Wesel. . Da sind sich alle im Rat einig: Der gebürtige Weseler erhält die Ehrenbürgerwürde der Kreisstadt, die höchste Auszeichnung, die es hier überhaupt gibt.

Wenn Ernest Kolman erzählt, dann hören ihm alle gebannt zu. Es handelt sich oft um die Geschichte seiner Familie, die in Wesel zu Hause war und vor den Nationalsozialisten floh. Und es handelt sich um die Geschichte der Juden im Dritten Reich, von der er vor allem der Jugend berichtet. Der 89 Jahre alte Mann aus London erinnert an sie, wo er nur kann. Er kommt seit 1988 zu den Gedenktagen in seine Heimatstadt und er besucht die Schulen, um alles dafür zu tun, dass sich der Holocaust nie wiederholt. Er selbst hat sich mal als „eine Art Mahnmal auf zwei Beinen“ bezeichnet. Und Wolfgang Jung vom Jüdisch-Christlichen Freundeskreis Wesel sagt über ihn: „Er ist alles andere als gemütlich.“

Ernest Kolman, der einst Ernst Kohlmann hieß, wird in Wesel dennoch sehr geschätzt, so sehr, dass er im Juni Ehrenbürger von Wesel wird. Bürgermeisterin Ulrike Westkamp hat ihn bei seinem letzten Besuch Ende 2015 gefragt, ob er die Ehrung annehmen würde. Er sagte ja. Gestern verkündete sie zusammen mit allen Fraktionschefs, mit Jung und ihrem Stellvertreter Daniel Kunstleben, dass es mit Kolman bald einen neuen Ehrenbürger geben wird, den zweiten nach Krzysztof Hecman, dem Bürgermeister der polnischen Partnerstadt Ketrzyn. Er erhielt 2012 die Auszeichnung. Generell endet das Ehrenbürgerrecht mit dem Tod.

Ernest Kolman wurde am 1. Juni 1926 als Sohn von Martin und Frieda Kohlmann in Wesel geboren. Er ist der letzte ehemalige jüdische Weseler, der noch lebt. Seine Eltern hatten in der Rheinstadt ein Textilgeschäft, bis sie 1934 zusammen mit ihm und Tochter Margrit nach Köln zogen. Kolman ging auf die städtische israelitische Volksschule und auf das Jüdische Realgymnasium Jawne, bevor er mit dem ersten Kindertransport am 18. Januar 1939 nach England fuhr. An diesem Tag sah er seine Eltern zum letzten Mal. Sie wurden im Dezember 1941 aus Köln deportiert und im Juli 1944 in Riga ermordet. Schwester Margrit, die zwei Jahre älter als er ist, überlebte Riga und weitere Konzentrationslager. Sie ist in Chicago zu Hause. Ernest Kolman wurde in England Maler und Dekorateur, nahm 1947 die britische Staatsangehörigkeit an. Mit seiner 2013 verstorbenen Ehefrau Eve hat er einen Sohn und eine Tochter.

Kolman zählte von Anfang an zu den eifrigsten Weselbesuchern. Über 30-mal war er schon hier - zur Pogromnacht am 9. November, zum Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar und zur Verlegung von Stolpersteinen, die an jüdische Familien in Wesel erinnern. Nach wie vor setzt er sich für Toleranz und Völkerverständigung und gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ein. Mit der Ehrenbürgerwürde wird es ihm gedankt.

Der Ratsbeschluss zur Vergabe der Ehrenbürgerschaft an Ernest Kolman am Dienstag, 26. April, ist nur noch reine Formsache. Alle Fraktionschefs haben sich bereits dafür ausgesprochen.

Die Verleihung findet in einer Sondersitzung des Rates am Samstag, 11. Juni, um 11 Uhr im Ratssaal des Rathauses statt. Zehn Tage zuvor wird der gebürtige Weselaner, der in London lebt, seinen 90. Geburtstag feiern.

Nach Wesel begleitet wird Ernest Kolman von seinem Sohn, der in den USA lebt.