Wesel. Wegen Gewalt- und Sexualtaten steht ein 58-Jähriger vor Gericht. Über Jahre soll er Mitglieder einer Sekte in Wesel und Hamminkeln gequält haben.

Seit Ende April befasst sich das Landgericht Duisburg mit den Vorwürfen gegen einen 58-jährigen Niederländer. Zwischen 2017 und Juli 2020 soll der Führer einer sektenähnlichen Gruppierung Mitglieder des „Life Balance Recovery Center“ in Wesel und Hamminkeln gequält haben. Die Anklage listet rund 40 Gewalttaten und sexuelle Übergriffe auf.

Auch am sechsten Verhandlungstag schilderten Zeugen das System, mit dem Willem W. die Mitglieder der Gruppe beherrscht haben soll. Der Mann schlich sich in das Vertrauen der Zeugen ein, half ihnen und ihren Familien bei diversen Problemen. Dabei beeinflusste er sie so stark, dass man wohl von einer Art Gehirnwäsche sprechen kann.

Gewalt war im Weseler „Haus Constanze“ an der Tagesordnung

Außenansicht des „Haus Constanze“ in Diersfordt. Das leerstehende Gebäude wird auf dem Immobilienmarkt zur Miete angeboten.
Außenansicht des „Haus Constanze“ in Diersfordt. Das leerstehende Gebäude wird auf dem Immobilienmarkt zur Miete angeboten. © Foto: Markus Weissenfels

Da Gewalt im „Haus Constanze“, dem zeitweise von der Gruppe betriebenen Ausflugslokal in Diersfordt, und an anderen Standorten in Hamminkeln und auf der Grav-Insel an der Tagesordnung war, ließen viele Geschädigte auch die sexuellen Handlungen, zu denen der Angeklagte sie aufforderte, offenbar widerspruchlos über sich ergehen. In vielen Fällen scheint der Angeklagte die fatale Fähigkeit besessen zu haben, sich Menschen als Opfer auszusuchen, die schon zuvor psychologische Probleme hatten und keine Perspektive mehr sahen.

Wie ein 38-jähriger Weseler, der den Angeklagten 2014 kennen lernte. „Ich war zuvor ein Jahr lang Mönch in Sri Lanka“, berichtet der Zeuge. Nach der Rückkehr nach Deutschland habe er massive Probleme gehabt, mit dem Leben hier zurecht zu kommen. „Innere Rastlosigkeit und Hoffnungslosigkeit“, schildert der 38-Jährige. „Ich suchte Lebenshilfe.“ Die fand er vermeintlich bei Willem W. In einer Art Konfrontationstherapie habe der Angeklagte auf brutale Weise versucht, sein Ego zu zerstören.

Schwierige juristische Abgrenzung

„Er sagte, alles Schlechte im Leben kommt vom Ego. Deshalb muss man es brechen.“ Um sich „zu spüren“ sei er geschlagen, über Stunden in einer Sauna eingesperrt und auch auf sexuelle Weise misshandelt worden. „Ich hatte eine völlig Paranoia.“ 2015 sei er in das „Haus Constanze“ gezogen, nachdem er zuvor vom Angeklagten „immer mehr in das Unternehmen hinein gezogen“ worden war.

Schon am zweiten Verhandlungstag hatte der Angeklagte eine Reihe von Körperverletzungen zugegeben, die man in einigen Fällen wohl nur als Folter bezeichnen kann. Auch sexuelle Handlungen habe es gegeben, gab der Guru zu. Nichts davon sei allerdings mit Zwang geschehen. Für die Juristen besteht die schwierige Aufgabe nun darin, in jedem einzelnen Fall zu ermitteln, ob die Geschädigten überhaupt eine Chance hatten, einen entgegenstehenden Willen zu äußern, oder ob das Klima der Gewalt und Angst sie dieser Möglichkeit beraubte.

Von zunächst drei war das Verfahren auf sieben Verhandlungstage ausgedehnt worden. Am siebten Verhandlungstag könnte das bislang geplante Beweisprogramm in dieser Woche abgeschlossen werden. Wie zu hören war, wollen die beteiligten Juristen vor Schluss der Beweisaufnahme aber noch einmal den Verfahrensstand besprechen. Voraussichtlich wird es mindestens einen, möglicherweise auch mehrere weitere Sitzungstage geben.