Wesel. Auf der Betuwe-Baustelle an der Lippe in Wesel entdeckten Archäologen gut erhaltene Mauern. Was man über die alte Befestigungsanlage weiß.
Wenn in Wesel in der Erde gebuddelt wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Relikte aus früheren Zeiten zutage kommen. Nicht selten sind es zentnerschwere Weltkriegsblindgänger, die dann entschärft werden müssen, oder Mauern aus vergangenen Zeiten. Einen überraschenden Fund machten Archäologen bei den Bauarbeiten der Deutschen Bahn an der Lippe: Dort wird gerade die Eisenbahnbrücke erweitert, um beim Betuwe-Ausbau Platz für ein drittes Gleis zu schaffen. Südlich der Lippe am Kasselweg stießen die Fachleute auf die gut erhaltenen Mauerreste eines Forts, von dessen Existenz bisher nur alte Karten etwas verrieten.
Aus Sicht der Stadt ist der Fund eine Sensation. Denn oberirdisch war nichts von dem Bauwerk übrig geblieben, unterirdisch ist das Mauerwerk aus dem 19. Jahrhundert sehr gut erhalten. Die Überreste des Forts – eine militärische Befestigungsanlage – wurden zwar in der Nähe vermutet, teilt die Stadt mit, nicht jedoch in diesem Erhaltungszustand. 2019 entdeckten Arbeiter bei den Vorarbeiten für den Bau der neuen Lippebrücke bereits in 80 Zentimetern Tiefe sechs Meter hohe Mauerreste. Schon damals ging man aufgrund alter Karten davon aus, dass es sich um das sogenannte Fort Flam handelt.
Die Bauarbeiten hat die Deutsche Bahn seitdem, wie in solchen Fällen üblich, archäologisch von einer Fachfirma begleiten lassen. Die massiven Ziegelmauern deuten laut Stadt darauf hin, dass sich im Boden möglicherweise ein noch fast vollständig vorhandenes Fundament des Forts befindet: „Das Mauerwerk scheint in einem hervorragenden Zustand zu sein.“
Der Fund könnte den Archäologen wertvolle Einblicke in die Fort-Architektur des 19. Jahrhunderts liefern. Die Fachleute wissen, dass das Fort in Zusammenhang mit dem Bau der 1856 eingeweihten Bahnlinie Oberhausen-Arnheim steht. „Nach dem Bau der Eisenbahnlinie war es vor allem dem preußischen Militär wichtig, Forts zum Schutz der Bahn und deren Einrichtungen zu bauen“, berichtet die Stadt. So entstand ein „Gürtel“ von kleineren Forts– eines davon ist Fort Flam, das als Schutz der Bahnbrücke über der Lippe diente und auf historischen Karten am Südufer verzeichnet ist.
Drei ähnliche Forts sind Wesel bekannt und zum Teil erhalten: Im Westen auf der linken Rheinseite bei Büderich steht das Fort I heute noch, es wird als Privatwohnsitz genutzt. Im Norden ist Fort II leider nicht mehr erhalten und nicht weit entfernt vom aktuellen Fundort liegt Fort Fusternberg, auf dessen Fundamenten heute die Engelkirche steht. So wurde die Eisenbahnlinie geschützt. Bekannt ist auch, dass Fort Flam frühzeitig aufgegeben und 1890 oberirdisch abgetragen wurde. Die jetzt entdeckte Befestigungsanlage ist wohl ein Teil davon. Die Bezeichnung leitet sich aus dem Namen eines ehemaligen Bauernhofes in der Nähe ab.
Die Mauerreste wurden von den Fachleuten untersucht. Bei einem gemeinsamen Termin am Mittwoch wollen Stadt Wesel und Deutsche Bahn nun abstimmen, wie es weitergeht. An der Stelle, wo die Mauern gefunden wurden, sollen Versorgungsleitungen verlegt werden. Man gehe davon aus, so Stadtsprecher Swen Coralic, dass diese im Bereich der Fundstelle verlegt werden, das historische Relikt dabei aber nicht zerstört, sondern wieder mit Erde bedeckt werde. (rme)