Wesel. Methadon und andere Mittel helfen Heroinsüchtigen, zu überleben. Doch es gibt nur einen niedergelassenen Arzt, der substituiert.
Die Wege in die Heroinsucht sind vielfältig – nur einer führt aus einem Leben ohne Kriminalität, Prostitution, Krankheit und frühem Tod: Substitution. Ärzte verabreichen Medikamente wie Methadon oder Sagotex, die keinen Rausch bieten aber ein einigermaßen normales Leben möglich machen. Am heutigen Aktionstag Substitution wirbt die Initiative „100.000 Substituierte bis 2022“ für mehr Ärzte, die sich engagieren. Die Drogenberatung Wesel unterstützt die Kampagne: In Wesel und Umgebung kümmert sich nur einer, Dr. Michael Wefelnberg aus Hünxe, um die Süchtigen.
Svenja (45) und Frank (47) - wir haben die Namen geändert - bekommen Methadon. Martin Peukert und Lisa Olejniczak von der Drogenberatung haben ihre beiden Kunden darum gebeten, über ihr Leben mit und ohne die Substitution zu sprechen. Beide sind sehr offen – und sehen ‘normal’ aus, gesund und vital.
Ohne Methadon wäre sie mit ihren Kindern überfordert gewesen
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Svenja hat drei Kinder und kam spät zur Heroinsucht. „Mein Partner kam damit an, wir haben es ausprobiert“, sagt die 45-Jährige rückblickend. Anfangs habe sie den Haushalt und die drei Kids noch meistern können, irgendwann „ging einiges drunter und drüber“. Sie habe lange vertuscht, bis sie sich Hilfe suchte, eine Entgiftung durchstand und auf Methadon gesetzt wurde. Ihr Partner ging diesen Weg nicht mit, sie trennte sich.
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Methadon hat der sympathischen Frau zurück in ein normales Leben geholfen. „Anfangs gab es die Ausgabestelle in Wesel noch nicht. Ich fuhr täglich mit dem Bus nach Hünxe, der fährt nur alle zwei Stunden und am Wochenende gar nicht“, erzählt sie. Inzwischen hat sie sich bewährt, muss nur noch einmal die Woche ein Rezept holen und kann sich selbst substituieren. Sie arbeitet, zwei ihrer Kinder sind aus dem Haus und erfolgreich im Beruf.
Frank hatte keine leichte Kindheit, doch er winkt ab: „Ich will meine Sucht nicht darauf schieben“, sagt er, der Himmel und Hölle der Heroinsucht durchlebt hat. „Ich war 15 oder 16, als ich die Schule wechselte.“ Angefangen hat es mit „Gras“, Haschisch also. Einmal kam ein Freund mit Heroin zurück. „Wir haben es geraucht.“ Was das für ein Gefühl ist? Der 47-Jährige überlegt. Nicht wie Alkohol. „Man fühlt sich total leicht. Keiner kann einem was und die anderen bekommen nichts mit.“ Svenja stimmt zu, „mit Heroin hast Du das Gefühl, jedes Problem hinzubekommen.“ Das trügt.
Die Sucht sitzt auch im Kopf - drei Jahre an das Heroin gedacht
Frank kam zur Bundeswehr, flog raus. Seine Abfindung ging für Drogen drauf, er verlegte sich auf Ladendiebstähle. 1997 der Absturz: drei Jahre Haft. „Das war der kalte Entzug“, sagt er. Und: „Wäre ich nicht ins Gefängnis gekommen, ich würde nicht mehr leben.“ Von der alten Clique sind fast alle tot. Trotzdem: Drei Jahre lang hatte er die paar Gramm Heroin im Kopf, die er vor der Haft versteckt hatte. „Gleich am ersten Tag habe ich sie genommen. Das ist so blöd gewesen.“
Es ging weiter wie zuvor. Dann starb sein Vater. „Ich musste mich um meine Mutter kümmern. Ich ging in ein Programm.“ Heute pflegt Frank die Seniorin. Eine Ausbildung hat er nicht und keine Arbeit. Aber Methadon, das ihn am Leben erhält.
Für Süchtige und ihre Berater ist es schwierig, dass nur ein Arzt bereit ist zu helfen. Wefelnberg tut das in seiner Praxis in Hünxe, aber auch in der Ausgabestelle Korbmacherstraße, die täglich von 7.30 bis 8.15 Uhr öffnet. Die Substituierten werden auf Alkohol oder Beikonsum getestet – beides Ausschlusskriterien. Doch die Ausgabestelle hat Nachteile: Die Szene, aus der sich manche verzweifelt befreien wollen, trifft unweigerlich aufeinander. Mancher fährt nach Oberhausen oder anderswohin, um das zu vermeiden.
„Wir brauchen mehr Hausärzte, die substituieren“, sagt Martin Peukert. Dr. Michael Wefelnberg erklärt auf Anfrage, warum es ihm so wenige Ärzte gleich tun: „es ist ein erheblicher rechtlicher und organisatorischer Aufwand und es bedarf eines eingespielten Teams“, sagt er. „Man steht immer mit einem Bein im Knast.“ Kleine Fehler könnten zu drastischen Sanktionen führen.