Wesel/Duisburg. Im Haus-Constanze-Prozess beschreibt ein Ex-Mitglied der Gruppierung den beschuldigten Niederländer als einen „Meister der Manipulation.

Rund 40 Straftaten werden einem 58-jährigen Niederländer vorgeworfen, der zwischen 2017 und 2020 in Wesel und Hamminkeln Oberhaupt einer sektenähnlichen Gruppierung gewesen sein soll.

Etliche Körperverletzungen räumte der Angeklagte bereits am zweiten Verhandlungstag vor dem Landgericht Duisburg ein. Die Kammer konzentriert sich nun auf die Frage, ob die dem 58-Jährigen vorgeworfenen sexuellen Übergriffe, vor allem gegen Männer aus der Gruppe, mit deren Einwilligung geschahen – so stellt es jedenfalls der Angeklagte dar – oder unter Zwang erfolgten.

Die Abgrenzung scheint im vorliegenden Fall höchst schwierig zu sein. „Er war ein Meister der Manipulation“, so beschrieb eine 24-jährige Zeugin, die über den gesamten Tatzeitraum zu der Gruppe gehörte, den Angeklagten. 2016 war sie zum „Life Balance Recovery Center“ gestoßen.

Erst Hilfe, dann Straftaten?

Der Angeklagte habe ihrem Bruder geholfen, der ein Drogenproblem hatte und deshalb vor Gericht stand. Bald besuchte ihre ganze Familie die Seminare des Angeklagten. Sie selbst zog bald bei der Gruppe ein. „Zunächst fühlte ich mich gut aufgehoben und angenommen.“ Später sei immer eine angespannte Stimmung bei allen zu spüren gewesen, wenn der Angeklagte anwesend war. „Man wusste ja nie, was als nächstes passieren würde.“

Ein Bild zum Auftakt  des Prozesses in Duisburg
Ein Bild zum Auftakt des Prozesses in Duisburg © Bodo Malsch

Etwa sieben, acht Menschen hätten ständig im „Haus Constanze“ in Diersfordt gelebt, berichtet die Zeugin. Einige waren psychisch stark angeschlagen.

Immer wieder habe der Angeklagte Menschen geschlagen, misshandelt, gedemütigt. Eine Geschädigte zog er bei einem Seminar an den Haaren im Kreis herum, einem anderen drückte er die Hand auf einen Grill-Rost.

Mit Fischen zugeschlagen

Er schlug mit Regenschirmen und mit Fischen zu. Auch sie selbst sei, weil sie im Service einmal etwas falsch gemacht habe, von ihm ins Gesicht geschlagen worden. „Er hat gesagt, er wolle mir helfen. Ich sei von Dämonen besessen. Ich habe das geglaubt.“ Der Angeklagte habe dafür gesorgt, dass die Mitglieder ihrem eigenen Verstand nicht mehr trauten.

„Auch ich habe bald nicht mehr gewusst, was richtig und was falsch ist.“ Alle hätten auf das gehört, was der Angeklagte sagte.

„Und sie sprachen irgendwann auch alle genau so wie er.“ Wenn jemand nicht mehr mitmachen wollte und verschwand, sei er von dem Angeklagten und den anderen Mitgliedern gesucht worden. Wenn man sie ausfindig machen konnte, seien die Ausreißer bestraft worden.

„Doch viele wollten gar nicht mehr weg. Weil sie ja auch gar nicht wussten, wo sie hingehen sollten.“ Durch das Leben in der Gruppe habe es keine Kontakte mehr zu Menschen außerhalb des „Life Balance Recovery Center“ gegeben.

Sex als Therapie dargestellt?

Die Zeugin berichtete von zwei Männern, die der Angeklagte regelmäßig dazu gebracht habe, ihm sexuell zu Willen zu sein. „Er hat sie dazu überredet und das als Teil der Therapie dargestellt“, so die 24-Jährige. „Ich glaube, die haben das gar nicht als sexuellen Missbrauch empfunden.“

Für das Verfahren ist bislang nur noch ein Verhandlungstag am 28. Mai vorgesehen.