigt werden?

Die IG Metall warnt, ohne eine Einigung müssten voraussichtlich die Verträge mit dem Düsseldorfer Unternehmen SMS Group, das die neuen Anlagen in Duisburg bauen soll, gekündigt werden. Nicht nur für Thyssenkrupp, auch für SMS wäre dies ein Desaster.

Es liege nicht an der Bundesregierung, dass es noch keine Klarheit gebe, beteuert der Wirtschaftsminister, der auch Vizekanzler ist. „Wir wollen das Geld sofort ausgeben“, sagt Habeck. „Wir sind in den letzten Tagen so weit vorangekommen, wie es nicht zu erwarten war. Weil alle es wollen, weil alle es sehen, dass es genau richtig ist, den grünen Stahl hier zu produzieren – die Bundesregierung, die Landesregierung und nun auch die Kommission, schriftlich bestätigt.“ Habeck zeigt sich also zuversichtlich, dass die Förderung bald auch formal von der die EU-Kommission genehmigt werde. „Wir werden das im Sommer hinkriegen“, sagt er. Am Ende seiner Rede bekommt Habeck dann doch noch freundlichen Applaus, gemischt mit wenigen Buhrufen.

Noch kein Herz aus Stahl, aber ein T-Shirt der IG Metall für Habeck

Tekin Nasikkol, der Gesamtbetriebsratschef von Thyssenkrupp Steel, fungiert zunächst als Anpeitscher – und nach der Habeck-Rede dann als Moderator. Erst reckt er drohend einen kiloschweren „Stahlhammer“ in die Höhe, später drängt Nasikkol dem Minister ein rotes IG Metall-Shirt auf, das sich Habeck dann auch über sein weißes Hemd zieht. Der Slogan: „Stillstand hat noch nie was bewegt.“

Erst Konfrontation, dann ein bisschen Verbrüderung – NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der ebenfalls zur Kundgebung gekommen ist, könnte die Strategie bekannt vorkommen. Auch auf Wüst haben

Robert Habeck und Betriebsrat Tekin Nasikkol (links): Am Ende zog sich der Minister das IG Metall-Shirt an.
Robert Habeck und Betriebsrat Tekin Nasikkol (links): Am Ende zog sich der Minister das IG Metall-Shirt an. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

die Thyssenkrupp-Arbeitnehmervertreter schon Druck aufgebaut. Mittlerweile gibt es einen engen Schulterschluss. Gerne erzählt Wüst, dass in seinem Büro in der NRW-Staatskanzlei ein Herz aus Stahl neben Familienfotos steht – ein Geschenk der Thyssenkrupp-Betriebsräte.

Auch die grüne Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur wird von der Belegschaft gefeiert. Schließlich steht die Zusage der NRW-Regierung, bis zu 700 Millionen Euro für den Thyssenkrupp-Umbau in Duisburg auszugeben. „Wenn die erste grüne Bramme hier vom Band läuft, dann schaut die Welt auf Duisburg“, sagt Neubaur.

Wie es weitergeht? Für den 23. Juni ist bei Thyssenkrupp eine Aufsichtsratssitzung geplant. Bis dahin hoffen die Arbeitnehmervertreter auf Klarheit. „Uns läuft die Zeit davon“, sagt IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner. Zu Ende erzählt ist die Geschichte ohnehin nicht. Auch die Belegschaft des Duisburger Stahlkonzerns HKM demonstriert mit. Für sie ist noch viel weniger klar, was aus ihrem Werk wird.

podcast-image