Wesel. An der Baustelle der Südumgehung gibt es Verzögerungen beim Bau der neuen Lippebrücke. Zwei Blindgänger könnten im Boden stecken.
Seit fast einem halben Jahr steht Straßen NRW an der Baustelle der Südumgehung vor einem kniffeligen Problem: Dort, wo die neue Lippebrücke für die B 58n sich an die Rheinbrücke anschließen wird, sind Anfang des Jahres zwei „bombenähnliche Anomalien“ im Boden geortet worden. Sie liegen an extrem ungünstigen Stellen, denn der Boden am Lippeufer ist voller Wasser. Der Zugang zu den Fundstellen wird dadurch sehr kompliziert, zeitraubend und teuer. Bis Montag, so die Hoffnung, wird endlich der erste Verdachtspunkt erreicht sein.
„Wir hoffen, dass es keine Kampfmittel sind, so dass wir nicht noch alles sperren müssen“, sagt Projektleiter Alexander Schlüter von Straßen NRW. Der erste Verdachtsfall liegt am Westufer der Lippe nahe der Rheinbrücke in zehn Metern Tiefe. „Es könnte auch ein rostiger Eimer sein“, so Schlüter. Handelt es sich aber tatsächlich um eine Weltkriegsbombe, droht eine Sperrung der Rheinbrücke für die Entschärfung.
Direkt gegenüber am Ostufer der Lippe wurde bei Sondierungsarbeiten eine weitere Verdachtsstelle in fünf Metern Tiefe geortet. Beide Fundstellen liegen genau dort, wo die Widerlager der neuen Brücke schon längst in Arbeit sein sollten. „Das ist Pech“, so Schlüter zu der unerwarteten Verzögerung. Die ersten Versuche, an die möglichen Blindgänger heranzukommen, waren gescheitert, weil die Grabungen immer wieder voll Wasser liefen.
Blindgänger an der Südumgehung: Aufwendige Vorarbeiten
So musste Straßen NRW ein aufwendiges Verfahren in die Wege leiten. Aus für diesen Zweck extra angefertigten Spundwänden wurden zwei sieben mal sieben Meter große Kästen gebaut. Die Spundwände reichen 18 und 23 Meter tief in den Boden bis in eine Erdschicht, die nicht mehr so viel Wasser führt. An jeder Fundstelle müssen je vier so genannte Schwerkraftbrunnen das Wasser abpumpen, damit die Kästen nicht voll Wasser laufen – 2000 Liter pro Stunde werden in die Lippe geleitet, erklärt Sezer Gümüsok von der Bauüberwachung. „Der Grundwasserspiegel liegt zwei Meter unter der Geländeoberkante.“
An der Westseite hinter der Rheinbrücke ist der Bagger jetzt zwei Meter über der Verdachtsstelle angekommen. Es müssen noch Stahlträger zur Stabilisierung der Spundkästen eingebaut werden, dann geht es an die Feinarbeit: Gemeinsam mit dem Kampfmittelräumdienst dringen die Arbeiter vorsichtig zum möglichen Blindgänger vor. „Da wird penibel gearbeitet“, betont Gümüsok. Bis Montag, hofft er, werde man wissen, was da am Westufer im sandigen Boden liegt, ob Bombe oder Altmetall. Nach der eventuellen Entschärfung wird das gleiche am Ostufer wiederholt, an dieser Stelle werde man ein, zwei Wochen später Gewissheit haben.
Blindgängersuche an der Südumgehung kostet wohl 1,5 Millionen Euro
Die gesamte Maßnahme zur Klärung des Blindgänger-Verdachts hat ihren Preis: Mit 1,5 Millionen Euro rechnet Straßen NRW – und es wäre nicht die erste Baustelle, wo am Ende nur etwas rostiges Metall ans Tageslicht kommt, weiß Alexander Schlüter. Doch ignorieren kann Straßen NRW die Verdachtspunkte nicht.
Neben den Kosten ist da auch noch der Zeitplan: Die Lippebrücke soll Ende 2024, Anfang 2025 fertig sein, die Freigabe des ersten Teilstückes der B 58n zwischen der Rheinbrücke und der B8 ist für das erste Quartal 2025 geplant. Dabei soll es auch bleiben, trotz der sechs Monate, die für die Klärung des Blindgängerverdachts drauf gegangen sind. „Wir versuchen, die Zeit zu kompensieren, indem andere Maßnahmen vorgezogen werden“, sagt Alexander Schlüter.
Die gesamte 3,8 Kilometer lange Umgehungsstraße soll nach dem aktuellen Stand erst 2030 fertig sein. Das wurde jüngst bei einer Bürgerversammlung zum Bau des Tunnels Fusternberg deutlich.