GESCHICHTE. Zum 50-jährigen Bestehen des Gotteshauses lädt Bruder Gereon Interessierte zu einem ganz besonderen Rundgang ein.
WESEL. "Hoffentlich friert der kleine Hund gleich nicht, wenn wir nach unten gehen", scherzte Diakon Bruder Gereon, bevor er seine Führung durch die Fusternberger Engelkirche begann, an der 20 Personen plus Hund, teilnahmen. Etwa Anderthalb Stunden hörten sie dem Fachmann, der die Geschichte des Kirchengebäudes lebendig schilderte, gebannt zu.
Seit Februar führt der Diakon einmal im Monat interessierte Besuchergrüppchen durch das eindrucksvolle Gebäude - und zwar durch das gesamte. Der Grund: Am 2. Februar wurde die "Friedenskirche zu den Heiligen Engeln", wie das Gotteshaus mit vollständigem Namen heißt, 50 Jahre alt. Und so geht es immer wieder um die Geheimnisse ihrer Entstehung und um ihre Geschichte.
"Das eigentliche Kirchengebäude wurde wie ein Topfdeckel aus Beton auf den ehemalige Rückzugsort der Soldaten in der Festung aufgesetzt", erklärte Bruder Gereon. Der Unterbau der Engelkirche - die heutigen Katakomben und die Krypta - wurde um 1858/59 als Festung, das so genannte "Fort Fusternberg", erbaut, um die damals neue Eisenbahnlinie und den damit verbundenen Waffenumschlagplatz zu schützen. Nach 1886 verlor das Fort zunächst an Bedeutung, wurde nur noch als Lager genutzt. Im Zweiten Weltkrieg entstand hier ein Lazarett, das später zum geräumigen, sicheren Luftschutzbunker werden sollte.
"Das ganze Gebäude ist natürlich aus Kriegslist erbaut", erklärte der Führer die außergewöhnliche Architektur des Baus - flache, wunderschöne Gewölbe, sechs Meter breite Pfeiler mit inneren Treppen-aufgängen und mehr als drei Meter dicke Mauern. Als Wesel am 16. Februar 1945 bombardiert wurde und die ehemalige Festung verschont blieb, entstand die Idee, diesen Ort zu einem kirchlichen zu machen. Alles wurde auf den Errettungsgedanken hin ausgerichtet. "Genau hier, wo heute das Taufbecken ist, schlug eine 15-Zentner-Bombe ein - und detonierte nicht", sagte der Diakon.
Architekt Hans Schilling bekam in den 50er Jahren den Zuschlag für die Ausführung: Mit seiner Idee, dem Gemäuer einen "Betondeckel" aufzusetzen, der das Gebäude von oben stützt, verwandelte er den oberen Teil des Forts in einen modernen Kirchenraum. "Das Dach der Engelkirche soll an ein umgedrehtes Boot erinnern, die blaue Farbe der Fenster symbolisiert den Lebensspender Wasser", so Bruder Gereon.
Der besondere Clou des Mahnmals ist sein Material: Für seine Errichtung wurden nur Trümmersteine aus dem zu 97 Prozent zerstörten Wesel verwendet, was die Kirche zu einem Ort besonderer Emotionalität und Atmosphäre macht. "Ich erinnere mich an eine Frau, die zu ihrer Enkelin sagte: Schau, da ist unser Haus verbaut!", erzählte der Diakon bewegt, dessen größter Traum es ist, die Kirche immer für Menschen zu öffnen, die kurz Atem holen und sich vom Alltagslärm zurückziehen wollen.
Bei seiner Führung bringt Bruder Gereon die Besucher durch die kalten, verwinkelten Katakomben, in die wunderschöne Krypta und den modernen, lichtdurchfluteten Kirchenraum - und hat nebenbei immer noch Zeit für die eine oder andere Anekdote.Seit Februar nahmen 1300 Menschen an den Führungen teil. Am Sonntag, 13. Juli, 16 Uhr, haben Interessierte wieder die Gelegenheit, sich von Diakon Gereon Henkhues durch das Gotteshaus und die Katakomben führen zu lassen. Die Teilnahme ist kostenlos, um eine Spende für Renovierungen wird gebeten.