Hamminkeln. Der Verein „Einander helfen Dingden“ will Kinder mit Handicap und Förderbedarf unterstützen. Und eine Anlaufstelle für deren Eltern sein.
Hanna öffnet die Tür. Mit einem Strahlen im Gesicht. „Hallo, ich bin die Hanna – und wer bist du?“ Gerade erst ist die Siebenjährige mit dem Bus aus Bedburg-Hau gekommen. Hat einen langen Schultag hinter sich, samt einstündiger Fahrt. Doch von Müdigkeit keine Spur. Lieber geht es mit Papa Jan und Schwester Lotte zum Spielen in den Garten. „Aber nicht so wild“, schickt Nina Feldmann ihr noch hinterher. Hanna hat das Sotos-Syndrom, einen seltenen Gen-Defekt, der mit einem beschleunigten Körperwachstum und der Verlangsamung der motorischen und sprachlichen Entwicklung einhergeht. Nur jedes 15.000. Kind leidet darunter.
Vor einigen Jahren haben die Feldmanns bei einem Besuch der Physiotherapeutin die Familie Nienhaus kennengelernt, deren Tochter Anna mit dem Down-Syndrom auf die Welt gekommen ist. „Wir sind ins Gespräch gekommen, haben uns ausgetauscht“, erinnert sich Tina Nienhaus. Aus der ersten Begegnung ist inzwischen eine gute Freundschaft geworden. „Wir haben uns überlegt, wie wir unsere Kinder in die Kommunikation bringen“, sagt Tina Nienhaus. „Jede Familie, die ein Kind mit Handicap hat, muss sich ihren Weg bahnen, muss auf die Suche gehen, was ihrem Kind helfen kann.“
Vernetzung hilft den Familien in Hamminkeln
In der Folge lernten die beiden Familien auch noch weitere Eltern kennen, die Kinder mit Handicap und Förderbedarf haben. Über Bekannte, Freunde, Portale im Internet oder einfach über den Kindergarten. „Wir waren schon früh vernetzt“, weiß Nina Feldmann. So entstand auch die Idee, eine Dozentin für ein Frühes-Lesen-Seminar einzuladen. Für diesen Nachmittag 2019 in der Grundschule Wertherbruch gab es gleich 25 Anmeldungen, die Eltern kamen sogar aus dem Raum Kleve. „Wir haben schnell gemerkt, dass sich die Eltern einen regelmäßigen Austausch wünschen“, sagt Tina Nienhaus. Aus den losen Treffen in der Kita am Bach und weiteren Seminaren wuchs 2021 die Idee, eine Elterninitiative in Form eines Vereins zu gründen. „Wir hatten ja damals während Corona auch viel Zeit“, schmunzelt Tina Nienhaus.
Eine Satzung wurde aufgestellt, die sieben Personen für den Vorstand waren schnell gefunden, der Name auch: „Einander helfen“ heißt das Buch von Andre Frank Zimpel, Pädagoge aus Hamburg, in dem er den Weg zur inklusiven Lernkultur erläutert. Der Verein „Einander helfen Dingden“ sollte fortan die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch bieten, eine Anlaufstelle für Familien sein, die nach der Diagnose Gesprächsbedarf haben, Spiel- und Fördermöglichkeiten für die Kinder eröffnen und Workshops sowie Seminare organisieren. Das haben sich die Vorsitzende Tina Nienhaus, ihre Stellvertreterin Nina Feldmann, Kassierer Jan Feldmann, sowie die Beisitzer Uli Nienhaus, Verena Holtkamp, Manuela Gehrke und Jasmin Benninghoff auf die Fahnen geschrieben. „Als eingetragener Verein öffnen sich Türen leichter“, hat Tina Nienhaus festgestellt.
Verein bietet viel Programm für Kinder und Eltern
Und fast drei Jahre nach der Vereinsgründung im Garten der Familie Nienhaus läuft es wie von selbst. Die monatlichen Treffen samstags in der Kita am Bach - das Familienzentrum stellt die Stadt freundlicherweise zur Verfügung - sind gut besucht, die Seminare auch. „Sich zu informieren, ist wichtig, es darf kein Wissen verschenkt werden“, findet Tina Nienhaus. 30 Mitglieder zählt der Verein derzeit, die Spenden fließen in schöner Regelmäßigkeit. „Klinkenputzen brauchten wir gar nicht“, freuen sich die beiden Vorsitzenden über das große Engagement in und rund um Hamminkeln, den Verein unterstützen zu wollen.
So können mittwochs und donnerstags Inklusions-Sportstunden in der Turnhalle angeboten werden, wie auch der Schwimmkurs für Kinder mit Handicap im Dingdener Freibad. Daneben gibt es ein Sommerfest auf dem Eselhof Gores, einen Kindernachmittag mit Puppentheater, das Waffelbacken am Storchennest Kesseldorf, das am Sonntag wieder viele Kinder mit ihren Eltern anzog, und erstmals eine Fahrt in die Trampolinhalle nach Münster. Der Trommel-Aktionstag am 16. August ist ebenfalls schon fast ausgebucht.
„Wohin die Reise mit unseren Kindern geht, wissen wir nicht“, sagt Tina Nienhaus. „Da gibt es keinen Businessplan, wir lassen es laufen.“ Aber man könne den Kindern mit guter und früher Förderung helfen, den Weg in ein möglichst selbstständiges Leben zu finden - und dabei helfe der Verein ein Stück weit mit. „Natürlich kämpft man noch an vielen Fronten, wie mit den Krankenkassen.“ Aber man müsse daran arbeiten, weiterhin auf die Gesellschaft zugehen, um Hemmungen abzubauen. „Sehen wir doch die Stärken unserer Kinder, ihre Fähigkeiten und nicht ihre Defizite“ – dieser Satz des Autors Siegfried Pueschel auf der Homepage des Vereins soll der tägliche Anspruch sein.
Hanna macht eben mal eine kurze Pause. Es ist Mittwoch, gleich geht‘s noch zum Sport. Natürlich wie immer mit einem Strahlen im Gesicht.