Wesel. Über 200 der Stacheltiere hat die 59-Jährige bereits aufgepäppelt. Doch die ehrenamtliche Tierfreundin hat Sorge und einen dringenden Appell.
Den Igeln in Wesel und Umgebung könnte es besser gehen, wenn der Appell von Igelretterin Ursel Neu Wirkung zeigt: Mehr naturbelassene Gärten, mehr Vorsicht beim Mähen und mehr Unterstützung der Igelhilfe. Dann gehe es weniger Tieren so wie Igel Charly, der aber wahrscheinlich noch Glück im Unglück hatte: Der ausgewachsene Igel hat offensichtlich eine überaus schmerzhafte Begegnung mit einem Rasenmähroboter gehabt, dessen Messer ihm eine tiefe Wunde auf seiner Stirn zugefügt haben. Eine Finderin entdeckte den verletzten Igel und brachte ihn zu Ursel Neu nach Obrighoven, wo Charly jetzt gepflegt und gehegt wird. Die 59-jährige ehrenamtliche Tierrettern hat bereits Erfahrung mit den Stacheltieren, von denen sie über 200 in den vergangenen Jahren aufgepäppelt und dann wieder in ihren natürlichen Lebensraum zurückgebracht hat.
Ein Leben lang im Zeichen der Igel
„Man investiert viel Zeit und Geld“, sagt die Weselerin, die händeringend um Unterstützung bittet. Einerseits wünscht sie sich gleichgesinnte Tierfreunde, die bereit wären mitzuhelfen, damit Igel wieder auf die Beine kommen. „So schwierig ist das gar nicht – 15 Minuten täglich sollte man für einen Igel aufbringen, wann am Tag ist außerdem ziemlich egal“, so Neu, die schon ihr Leben lang eine besondere Beziehung zu dem kleinen stacheligen Tier hat: Bereits als Kind habe sie sich leidenschaftlich gerne von ihrer Oma die Geschichten der Comic-Igel-Figur Mecki vorlesen lassen, als Jugendliche hat Ursel Neu dann ihren ersten Igel aufgezogen.
Die ausgebildete Groß- und Einzelhandelskauffrau ist schon immer sehr naturverbunden gewesen, hat unter anderem 1984 die Kreisjugend des Naturschutzbundes mit aufgebaut. Sie richtet den dringenden Appell an alle Tierliebhaber, auch an das Wohl der Igel zu denken. Das beginne schon mit der Gestaltung des eigenen Gartens: Mit einem kurz geschnittenen Rasen wie auf einem Golfplatz kann ein Igel nichts anfangen – ein möglicht naturbelassener Garten mit Blühwiesen, Sträuchern, Hecken und guten Verstecken wie Holzpaletten oder Wurzelstubben seien dagegen ein Paradies für die stachelige Vierbeiner.
Naturbelassene Gärten sind ein Paradies für Igel
Was Ursel Neu ebenfalls am Herzen liegt ist, den Igel „Wanderungen“ durch von Garten zu Garten zu ermöglichen: „Eine etwa faustdicke Öffnung im Zaun reicht meist schon“, so die Tierliebhaberin, die nicht verstehen kann, dass sich mache Grundstückseigentümer mit tief eingegrabenen Zäunen ihren Garten abschotten und so Igel komplett ausgrenzen. Dann müssten die Tiere Umwege über Straßen in Kauf nehmen, was für sie eine tödliche Gefahr darstelle.
Neben den Mährobotern, die Igeln meist Pfoten oder Nasen wegschneiden, nennt sie vor allem Freischneider und Fadentrimmer als sehr dramatisch für ihre Lieblingstiere. „Igel rennen nicht weg“, erklärt die Retterin, die dafür plädiert, die Fläche erstmal nach Tieren zu untersuchen, ehe das Schneidewerkzeug zum Einsatz kommt.
In der Obrighovener „Igel-Intensivstation“ wird zurzeit auch ein Igel-Baby mit der Spritze aufgezogen. Das nur wenige Tage alte Jungtier hatte Pech, dass seine Igel-Mutter sich ausgerechnet eine Pferdebox eines Reiterhofs in Xanten als Kinderstube ausgesucht hatte. Um ein Haar wäre der Nachwuchs von einem Huf eines Pferdes verletzt oder sogar getötet worden, doch noch rechtzeitig wurde die Igel-Familie entdeckt. Vorsichtig versuchten die Reiter mit einer Schaufel Igelmutter samt Nachwuchs ins benachbarte Heulager umzusiedeln, doch das misslang: Der Igel-Mutter gefiel das offenbar nicht, sie suchte das Weite und ließ den Nachwuchs zurück.
Recht verzweifelt nahmen die Reiterhof-Besitzer mit Ursel Neu Kontakt auf und brachten ihr den Mini-Igel. Ganz vorsichtig ernährt die Tierretterin den Winzling jetzt über eine Spritze, indem sie ihm Katzenaufzuchtmilch angereichert mit Fencheltee ins Maul laufen lässt. Mit 42 Gramm kam das Fundtier zur Igelretterin und hat in den ersten Tagen schon gut zugelegt. Ganz zu Anfang hatte das Baby noch keinen Namen – war bei Ursel Neu einfach „Nummer 26“, weil sie alle geretteten Igel dem Veterinäramt melden muss.
Warum aus „Nummer 26“ jetzt Haribo geworden ist
„Nummer 26“ schläft in einem selbstgebastelten Herzkissen. „Igel bekommen bei mir eigentlich keine Namen, bei Charly ist das was anderes – den hatte seine Finderin bereits so genannt“, erläutert Neu. Nachts wurde bei ihr der Miniigel in einer Haribo-Box im Schlafzimmer geparkt, berichtet die 59-Jährige ein paar Tage später. Deshalb habe sie sich jetzt entschieden, ihrem Baby doch einen Namen zu geben: „Er heißt jetzt Haribo.“ Das passt – denn vermutlich werden viele Betrachter beim Anblick des Igel-Babys spontan sagen: „Wie süß!“
Offiziell ist das Igel-Krankenhaus im Garten und Haus von Ursel Neu in Obrighoven eine Außenstelle der Igelhilfe Bocholt. Auf den Kosten – unter anderem für Futter, Behandlungen beim Tierarzt und die Entsorgung des zusätzlichen Mülls – bliebt die 59-Jährige allerdings sitzen. „Über Spenden oder Sponsoren würden wir uns natürlich freuen“, sagt auch Manuela Niehues, die Gründerin der Igelhilfe.
Wer in Wesel und Umgebung einen verletzten oder hilflosen Igel findet, kann sich an Ursel Neu unter 0178 5291573 wenden – ebenso Tierfreunde, die mithelfen wollen, die kleinen stacheligen Säugetiere wieder aufzupäppeln.