Schermbeck. Die Hochwasser- und Starkregenereignisse über Weihnachten sollen im Rat aufgearbeitet werden. Teils geht es um sehr knifflige rechtliche Fragen.

Durften Anwohner in Gahlen ihr Hab und Gut durch die Errichtung von Erddämmen vor dem Lippe-Hochwasser in den Tagen um Weihnachten 2023 schützen? Oder war diese Schutzmaßnahme angesichts der drohenden Wassermassen illegal? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich eine Sondersitzung des Rates der Gemeinde Schermbeck am Mittwoch, 31. Januar, ab 16 Uhr. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte die Einberufung einer außerordentlichen Ratssitzung zu den Hochwasser- und Starkregenereignissen als „aktuelle Stunde“ beantragt, um verschiedene Fragestellung von der Verwaltung klären lassen.

Wurden unerlaubt Erddämme im Überschwemmungsgebiet errichtet?

Im Vorfeld der Sitzung hat die Gemeinde bereits versucht, einige rechtliche Fragen zu klären – unter anderem die nach der Rechtmäßigkeit von Dämmen, wie sie in Gahlen an einem Campingplatz vorgenommen wurde. Die Errichtung von Erddämmen in einem Überschwemmungsgebiet sei nicht vereinbar mit den Verboten nach dem Wasserhaushaltsgesetz, teilte dazu die Bezirksregierung Düsseldorf dazu mit. Unproblematisch seien hingegen kleinere Hochwasserschutzmaßnahmen wie das Aufstellen von Sandsäcken oder mobilen Hochwasserschutzwänden oder das Errichten von Schlauchdämmen. Doch bauliche Anlagen wie Dämme dürften laut der Bezirksregierung nur im Ausnahmefall errichtet werden, so ist es im Wasserhaushaltsgesetz geregelt.

Der betroffene Bereich befindet sich einem von der Bezirksregierung festgelegten Überschwemmungsgebiet, das sich über Teile von Wesel, Hünxe und Schermbeck erstreckt. Grundsätzlich seien in Überschwemmungsgebieten keine Hochwasserschutzmaßnahmen erlaubt, die das Fließverhalten der Lippe beeinflussen. „Der Schutz von in Überschwemmungsgebieten gelegenen Objekten liegt im Verantwortungsbereich der jeweiligen Eigentümer. Maßnahmen des Objektschutzes wie zum Beispiel der Bau von Dämmen oder Deichen sind zumeist nur temporär möglich oder müssen von der Bezirksregierung genehmigt werden“, so die Gemeinde.

Michael Thomeczek zeigt hier den innerhalb von wenigen Tagen selbst errichteten Deich zum Schutz des Campingplatzes Vengels in Gahlen.
Michael Thomeczek zeigt hier den innerhalb von wenigen Tagen selbst errichteten Deich zum Schutz des Campingplatzes Vengels in Gahlen. © NRZ | Johannes Kruck

Außerdem wollten die Grünen von der Gemeinde wissen, welche Schutzmaßnahmen in den vergangenen 20 Jahren ergriffen wurden und welche Überlegungen angestellt werden, um derartigen Risiken in den gefährdeten Gebieten zu begegnen. Dazu erklärt die Gemeinde: „Nach dem Hochwasser 2003 wurde vom Grundstückseigentümer der sofortige Rückbau des damaligen Dammes gefordert. Die Kosten für die Gemeinde hierfür beliefen sich auf 10.500 Euro.“

Es wurden drei mögliche Hochwasserschutzmaßnahmen für den Bereich mit den Aufsichtsbehörden besprochen. Grundvoraussetzung für alle drei Maßnahmen war die Bereitstellung oder der Erwerb von privaten Grundstücksflächen. Von 2003 bis 2009, sei es nicht gelungen, mit dem Grundstückseigentümer eine Einigung zu erzielen, um eine Hochwasserschutzmaßnahme umzusetzen, so die Gemeinde.

So rüstet sich Schermbeck für die nächsten Hochwassser-Lagen

Die Gemeindeverwaltung beabsichtigt jetzt, ein Evakuierungskonzept für die von Hochwasser gefährdeten Bereiche zu erstellen. Außerdem solle geprüft werden, ob es regelmäßige Vor-Ort-Termine geben soll, um die betroffenen Anwohner über den Schutz vor Überflutungen zu informieren. Im Falle eines erneuten Hochwassers sollen die Menschen in der Lage sein, sich selbst zu helfen – das ist das Ziel der Gemeinde.

An der Sondersitzung des Rates am 31. Januar werden zudem Vertreter des Lippeverbandes teilnehmen. Sie werden die Aufgaben des Verbandes auf dem Gebiet der Gemeinde erklären und über bereits umgesetzte Projekte, die einen positiven Beitrag zum Hochwasserschutz leisten, berichten. Insbesondere das Projekt „lebendige Lippe“ werde in diesem Zusammenhang näher erläutert.

Nachbarschaftsstreit um abgepumtes Wasser aus dem Keller

Kurios ist zudem, womit sich die Behörden in Zusammenhang mit den Wassermassen beschäftigten mussten: Wenig friedlich ging es am Zweiten Weihnachtsfeiertag (26. Dezember) im Ortsteil Damm zu: Um 10.47 Uhr ging beim Ordnungsamt der Gemeinde Schermbeck ein Anruf der Kreisleitstelle ein, mit der Bitte, sich bei der Polizei zu melden. Grund sei eine Streitigkeit zwischen Nachbarn wegen der Hochwasserproblematik: Ein Grundstückseigentümer pumpe das in seinen Kellerschacht aufsteigende Grundwasser ab und leite dies auf das Nachbargrundstück. Der Nachbar fand diese Aktion wenig lustig und rief die Behörde.