Schermbeck. Der 68-Jährige Erhard Jung aus Moers hat einige Jahre auf der Straße gelebt, bevor er im Schermbecker Lühlerheim ein neues Zuhause gefunden hat.
Wohnungslose Menschen sind von multiplen sozialen, physischen und psychischen Problemen betroffen. Ihr Leben ist aus den Fugen geraten. Es fehlt an Geld, einem Zuhause, sozialen Kontakten– und an einer Idee, wie es weitergehen soll.
So erging es auch dem 68-jährigen Erhard Jung aus Moers , der seit dem Jahr 2018 im Lühlerheim in Schermbeck lebt und sich bereit erklärt hat, zu erzählen, warum er auf seinem Lebensweg den Anschluss an ein geordnetes Leben verloren hat. Bevor er auf Lühlerheim ein neues Zuhause fand, hat er zwei Winter auf der Straße gelebt und auch in Duisburger Einrichtungen , berichtet Jung.
Mit sinnierendem Blick in die Ferne erzählt er von seinem Leben, in dem er sicherlich nicht unbedingt der angepasste Typ gewesen ist. Seine Wucht des Schicksals beschreibt er zunächst ganz kurz „Alkohol, Job weg, Frau weg, Wohnung weg - Feierabend“.
Aber da gab es natürlich auch Schicksalsschläge, die sich aneinanderreihten, mit denen Erhard Jung nicht fertig wurde, durch die er in ein Hamsterrad geriet- bei denen er Hilfe benötigt hätte.
Zwischendurch wollte er sein Abi nachholen
Aufgewachsen ist er in Minden-Lübbecke mit einem Bruder und einer Schwester. Jung hat den Beruf des Feinmechanikers gelernt. Verheiratet war er nicht, habe aber mehr als 30 Jahre mit seiner Lebensgefährtin zusammengelebt.
Er habe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein gutes Leben gehabt, Geld sei immer da gewesen. Aber in ihm steckte auch eine gewisse Unruhe, so dass er immer mal wieder für eine Woche oder zwei verschwand, zu Kumpels um ausschweifende Partys zu feiern. Das belastete die Beziehung natürlich.
Zwischendurch habe er nochmal versucht das Abitur nachzuholen. Geschichte und Philosophie wollte er studieren. Aber: „Schule und Beruf das habe ich nicht hinbekommen“, bedauert er im Rückblick .
In einem Jahr beide Geschwister verloren
Im Jahr 1991 verlor er dann innerhalb eines Jahres beide Geschwister. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen, mich depressiv werden lassen“, sagte er. „Mir war alles egal“, schätzt er seine damalige Situation ein.
1993 dann geriet er auf einem Bahnhof unter einen anfahrenden Zug. Bei Umdrehen nach einem Bekannten sei er gestolpert, ins Gleisbett gefallen und dann im Krankenhaus ohne Arm wieder erwacht. Der rechte war es. Jung scherzt „ich mach jetzt alles mit links“.
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Eine Umschulung in Folge des Unfalls zum Industriekaufmann habe er im Jahr 2001 noch mit gutem Erfolg absolviert. Danach habe die Abwärtsspirale irgendwie ihren Lauf genommen. Arbeitslosigkeit, Alkohol er habe keine Post mehr geöffnet, Fristen verpasst, Schulden aufgebaut.
Mit Gelegenheitsjobs habe er sich über Wasser gehalten. „Ich hatte trotz einiger lichter Momente irgendwie keinen Antrieb mehr“. Er zahlte die Miete nicht und stand auf der Straße. Jung erinnert sich: „Am Morgen der Räumung bin ich noch vor dem Termin abgehauen“.
Der große Wunsch bleibt die eigene Wohnung
Er habe in Duisburg in einer ähnlichen Einrichtung gelebt, oder tageweise bei Kumpels, aber im Winter sei er mit seinem Schlafsack auf die Straße. Im Jahr 2018 habe ihn das Sozialamt in Moers ins Lühlerheim vermittelt. Hier lebt er jetzt in einem Zimmer mit eigenem Bad, arbeitet drei Stunden am Tag und baut gerade mit Pfarrer Herzog eine Musikgruppe auf. Das gefällt ihm.
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Fünf Instrumentalisten sind sie und sechs Sänger, die sich als Musikrichtung den Blues ausgesucht haben. Erhard Jung spielt mit seiner einen Hand Orgel, was ganz gut klappt „Mal schauen was daraus wird“, zeigt er sich hoffnungsfroh.
Bleiben möchte er auf Lühlerheim nicht. Sein großer Wunsch ist es, wieder eine eigene kleine Wohnung zu finden. Er sagt: „Ich kann auch mit einer Hand alles selber machen, putzen und eine Rente beziehe ich auch.“ Viel Hoffnung habe er aber nicht. „Wenn du einmal in so einer Einrichtung wohnst, nimmt dich doch keiner.“