Hamminkeln. Bei der Obstkelterei van Nahmen gibt es wieder Lohnmost für Privatleute. Aber der Ernte-Ertrag auf den Streuobstwiesen war rückläufig.
Für Kaiser Wilhelm ist heute die Zeit abgelaufen. Daran wird auch Annette Temmler, die gerade mit ihrem grasgrünen Lasten-Dreiradmoped auf den Hof fährt, nichts ändern können. Denn auch ihre knapp 100 Kilo Ernteertrag sind nicht viel mehr als ein paar Tropfen auf dem großen Apfel-Berg. Zwar thront Kaiser Wilhelm noch stolz oben im Regal des Hofladens nebenan, doch Peter van Nahmen schüttelt schon mit dem Kopf: „Nein, vom Kaiser Wilhelm wird es im nächsten Jahr keine einzige Flasche geben.“
Schuld daran ist die lange Feuchtigkeitsperiode im Juli und August, zudem der penetrante Feind der kaiserlichen Residenz, der Apfelwickler. Die Made hat der hochherrschaftlichen Frucht nämlich ordentlich zugesetzt. „Der Ertrag auf den Streuobstwiesen ist um etwa 30 Prozent zurückgegangen, damit hatten wir nicht gerechnet“, verrät der Geschäftsführer der gleichnamigen Obstkelterei. „Viel Nässe, zu wenig Sonnenschein und dann ab Mitte August ganz plötzliche Hitze.“ Was neben dem Kaiser auch der Roten Sternrenette zu schaffen machte. Ihren sortenreinen Saft werden die Obst-Freunde im kommenden Jahr ebenso vermissen. Die Obstbäume hätten mit den Wetter-Schwankungen nicht gut umgehen können.
30 Prozent Ernte-Rückgang auf den Streuobstwiesen
Doch keine Angst, Apfelsaft wird es auch 2024 reichlich geben – trotz eben des deutlichen Ernterückgangs auf den Streuobstwiesen und noch einmal dem etwa 10-prozentigen Minus bei der Apfelernte allgemein. Seit Anfang September – und noch bis Ende Oktober – nimmt die Obstkelterei an insgesamt 16 Sammelstellen zwischen Unna und Niep leckeres Obst entgegen, neben Äpfeln, auch Birnen, Pflaumen und Quitten. Für die Zulieferer gibt es Lohmost – in Form von Flaschen. So gibt es für etwa 100 Kilogramm Äpfel dann etwa 80 Flaschen Apfelsaft. Mindestens 3000 Kilogramm hätten vom Kaiser Wilhelm und der Roten Sternrenette angeliefert werden müssen, um eine Pressung zu ermöglichen. „Aber die haben wir nicht zusammenbekommen“, sagt Peter van Nahmen.
Wobei der 54-Jährige diese Entwicklung eher nüchtern betrachtet. „Es gibt eben mal ein gutes, mal ein schlechtes Jahr. Im nächsten haben wir bestimmt wieder ein gutes.“ Das würde natürlich passen, denn dann feiert das Streuobstwiesenprojekt des Unternehmens das 30-jährige Bestehen. Seit 1994 engagiert die Obstkelterei gemeinsam mit dem Naturschutzbund für die Erhaltung von Obstwiesen, hat inzwischen über 330 Besitzer von Obstwiesen ins Boot geholt, die alte Sorten liefern und natürlich aufs Spritzen verzichten. Hinzu kommen eben die Privatleute aus dem Umkreis, die besonders am Freitag, Samstag und Montag den Hof an der Diersfordter Straße ansteuern. Da kommen schon mal etwa 20 bis 30 Tonnen am Tag zusammen. Im vergangenen Jahr war die Obsternte sehr gut, doch seit 2018 hat man immer wieder mit großer Trockenheit zu kämpfen.
Die „Gelbe Tomate“ ist der neueste Renner
Und auch wenn die Obsternte nicht so üppig ausfällt, so gibt es bei van Nahmen ja noch reichlich Alternativen: Wie den neuen Tomatensaft, die gelbe Tomate. Bei dem König Zufall zur Seite stand. Peter van Nahmen war vor einiger Zeit in der italienischen Region Emilia Romagna unterwegs – und entdeckte dort plötzlich ein Grundstück, auf dem gelbe Tomaten wuchsen. Der Hamminkelner sprach den Eigentümer an, und nach einem kurzen Geschmacks-Experiment in der Heimat gab van Nahmen grünes Licht. Vor allem in Bars scheint die „Gelbe Tomate“ der Renner zu sein, macht aus „Bloody Mary“ nun „Yellow Mary“. Oder den Juicy Tea, ein Obstsaft-Tee-Gemisch.
Seit Anfang des Monats ist der mit 1500 Stück limitierte Bio-Apfelsaft von Streuobstwiesen auf dem Markt. Im Rahmen des traditionellen Malwettbewerbs für das Etikett flatterten 400 Einsendungen aus ganz Deutschland ins Haus.
Das Rennen machte am Ende der siebenjährige Matthias aus Stuttgart, der das Motto „Sortenvielfalt“ sehr kreativ umsetzte. Der Erlös aus dem Verkauf der Flaschen kommt wie immer dem Dachverband Clowns in Medizin und Pflege Deutschland zugute.
Simone Scholl aus Mehr hat schon mehrmals in den letzten Wochen Obst angeliefert. Heute sind es 57 Kilogramm Quitten, dazu noch mal reichlich Birnen. „Da war die Ernte gut, doch es ist nicht das Apfeljahr gewesen.“ Schon gar nicht das von Kaiser Wilhelm. Der muss jedenfalls heute abdanken. Mal sehen, ob seine Nachfolger im kommenden Jahr wieder liefern.