Wesel. . Weihnachtsbäume gibt es viele, Wesel hat einen besonderen: Kein Grün, kein Schmuck - auf dem Markt steht ein stählerner Christbaum. Und der provoziert.
Kaum ein Thema reizt derzeit die Gemüter mehr: Der stählerne Weihnachtsbaum auf dem Großen Markt löst eine Protestwelle aus. „Alle Jahre wieder“, möchte man meinen, und auch in diesem Jahr ist es der Interessengemeinschaft Domviertel gelungen, das beherrschende Thema auf dem Adventmarkt, dem Wochenmarkt und vor allem in den sozialen Medien zu stellen. Und die meiste Prügel bezieht dabei, völlig unverdient, die Stadt Wesel.
"Olle Putzlappen" statt weihnachtlicher Dekoration
„Es ist beschämend, dass eine Kreisstadt sich keinen anständigen Weihnachtsbaum leisten kann“, schimpfte eine Seniorin bei uns am NRZ-Mobil. Einen Baum, wie die Dortmunder ihn haben, so einen wünscht sich die Kritikerin, von oben bis unten grün und stimmungsvoll-weihnachtlich.
Dabei ist der umstrittene Stahlbaum gar nicht städtisch, er gehört der Interessengemeinschaft Domviertel. „Hässlich“, „weg damit“, „igitt“, „geht gar nicht“ – nur einige der Stimmen, die sich auf der Facebookseite der NRZ Wesel zu dem Thema äußern. Die „ollen Putzlappen“ und „Sprüche“ bringen für zwei Freundinnen das Fass zum Überlaufen. „Mit den großen Kugeln, das ging ja noch, aber das hier...“ Es werde von Jahr zu Jahr schlimmer mit dem Baum.
"Ein richtiger Fremdkörper"
„Wesel ist kinderfeindlich“, habe eine ältere Dame beim Anblick des Baums gerufen und Jürgen Lantermann von der Fraktion „Wir für Wesel“ fragt: „Wie kann man einem Kind erklären, dass das ein Weihnachtsbaum sein soll?“
Julian, achtjähriger Sohn von NRZ-Redakteur Johannes Kruck, konnte kaum lassen von der leuchtenden Konstruktion. Weihnachtlich oder nicht, er fand sie faszinierend. Was Erwachsenen verwehrt ist, konnte er genießen: Wie viele Kinder schlängelte er sich durch die engen Streben und schoss mit Papas Handy ein Foto des Baums aus Kinderperspektive.
Nicht allein Form und Schmuck des Gerüstes, auch die Beleuchtung findet Kritiker: „Die Rathausfassade und der Dom sind dezent beleuchtet“, findet eine ältere Frau, „der Baum mit seinem weißen Licht ist ein richtiger Fremdkörper“. Andere wollen von einem Baum gar nichts wissen, Altmetall sei das. „Mein Mann wollte ihn schon verschrotten durfte aber nicht, schade“, meint eine Frau auf Facebook.
Echter Tannengrün wird gefordert
In eine ähnliche Richtung geht wohl der Vorschlag von Jürgen Lantermann: Interessengemeinschaft und Stadtmarketing sollten möglichst umgehend jetzt „sattes Tannengrün bis in die Spitze“ bringen und die Sprüche abnehmen. „Für die folgenden Jahre schlage ich vor, einen echten Tannenbaum mit Kerzen dort aufzustellen und das Stahlgerüst einer anderen Verwendung zuzuführen.“ Also doch ein Fall für den Schrott?
Unverkennbar ist es gewollt, dass der stählerne Baum sich deutlich von anderen Weihnachtsbäumen absetzt. „Wir möchten ja zur Diskussion über Weihnachten anregen“, sagt ISG-Sprecherin Stefanie Steinhauf. „Somit haben wir schon erreicht, was wir wollten.“ Kunst soll eben nicht gefällig, sondern kontrovers sein. So fällt einer Passantin beim diesem Anblick auch spöttisch ein: „Ist das Kunst – oder kann das weg?“