Wesel/Düsseldorf. Das Wellnesshotel in Wesel und das „25 Hours“ in Düsseldorf führen die Vier-Tage-Woche ein. Was das für die Mitarbeiter konkret bedeutet.
Lockdowns, Testpflichten und Datenangaben sind passé, die Corona-Pandemie scheint derzeit eine untergeordnete Rolle zu spielen – und trotzdem das: Einige Hotels bieten nur eingeschränkten Service an, Restaurants reduzieren ihre Öffnungszeiten und an vielen Türen und Fenster hängen Aushänge, auf denen Mitarbeitende gesucht werden. Kurzum: Es fehlt an Personal. Diese Not macht erfinderisch. Deswegen führen einige Hotels die Vier-Tage-Woche ein. Das Wellness-Hotel und Restaurant Tannenhäuschen in Wesel ist eines davon.
Vor der Corona-Pandemie hat es im Tannenhäuschen 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben plus Minijobber. Dann kamen die Lockdowns, Hotels und Restaurants mussten schließen. Nicht wenige Servicekräfte haben sich neue Jobs in anderen Branchen gesucht. Ein paar kommen zurück, viele aber bleiben für immer weg. Gute Service-Mitarbeiter sind eben auch in anderen Dienstleistungsbranchen gefragt, weiß Tannenhäuschen-Hoteldirektor Dirk Salzsieder.
Über 6000 offene Stellen im Hotel- und Gastrogewerbe in NRW
Im Gastgewerbe gibt es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit in NRW derzeit 6.105 offene Stellen - 3.587 mehr als vor einem Jahr im April 2021. 1.475 der offenen Stellen entfallen auf den Hotelbereich, 4.630 auf die Gastronomie.
Im Tannenhäuschen arbeiten aktuell 85 Festangestellte. Zwar sind Hotel und Restaurant seit dem 1. Januar wieder komplett geöffnet, aber die Öffnungszeiten im Spa-Bereich waren in den vergangenen fünf Monaten noch reduziert und im Restaurant gibt es im À-la-Carte-Geschäft noch ein paar Einschränkungen. Ansonsten läuft das Geschäft wieder gut an, an einigen Tagen gebe es eine Auslastung von 95 Prozent, sagt Salzsieder. Von der Vier-Tage-Woche erhofft er sich, sich von der Konkurrenz abzuheben und für Fachkräfte interessant zu sein.
Denn in der Praxis sieht das so aus: Statt 40 Stunden pro Woche müssen die Angestellten demnächst 36 Stunden arbeiten – verteilt auf vier Werktage und bei gleichbleibendem Verdienst. Das bedeutet also auch eine Lohnerhöhung.
Abheben von der Konkurrenz
„Unser Küchenchef ist da sehr kreativ“, sagt Salzsieder. Er gestaltet die Dienstpläne so, dass die durch die Vier-Tage-Woche drei zusätzlichen freien Tage an einem Stück genommen werden können. Das heißt: Seine Angestellten haben regelmäßig sechs Tage am Stück frei, erläutert der Hoteldirektor.
Überhaupt stehe der größte Teil der Belegschaft der neuen Arbeitsorganisation positiv gegenüber, schildert er im Gespräch mit der NRZ. Die Vier-Tage-Woche gilt für alle Mitarbeitenden verpflichtend und wird stufenweise eingeführt. Los geht es mit der Haustechnik und den Hausdamen, erklärt Salzsieder. Bis zum Jahresende sollen dann alle Bereiche umgestellt sein.
Auch in Düsseldorf ist die Testphase abgeschlossen
Getestet hatte die Vier-Tage-Woche die Hotelkette „25hours“, die auch ein Hotel in Düsseldorf betreibt. Die Testphase ist abgeschlossen und wird ab dem 1. Juni endgültig umgesetzt. Auch hier gilt: Wochenarbeitszeit von 36 Stunden (statt zuvor 40 Stunden) verteilt auf 4 Tage. Das Programm werde „sehr positiv angenommen“, so Anna Hoffmann, General Manager des „25hours“-Hotels in Düsseldorf auf NRZ-Anfrage.
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Das Projekt der Hotelkette habe in der Branche einen Aha-Effekt ausgelöst, weiß Thomas Kolaric, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Nordrhein. Er sieht die Vier-Tage-Woche als ein „Instrument, um Aufmerksamkeit zu erzeugen“. Weil dieses Angebot noch ziemlich außergewöhnlich sei, könne es durchaus dazu führen, Fachkräfte an das jeweilige Unternehmen zu binden, meint er. „Drei Tage frei, das ist schon eine Hausnummer“, sagt er im Gespräch mit der NRZ.
Angebot auch im Möbelhaus
Aber nicht nur Hotels haben die Vier-Tage-Woche für sich entdeckt. Auch die Möbelkette XXXL Lutz mit Standorten in Essen und Oberhausen macht ihren Mitarbeitenden dieses Angebot. Hier ist es nicht verpflichtend, sondern optional. Auch hier wird die Wochenarbeitszeit proportional verringert, wie ein Unternehmenssprecher sagt: „Unser Entlohnungssystem ermöglicht es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ihre selbst definierten Ziele an vier Arbeitstagen pro Woche zu erreichen.“
Nicht in allen Bereichen wird dieses Arbeitsmodell angeboten, angesprochen sind Verkäufer für Möbel, Schreiner, Tischler und Fachberater für Küchen. „Wir wissen um die Tatsache, dass Freizeit für immer mehr Menschen einen höheren und auch immer weiter wachsenden Stellenwert einnimmt. Hinzu kommt der oftmals geäußerte Wunsch nach mehr Flexibilität in der Arbeitswoche – vor allem im Handel. Dieses Bewusstsein ist immer stärker ausgeprägt“, benennt der Sprecher die Gründe für die Entscheidung. „Vor allem Bewerber und Bewerberinnen, die ihre Leistung selbst sehr gut einzuschätzen wissen und oftmals über eine überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit verfügen sowie um ihre besondere Expertise wissen, nutzen dieses Modell vermehrt.“