Wesel. Seit Anfang der Woche steht die Stahltanne wieder auf dem Großen Markt. Was die Weseler Weihnachtsdeko mit Picasso zu tun hat.

Es ist das wohl meistdiskutierte Kunstwerk in Wesel und steht nun wieder unübersehbar mittig auf dem Großen Markt. Die Rede ist vom Lichterbaum der ISG Domviertel, manchen besser bekannt als „Stahltanne“, der seit Anfang der Woche aufgebaut wird und spätestens beim Adventsmarkt am kommenden Freitag seinen großen Auftritt haben wird. Ungeachtet des Umstands, dass Spott über das stählerne Konstrukt mittlerweile so etwas wie Wesels ureigenste Weihnachtstradition geworden ist, hat die ISG auch dieses Jahr wieder eine neue Form der Gestaltung für den Stahlbaum gefunden und beweist damit nicht nur ein feinsinniges Gespür für die Themen der Zeit, sondern schafft es auch noch, für diese einen kunstgeschichtlichen Ankerpunkt zu finden.

Picasso-Gemälde inspiriert die Deko an der Stahltanne

An der Reihe waren in diesem Jahr die männlichen Vertreter der ISG, das Baumgerüst zu dekorieren. Das Thema Frieden sei in diesem Jahr schnell auf dem Tisch gewesen, erläutert Max Trapp von der ISG Domviertel. Die Idee zur konkreten Ausgestaltung ist dann von Ludwig Maritzen gekommen. „Es war nicht ganz so einfach, das Thema umzusetzen“, erläutert dieser, als erstes Zeichen sei ihm dazu die Friedenstaube in den Sinn gekommen. Diese wurde einst von Pablo Picasso gemalt, dessen Todestag sich dieses Jahr zum 50. Mal gejährt hat. Und von Picasso gibt es – ebenfalls mit dem Element der Friedenstaube – ein weiteres Werk: Friedenstanz.

Darauf sind bunte Figuren zu sehen, die im Reigen um die Taube tanzen. Und genau davon inspiriert ist die diesjährige Lichterbaum-Deko. Angesichts von 36 Kriegspunkten, die es derzeit auf der Welt gibt, erschien das Werk als Vorbild besonders passend, so Maritzen, denn der Friedenstanz sei etwas, was die Menschen verbindet. „Vielleicht“, so hofft er, ergebe es sich ja auch auf dem Großen Markt, „dass die Menschen sich bei der Hand nehmen und tanzen.“

Friedenstauben und bunte Tänzer hängen dieses Jahr an der Stahltanne.
Friedenstauben und bunte Tänzer hängen dieses Jahr an der Stahltanne. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Insgesamt zwölf Friedenstauben aus weißem Acrylglas hängen nun in zwei Reihen am Baum, darunter ebenfalls in zwei Reihen 24 bunte Tänzerinnen- und Tänzer-Figuren. Letztere sind eigens für die ISG Domviertel angefertigt worden, in modernem Stil gehalten und versprechen aufgrund ihrer transparenten Beschaffenheit besonders schöne Lichteffekte in der Dunkelheit. Bis zum Dreikönigs-Wochenende wird der Lichterbaum den Großen Markt zieren, ab dem 8. Januar wird er abgebaut und im Anschluss werden die Figuren im Set veräußert: jeweils eine Taube und zwei Tänzer.

Wesel ist längst nicht mehr die einzige Stadt mit Stahltanne

Spannend wird nun die Frage sein, wie die Weselerinnen und Weseler auf die diesjährige Optik der Stahltanne reagieren. Bereits seit dem ersten Aufstellen im Jahr 2009 zog sie viele, oftmals auch negative Kommentare auf sich, wurde sogar schon als „hässlichster Weihnachtsbaum Deutschlands“ gehandelt. Und auch in diesem Jahr geisterten schon erste hämische Kommentare durch die Online-Netzwerke, noch bevor der Baum überhaupt stand. Die ISG Domviertel nimmt das mit Gelassenheit zur Kenntnis: „Wir freuen uns natürlich über Lob“, sagt Max Trapp und Ludwig Maritzen ergänzt: „Und wenn sie von weit her kommen, um den hässlichsten Baum zu sehen – Hauptsache sie kommen.“

Und wenn sie von weit her kommen, um den hässlichsten Baum zu sehen – Hauptsache sie kommen.
Ludwig Maritzen, ISG Domviertel

Dass allerdings die ISG bei ihrem Design, das handwerklich von Schmiedemeister Bernd Buschmann aus Lackhausen umgesetzt worden ist, eine zukunftsweisende Idee hatte, ist mittlerweile nicht mehr wegzudiskutieren. Der Baum wurde einmal gefertigt und kann nun jedes Jahr verwendet werden – nachhaltiger geht es kaum. Es ist also gar nicht verwunderlich, dass die Idee auch andernorts Schule macht: Inzwischen gibt es weltweit Stahltannen, die der Weseler Variante gar nicht mal so unähnlich sind, in Madrid oder Warschau zum Beispiel.