Wesel. Eine von 10 Frauen leidet an Endometriose. Trotz starker Schmerzen bleibt sie oft unerkannt. Spezialisten am Marien-Hospital wollen das ändern.

Rund 40.000 Mal im Jahr wird in Deutschland eine Endometriose diagnostiziert. Rein rechnerisch erfahren also mehr als 100 Frauen jeden Tag, dass sie an dieser Krankheit leiden, bei der Gebärmutterschleimhaut auch außerhalb der Gebärmutter wächst, sich dort entzündet, verwächst und je nach Lage die unterschiedlichsten, aber häufig extrem schmerzhaften Symptome während der Periode hervorrufen kann. „Eine von zehn Frauen ist betroffen“, erläutert Oberarzt Shady Hussein, Leiter des Endometriosezentrums am Weseler Marien-Hospital, „50 Prozent der Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch sind Endometriose-Patientinnen.“

Doch obwohl es so viele Betroffene gibt, ist die Krankheit relativ unbekannt. Und das führt mittelbar auch dazu, dass die Diagnosestellung sehr lange dauert. Denn die Symptome können von Frau zu Frau völlig unterschiedlich sein und werden oftmals nicht sofort als gynäkologisches Problem erkannt. „Viele Frauen kommen zu mir, die haben Rückenschmerzen“, gibt Hussein ein Beispiel. Auch hatte er schon Patientinnen, die Probleme beim Wasserlassen hatten oder ungeklärte Nackenschmerzen. Sie alle ließen sich auf Endometriose zurückführen, die dann zum Beispiel in der Blase oder im Zwerchfell saß.

Bis zur Endometriose-Diagnose vergehen oft Jahre

Sieben bis zehn Jahre, sagt Hussein, dauere es im Schnitt von den ersten Beschwerden bis zur Diagnose. Die Patientinnen waren in dieser Zeit meistens schon bei mehreren Ärzten anderer Fachrichtungen, von Urologen bis Orthopäden, bis überhaupt jemand auf die Idee kam, dass Endometriose die Ursache für ihre Beschwerden sein könnte. Für die Betroffenen ist es ein langer Leidensweg, denn die Schmerzen während der Periode können so schlimm werden, dass die Patientinnen deswegen immer wieder krankgeschrieben werden müssen. Das führt auch zu psychischem Druck: „Endlich hat mich jemand ernst genommen“ ist ein Satz, den Shady Hussein immer wieder hört.

Dass die Beschwerden immer kurz vor oder während der Periode auftreten bzw. chronische Schmerzen dann schlimmer werden, ist ein Zeichen dafür, dass eine Endometriose-Untersuchung sinnvoll sein kann. Hier sind also auch die Frauen selbst gefragt, auf die Symptome zu achten und bei einem entsprechenden Verdacht ihren Frauenarzt zu konsultieren. Im Idealfall überweist dieser dann an ein Endometriose-Zentrum, wie das am Marien-Hospital. Dieses schließt eine Lücke in der Region, ist es doch im Umkreis von rund 60 Kilometern das einzige. „Es gibt einen großen Bedarf“, betont Hussein mit Blick auf die Zahlen. Allein im vergangenen Jahr wurden im Marien-Hospital rund 400 Endometriose-Patientinnen vorstellig, 120 mussten operiert werden.

Endometriose-Sprechstunde gibt es vier Mal die Woche

Das Endometriosezentrum gibt es seit 2021 am Marien-Hospital, seit 2023 ist es zertifiziert. Seit seiner Einrichtung steigen die Zahl der Patientinnen stetig. Weil der Bedarf so groß ist, gibt es eine spezielle Endometriose-Sprechstunde an vier Tagen in der Woche, jeweils vier Stunden lang. Um einen Termin im Endometriosezentrum zu bekommen ist eine Überweisung vom Gynäkologen nötig. Die Wartezeit liegt bei rund acht Wochen.

Beschwerden von der Pubertät bis zu den Wechseljahren

Der Weg ins Endometriose-Zentrum ist ratsam, weil hier die Spezialisten zu finden sind – und das fängt schon bei der Diagnostik an: „Es gibt Herde, die kann man im Ultraschall nicht sehen, wenn man es nicht gelernt hat“, sagt Hussein. Wird eine Endometriose festgestellt, werde üblicherweise erst einmal „konservativ“ mit einer Hormontherapie behandelt, denn die Endometriose nährt sich vom Östrogen. Erst, wenn die Beschwerden trotz Hormontherapie bleiben, werden die Endometriose-Herde operativ entfernt, so Hussein weiter. Geheilt werden kann die Krankheit so allerdings nicht, selbst nach einer Operation kann niemand sagen, ob und wenn ja, wie schnell sie zurückkehren. Denn Endometriose ist chronisch, Betroffene können ab der Pubertät und bis zu den Wechseljahren darunter leiden.

Das ist der zweite Grund, weshalb die Patientinnen in einem Endometriose-Zentrum an der richtigen Stelle sind. Denn hier bekommen sie neben den gynäkologischen Experten auch die Betreuung durch Ärzte anderer Fachrichtungen, erklärt Shady Hussein: „Ich hab sie operiert, tschüss – das geht nicht bei Endometriose“, betont er. Vielmehr sei es wichtig, neben guten Diagnostikern und Operateuren auch beispielsweise Ernährungsberater, Schmerztherapeuten, Physiotherapeuten und psychologische Unterstützung zu haben. Die gibt es am Marien-Hospital alle, zudem kooperiert das hiesige Endometriose-Zentrum mit einer Kinderwunsch- und einer Reha-Klinik. Für den Austausch der Patientinnen untereinander gibt es zudem eine Selbsthilfegruppe.