Hamminkeln. Beim Thema Flüchtlinge ist die Stimmung in Hamminkeln-Mehrhoog gekippt. Das wurde beim Bürgerdialog deutlich. Es waren mehr Bürger als Plätze da.
Mehrhoog kocht, aber nicht am Herd. Es ist vielmehr ein Thema, das viele Gemüter erhitzt: die Flüchtlingssituation. Das wurde auch am Mittwochabend deutlich. Die Stadt hatte zum Bürgerdialog in die Begegnungsstätte eingeladen und die Mehrhooger kamen. So zahlreich, dass die Begegnungsstätte nicht mehr genug Platz bot für alle Teilnehmer.
Bei 116 Teilnehmern, so Bürgermeister Bernd Romanski, sei aus Brandschutzgründen Schluss. Also blieben gut 100 Teilnehmer draußen stehen und verfolgten den Bürgerdialog über einen eilig aufgestellten Außenlautsprecher. Was bei einigen direkt für Spott („Wären sie mal in die Turnhalle gegangen, so lange das noch geht“) sorgte. Dazu muss man wissen, dass die Mehrhooger Hogebuschhalle wieder als Unterkunft für Flüchtlinge im Gespräch ist. Es gab auch durchaus Stimmen, die der Verwaltung volle Absicht unterstellten, um möglichst wenig Gegenwind zu bekommen.
Denn die Stimmung in Mehrhoog ist gekippt. Früher waren es einige Hetzer, die vor allem in der lokalen Facebook-Gruppe „Mehrhoog - Dorf im Grünen“ Stimmung gegen Flüchtlinge machten. Doch diese Stimmen mehren sich und sie kommen nicht mehr nur vom äußersten rechten Rand, sondern reichen teilweise bis in die Mitte der Gesellschaft. Das Ziel ihrer Kritik ist die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) im ehemaligen Bundeswehr-Depot in Rees-Haldern, die am Mittwoch im Mittelpunkt stand.
ZUE liegt jenseits der Stadtgrenze
Die liegt zwar formal jenseits der Stadtgrenze, doch die Flüchtlinge wenden sich ob des kürzeren Wegs nicht nach Rees, sondern nach Mehrhoog. Oder wie es eine Teilnehmerin formulierte: „Die Tövener Straße? Das ist die Autobahn der Asylanten.“ Hier sorgen dann angeblich einige für Ärger, wie in Beiträgen am Mittwochabend immer wieder moniert wurde. Exhibitionismus, Grapschereien, unflätige Bemerkungen, versuchte und vollendete Einbrüche und immer wieder Fahrrad- und Ladendiebstahl. Das waren die Vorwürfe, die in der Begegnungsstätte immer wieder laut wurden.
Vorwürfe, die der Abteilungsleiter der Kreispolizei Wesel, Ulrich Kühn, bis auf ein vermehrtes Aufkommen von Ladendiebstählen aus seiner Erkenntnis heraus nicht bestätigte. Die Statistik weise keine besonderen Auffälligkeiten für Mehrhoog auf. Ein Satz, der für viel höhnisches Gelächter sorgte. Hier wurde schnell die Krux deutlich. Denn die Polizei beruft sich auf ihre Statistik, in der Anzeigen erfasst werden. Viele Menschen allerdings, auch das wurde am Mittwochabend deutlich, stellen keine Anzeigen, weil sie das Gefühl haben, dass es nichts bringt.
Polizei: Stellen Sie Anzeigen
Hier gab es deshalb den eindringlichen Appell: „Rufen Sie die Polizei, stellen Sie Anzeigen, wenn eine Straftat geschehen ist.“ Denn sobald ein Vorfall aktenkundig ist, fließt er in das Lagebild der Polizei ein, aus dem sich dann auch weitere Maßnahmen ableiten lassen. Hamminkeln, so erklärte es Ulrich Kühn am Mittwochabend, ist bereits seit Juni 2022 im Visier der Polizei und diese ist - verteilt auf das ganze Stadtgebiet - an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden vor Ort. Der immer wieder laut werdenden Forderung einer 24-Stunden-Wache für Hamminkeln erteilte er direkt eine Absage.
Allerdings sind der Kreispolizei Wesel auch Grenzen gesetzt. Zum Beispiel Kreisgrenzen in diesem Fall. Denn Rees - und damit die ZUE - gehören zum Kreis Kleve. Dementsprechend ist die dortige Kreispolizei zuständig. Diese unterschiedlichen Zuständigkeiten allerdings sind für viele Menschen vor Ort nicht nachvollziehbar. Sie fühlen sich schlicht im Stich gelassen. Das merkte man am Mittwochabend immer wieder.
Dennis Kolakovic brachte als Einrichtungsleiter der Bezirksregierung für die ZUE Haldern einige Zahlen und Fakten mit, die die Mehrhooger interessiert, aber auch sehr kritisch zur Kenntnis nahmen. So ist die ZUE in Haldern eigentlich für 200 Menschen eingerichtet worden, wurde aber mittlerweile erweitert, so dass aktuell 448 Menschen dort untergebracht sind. Mehr seien allerdings auf keinen Fall möglich, betonte Kolakovic. Von diesen Bewohnern sind 70 Prozent alleinstehende Männer, 16 Prozent Frauen und 14 Prozent Kinder.
Keine Verkehrsanbindung nach Rees
Der Einrichtungsleiter selbst bedauerte, dass die ZUE Rees „weit von jeglicher Zivilisation entfernt“ liegt und es keine öffentlichen Verkehrsverbindungen nach Rees gibt. In der Anlage gibt es einen Kiosk und jeden Dienstag - pünktlich zur Taschengeldausgabe - kommt ein fliegender Händler. Es gibt einige freiwillige Integrations- und Freizeitangebote („sehr oberflächlich“), doch die eigentliche Integrationsarbeit findet erst statt, wenn die Flüchtlinge mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus die Landeseinrichtung verlassen und auf die Kommunen verteilt werden.
Was die Mehrhooger besonders aufmerken ließ? Dass es etwa 10 bis 15 alleinstehende Männer gibt, die in der Einrichtung „immer wieder aufploppen“, wie der Einrichtungsleiter es formulierte. Aber es seien noch keine „Störer“, wie sie im behördeninternen Fachjargon bezeichnet werden. Sollten sie häufig genug aktenkundig werden, könne man sie in letzter Konsequenz in andere Einrichtungen verweisen. Aber auch dafür gilt - ohne Anzeigen keine Erkenntnisse bei den Behörden.