Wesel. Der Weseler Immobilienmarkt entwickelt sich zweigeteilt: Im Neubau steigen die Preise, im Bestand sinken sie. Wie lange noch? Das sagt die Nispa.
Wenn Friedrich-Wilhelm Häfemeier sich die Entwicklungen auf dem Weseler Immobilienmarkt anschaut, wird er in einem Punkt drastisch in seiner Wortwahl: „Der Neubau ist tot“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Niederrheinische Sparkasse Rhein-Lippe. „Ein neues Haus kann sich mittlerweile kaum noch jemand leisten“. Als Gründe führt der Nispa-Chef vor allem die hohen Auflagen für die Klimastandards an, die Bauträger vor große Herausforderungen stellen. Dazu kommen die gestiegenen Kosten für Materialien und die höheren Zinsen. All das führt dazu, dass die Preise von neu errichteten oder geplanten Häusern und Wohnungen weiter steigen, während es beim Bestand seit einiger Zeit eine gegenteilige Entwicklung gibt.
Wie sich das beim Neubau in der Praxis auswirkt, zeigen zwei Beispiele, die von der Nispa in Wesel vermarktet wurden: So kostete 2019 eine Doppelhaushälfte im Neubaugebiet „Am Schwan“ in Lackhausen rund 310.000 Euro. Dafür gab es dann unter anderem 135 Quadratmeter Wohnfläche, fünf Zimmer, ein 300 Quadratmeter großes Grundstück und eine Wärmeversorgung über ein Blockheizkraftwerk. Ein halbwegs vergleichbares Haus wird derzeit auf dem Fusternberg für 395.000 Euro Kaufpreis angeboten. Allerdings nur mit 102 Quadratmetern Wohnfläche, drei Zimmern und einem 216 Quadratmeter großen Grundstück. Immerhin ist noch eine Garage dabei und die Wärmeversorgung läuft über eine moderne Wärmepumpe. Häfemeier betrachtet solche Preisanstiege mit Sorge: „Wenn sich der Mittelstand keine Immobilien mehr leisten kann, ist das ein gesellschaftliches Problem.“
Immobilienmesse
Die Nispa veranstaltet im Rahmen des Weseler Frühlingsfest am Samstag und Sonntag (6./7. April) wieder ihre Messe „Immobilia & Energie“ in der Hauptstelle und rund um das Berliner Tor. Dort werden nicht nur die rund 100 Objekte präsentiert, die sich derzeit in der Vermarktung befinden, sondern es sind auch viele Experten aus unterschiedlichen Bereichen vor Ort. Fachleute aus regionalen Handwerksbetrieben, Energieberater und die Immobilien-Experten der Nispa bieten Hilfestellungen zu verschiedenen relevanten Themen und Trends, darunter staatliche Förderungen für energetische Sanierungen, Möglichkeiten zur Fassaden- und Dachdämmung, Photovoltaik-Anlagen, Heizsysteme und die Nutzung erneuerbarer Energien. Die Messe ist jeweils von 11 bis 16 Uhr geöffnet.
Die schwierige Lage auf dem Markt für Neubauten trifft aber nicht ausschließlich die Menschen, die gerne in die eigenen vier Wände ziehen wollen. Für private Bauträger lohne es sich derzeit kaum, neue Projekte in Angriff zu nehmen. Beispielhaft nennen die Experten der Sparkasse die Kalkulation für ein letztlich nicht umgesetztes Neubauvorhaben in Voerde-Friedrichsfeld aus dem März 2023. Hier wollte ein Investor mehrere Mehrfamilienhäuser mit 25 Mietwohnungen errichten, angedacht war eine Investition von etwas mehr als zehn Millionen Euro. Bei einer ortsüblichen Kaltmiete von 7,25 Euro pro Quadratmeter stünde der Bauherr pro Jahr mit einem Verlust von rund 250.000 Euro da. „Damit sich das Projekt rechnet, müsste die Miete doppelt so hoch sein“, sagt Philip Terörde, Immobilienmakler bei der Nispa mit Fokus auf gewerbliche Objekte. Nur sei eine Kaltmiete von 15 Euro pro Quadratmeter in Friedrichsfeld niemandem vermittelbar.
Immobilienmarkt in Wesel: Wann steigen die Preise wieder?
Komplett anders sehen die Entwicklungen auf dem Markt für Gebrauchtimmobilien aus. Nachdem die Preise viele Jahre nur eine Richtung kannten – und zwar nach oben – verzeichnete auch die Nispa im vergangenen Jahr erstmals wieder einen Rückgang. Hauptgrund dafür sind die deutlich gestiegenen Bauzinsen, die zwischenzeitlich sogar die Marke von vier Prozent überschritten hatten und die Nachfrage einbrechen ließen (siehe Grafik).
Für Kaufinteressenten bedeutet das: Der Verhandlungsspielraum ist wieder größer, die angebotenen Preise bilden längst nicht immer das ab, was letztlich gezahlt wird. Andersherum müssen sich viele Verkäuferinnen und Verkäufer gedanklich von den Höchstpreisen verabschieden, die noch vor einigen Jahren erzielt werden konnten. „Zwischen der Vorstellung der Verkäufer und der Käufer liegen mittlerweile Welten“, sagt Sparkassen-Makler Ralf Schmalfuß. Auch deshalb dauert es derzeit in der Regel zwischen drei und sechs Monate, bis eine Immobilie vermittelt ist.
Das verdeutlicht ein Beispiel aus der Vermarktung der Nispa: Für ein sanierungsbedürftiges Einfamilienhaus (allerdings schon mit Wärmepumpe ausgestattet) stellten sich die Verkäufer einen Preis von 495.000 Euro vor, angeboten wurde das Objekt mit 144 Quadratmetern Wohnfläche und einem 600 Quadratmeter großen Grundstück von der Sparkasse für 349.000 Euro, gezahlt hat der neue Eigentümer letztlich einen Kaufpreis von 260.000 Euro.
„Auf dem Gebrauchtmarkt geht etwas“, sagt Friedrich-Wilhelm Häfemeier. Je nach Zustand der Immobilie müssten die Käuferinnen und Käufer zwar mit umfangreichen Sanierungskosten planen, doch meist sei das immer noch deutlich günstiger als ein vergleichbarer Neubau. Der Sparkassen-Chef rät, eine Kaufentscheidung für ein gebrauchtes Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung nicht zu lange aufzuschieben: „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Preise wieder ansteigen.“ Und auch bei den Zinsen erwartet Häfemeier ein Ende der Abwärtsspirale und in nächster Zeit eher eine Seitwärtsbewegung um die 3,5 Prozent.