Wesel. Die Kosten für Neubauten und Sanierungen explodieren, deswegen muss Wesel zu drastischen Sparmaßnahmen greifen. Woran noch gespart wird.
Die Haushaltskrise in Wesel hat Folgen für das ambitionierte Schulbauprogramm der Verwaltung: Weil die Stadt sparen muss, werden sich viele Projekte deutlich verschieben – und andere nicht mehr mit der eigentlichen geplanten Ausstattung umgesetzt. Insbesondere beim Klimaschutz soll massiv gekürzt werden. „Unser aktuelles Sorgenkind ist der Haushalt“, sagte Gebäudedezernent Markus Postulka am Dienstagabend im Ausschuss für Gebäude und Digitalisierung. Bei den Etat-Einsparungen in diesem Jahr gehe deshalb kein Weg am Schulbauprogramm vorbei.
So will die Verwaltung nun konkret vorgehen: Der Fokus soll an den einzelnen Schulstandorten erstmal auf den Neubauten liegen. Erst wenn alle Anbauten fertig sind, sollen die bestehenden Klassenräume und Gebäude saniert werden. Das wird an den meisten Schulen große Verzögerungen bei der Sanierung mit sich bringen, Postulka sprach im Ausschuss von bis zu zehn Jahren. Es gibt allerdings Ausnahmen: Befinden sich etwa die Toilettenräume an einer Schule in einem schlechten Zustand, können sie vor der Fertigstellung eines Neubaus saniert werden. Das gilt ebenso, wenn Veränderungen bei den bestehenden Gebäuden für den Schulbetrieb notwendig sind. Ein Beispiel: Handelt es sich bei dem Neubau um einen naturwissenschaftlichen Trakt, dann sollen die vorher dafür genutzten Räume so umgebaut werden, dass sie für einen anderen Zweck genutzt werden können.
Schulbauprogramm in Wesel: Erstmal die Neubauten
Die zweite Sparmaßnahme betrifft die Ausstattung der Neubauten. „Bei der Planung und Ausführung soll darauf geachtet werden, dass sich die Gebäudegestaltung und -ausstattung auf funktionale Lösungen fokussiert, bei der die Kosteneffizienz gegenüber ökologischen oder gestalterischen Aspekten überwiegt“, heißt es dazu von der Verwaltung. Vereinfacht ausgedrückt: Funktion steht an erster Stelle, auf aus Sicht der Verwaltung überflüssigen „Schnickschnack“ soll verzichtet werden.
Das hat zur Folge, dass nur noch die gesetzlichen Baustandards und die Mindestvorgaben zum Klimaschutz erfüllt werden sollen. Auf begrünte Dächer oder nicht notwendige Photovoltaik-Anlagen soll verzichtet werden. Ebenso gespart werden soll bei der Gestaltung der Schulhöfe, auch hier soll nur noch das erledigt werden, was unbedingt gemacht werden muss.
Vor allem bei den geplanten Einsparungen am Klimaschutz gab es im Ausschuss einige Kritik von den Grünen und von den Linken. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass nur noch die Mindestanforderungen bei den ökologischen Vorgaben erfüllt werden“, sagte Günther Wagner von der Linksfraktion. Manfred Schramm von den Grünen befürchtet, dass durch diese Vorgehensweise bei den Schulbauten das Ziel der Stadt Wesel in Gefahr gerät, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu sein. „Wir Grünen können mit diesen Planungen nicht übereinstimmen“, so Schramm.
Sparen beim Klimaschutz: Kritik kommt von den Grünen
Komplett anders sahen es die Vertreter der beiden größten Ratsfraktionen von CDU und SPD: „Wenn wir in der Haushaltssicherung landen, dann geht gar nichts mehr“, betonte der Christdemokrat Wolfgang Lingk und appellierte an die Verantwortung der Politik für eine solide Haushaltspolitik. Dem stimmte Sozialdemokratin Ulla Hornemann zu. „Wir müssen erstmal schauen, dass überhaupt die Räumlichkeiten für die Schulen da sind. Wir können uns den Vorschlägen der Verwaltung voll anschließen.“ Schließlich stimmte der Ausschuss mit großer Mehrheit dafür, bei einer Gegenstimme von den Linken und zwei Enthaltungen der Grünen.
Torsten Hummel, der Leiter des Gebäudeservices, ging im Gespräch mit der NRZ näher auf die geplanten Einsparungen beim Klimaschutz ein. „Wir machen nichts, was wir in 15 Jahren bereuen, die Planung ist absolut solide.“ Ursprünglich hätte jeder Quadratmeter auf einem Neubau-Dach mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet werden sollen. Jetzt ist angedacht, nur noch die Anzahl der PV-Anlagen zu errichten, für die es auch eine Förderung gibt und die für die Energieversorgung einer Schule sinnvoll ist. Eine Nachrüstung sei jederzeit möglich, so Hummel.
„Wir halten am Schulbauprogramm fest, das ist das wichtigste“, betonte Dezernent Markus Postulka. Wenn der Rat die Vorschläge der Verwaltung in seiner Sitzung am 13. März endgültig beschließt, will die Verwaltung in den kommenden Monaten jeden beschlossenen Standort untersuchen und in Abstimmung mit den Schulleitungen dann Vorschläge zur Umsetzung machen.
Nicht betroffen von der neuen Vorgehensweise sind die Schulen, an denen schon neu gebaut oder saniert wird. So entstehen an der Grundschule auf dem Fusternberg mehrere Anbauten, die Bestandsgebäude werden saniert und der Schulhof wird umgestaltet – fertig sein sollen die Maßnahmen bis Ende 2025. Bis Spätsommer 2026 soll der neue Verwaltungstrakt und die Aula der Konrad-Duden-Grundschule stehen, an der Grundschule in Blumenkamp soll bis Ende des Schuljahres 2024/2025 unter anderen die neue Mensa und die Verwaltung fertig sein und an der Polderdorfschule in Büderich werden bis Ende 2026 der Ganztagsbereich und ebenfalls der Verwaltungsbau neu errichtet. Außerdem sollen noch in diesem Jahr die Planungen für die Grundschulen am Quadenweg und am Holzweg beginnen.
Kostenexplosion an der Ida-Noddack-Gesamtschule in Wesel
Wie teuer das Schulbauprogramm am Ende wird und wann alle Arbeiten erledigt werden? Diese Frage kann derzeit in der Verwaltung niemand seriös beantworten. Die ursprünglich angesetzten 90 Millionen Euro sind wohl mittlerweile völlig unrealistisch, die Investitionen dürften am Ende deutlich über 100 Millionen Euro liegen. Dass alle Sanierungen wie zuletzt mal angedacht bis Ende 2038 fertig werden, scheint angesichts der veränderten Vorgehensweise ebenfalls fraglich.
Ein gutes Beispiel für die Kostenexplosion und die Verzögerungen bei den Planungen ist der Neubau und die Sanierung an der Ida-Noddack-Gesamtschule. Anfangs war die Verwaltung von 14 Millionen Euro ausgegangen, laut den aktuellen Planungen liegt das Volumen schon bei satten 39 Millionen Euro. Grund dafür sind neben den allgemeinen Baukostensteigerungen auch steigende Schülerzahlen. Wegen dieser massiven Kostensteigerung ist die Verwaltung nun gesetzlich verpflichtet, das Projekt neu europaweit auszuschreiben. Wann die ersten Bagger an der Innenstadt-Schule rollen, ist derzeit nicht absehbar.