Schermbeck. Aufgeheizte Stimmung im Ratssaal, als die Weichen für die nächsten Wochen gestellt wurden. Was 200 Demonstranten fordern und wie es weitergeht.

Zwischendurch ähnelte die Sitzung des Planungs-, Umwelt- und Mobilitätsausschusses einer Bierzeltatmosphäre – mehrfach versuchte der Ausschuss-Vorsitzende Rainer Gardemann die Wogen zu glätten und war nach gut einer Stunde heftigsten Schuldzuweisungen, üblen Beschimpfungen und comedyreifen Auftritten am Ende der Nerven, wie er selber zugab.

Rund 200 Menschen kamen am Dienstagnachmittag zum Schermbecker Rathaus, die meisten von ihnen, um schon vor der Ausschusssitzung gegen das Verkehrskonzept zu demonstrieren und im Ratssaal ihren Unmut kund zu tun. Die Stimmung war aufgeheizt, was nicht nur an den hochsommerlichen Temperaturen lag.

Mit Plakaten und Bannern („Weg mit den Schranken“, „Marellenkämpe zu“) protestieren Bürger, darunter Anwohnerinnen und Anwohner der Marellenkämpe aber auch der Kastanienstraße, vor dem Rathaus. Von Beginn an wehren sie sich gegen die für vier Monate geänderte Verkehrsführung im Schermbecker Ortskern. Anwohner Michael Spix hatte einen „Stillen Protest gegen den zurzeit laufenden und gegebenenfalls verlängerten Verkehrsversuch“ angemeldet.

Ratsbürgerentscheid soll Bürgermeinung einholen

Kurz vor Beginn der Ausschusssitzung gaben drei Ratsfraktionen einen gemeinsamen Antrag bekannt: Die Fraktionen der CDU, der Partei und der SPD möchten, dass sich an dem Verkehrsversuch des Szenarios 2b eine weitere Versuchsphase anschließt, in der das Szenario 1 getestet wird. Dieser Versuch soll zwei Monate laufen.

Weiter beantragen sie: „Die Verwaltung wird beauftragt, bei der Straßenverkehrsbehörde die hierfür notwendigen Erlaubnisse und Genehmigungen einzuholen mit dem Ziel, den Versuch unmittelbar an das Auslaufen des derzeitigen Verkehrsversuches anzuschließen. Die hierfür notwendigen Haushaltsmittel sind gegebenenfalls überplanmäßig bereitzustellen. Der Rat entscheidet nach Abschluss der weiteren Versuchsphase über den Inhalt und die Ausgestaltung des Ratsbürgerentscheides.“

Der Verkehrsversuch habe gezeigt, „dass die Netztrennung nach dem Szenario 2b verkehrstechnisch funktioniert und die angestrebten Ziele – Reduzierung des Verkehrs im Ortskern um 50 Prozent – erreichbar sind.“

So wurden die Ausschussmitglieder vor dem Rathaus empfangen.
So wurden die Ausschussmitglieder vor dem Rathaus empfangen. © FFS | Rüdiger Bechhaus

Dann ergänzen die CDU, die Partei und SPD: „Wir haben bei den bisherigen Beratungen betont, dass wir die Ergebnisse ergebnisoffen betrachten und bewerten.“

Die geäußerten Meinungen ließen erkennen, dass eine Rückkehr zum ursprünglichen Zustand, wie er vor dem 15. Mai 2023 bestand, überwiegend nicht gewünscht sei.

Einbahnstraßenregelung wird ausprobiert

Kein eindeutiges Meinungsbild sei zurzeit erkennbar, welche Verkehrsführung die Bevölkerung wünsche. Intensiv diskutiert werde auch die Einbahnstraßenregelung auf der Mittelstraße in Süd-West-Richtung (mit Öffnung der Marellenkämpe), wie sie das Szenario 1 vorsieht. Fest stehe allerdings, dass es eine Lösung, die alle gleichermaßen zufriedenstellen wird, nicht gibt.

Viele Bürger machten ihrem Unmut Luft.
Viele Bürger machten ihrem Unmut Luft. © FFS | Rüdiger Bechhaus

Die drei Fraktionen sind der Auffassung, „dass am Ende des Meinungsfindungsprozesses ein Ratsbürgerentscheid stehen muss, bei dem die Bürger anstelle des Rates entscheiden, welches Verkehrskonzept in Schermbeck umgesetzt wird und für die langfristige Zukunft gelten soll.“ Der Rat werde diese Entscheidung der Bürger dann respektieren und umsetzen.

Bei der Abstimmung über diesen Vorschlag votierten die beiden Grünen-Ratsherren Stefan Steinkühler und Jürgen Trick dagegen, die anderen neun Ausschussmitglieder dafür. Also wurde er mehrheitlich angenommen.

Sollte es keine (von Stefan Steinkühler erwähnten) rechtlichen Einwände gegen einen zweiten Verkehrsversuch geben, dürfte dieser also am 18. September beginnen.