Schermbeck. Das Bürgerforum Gahlen kritisiert beim Umgang mit der Wölfin Gloria das Lanuv und auch das Umweltministerium ungewöhnlich scharf.

Vor mehr als zwei Jahren ist die Wölfin Gloria (GW954f) im Wolfsgebiet Schermbeck sesshaft geworden. Seitdem ist das Lanuv für das Wolfsmonitoring in NRW zuständig. „Es wurde immer noch nicht offiziell festgestellt, wie die Wölfin seitdem bei den Tierhaltern den (empfohlenen) Herdenschutz überwindet, erklärt das Gahlener Bürgerfoum (GBF) jetzt. Laut deren Datenbank (www.wolfskarte-gahlen.de) seien 51 Risse von Gloria zu verzeichnen.

„Für 100 unmittelbar getötete Nutztiere und für 40 weitere, die nachträglich aufgrund ihrer Verletzungen getötet werden mussten, ist die Wölfin verantwortlich. Wir gehen dabei davon aus, dass auch die letzten Risse auf ihr Konto gehen.

Gerade die verletzten Tiere, die nach den Übergriffen eingeschläfert werden mussten, mussten besondere Qualen erleiden. Es ist schrecklich mit ansehen zu müssen, wenn ein Schaf nach einem Kehlbiss nicht mehr richtig atmen kann und sich regelrecht zu einem Ballon aufbläht, berichtet GBF-Sprecher Jürgen Höchst.

Schäferhund Phoebe von der Landschäferei Tiemann überspringt am 27. August 2020 als Vorführung in Schermbeck mit Leichtigkeit einen Elektrozaun.
Schäferhund Phoebe von der Landschäferei Tiemann überspringt am 27. August 2020 als Vorführung in Schermbeck mit Leichtigkeit einen Elektrozaun. © FFS | Arnulf Stoffel

Auch das Lanuv und NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hätten dazu beigetragen, indem sie die Tierquälerei nicht rechtzeitig unterbunden hätten. Höchst: „Die Umweltministerin ist für den Tierschutz aller Tiere zuständig, nicht nur für den des Wolfes.“ Sie habe es „anhaltend unterlassen, geeignete Maßnahmen gegen die grausame Tötung von Weidetieren durch Wölfe zu ergreifen“. Damit liege ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz nahe, so das Bürgerforum aus Gahlen.

Wie hoch springt ein Wolf?

Die Umweltministerin sei bis vor kurzem noch davon ausgegangen, dass ein Wolf überhaupt nicht springt, erklärt Höchst: „Anlässlich eines Runden Tisches in Düsseldorf am 13. Januar, an dem auch Vertreter der von Umweltorganisationen, wie BUND und Nabu sowie Schafshalter teilnahmen, äußerte sie sich wie folgt: ,Wir haben aber die ganze Zeit als Land NRW gesagt, der kann nicht springen – wurde mir immer von meinen Fachleuten gesagt.’“

Irritation beim Gespräch mit Experten?

Sowohl Wolfsbefürworter als auch -gegner hätten sich in diesem Moment erstaunt angeschaut, ergänzt Höchst.

Lanuv informierte im Oktober .2018 an der Wiese Rittmann, Elsenweg in Schermbeck-Gahlen über Maßnahmen zum Thema Wolf. Schafhalter Christiane und Joans Rittman sichern ihre Schaafe mit einem neuen Elektrozaun. Hier messen sie die Spannung.
Lanuv informierte im Oktober .2018 an der Wiese Rittmann, Elsenweg in Schermbeck-Gahlen über Maßnahmen zum Thema Wolf. Schafhalter Christiane und Joans Rittman sichern ihre Schaafe mit einem neuen Elektrozaun. Hier messen sie die Spannung. © FFS | Erwin Pottgiesser

Der Sprecher der Bürgerforums fügt hinzu:
„Nach den wissenschaftlichen Auswertungen des Lanuv ist die Wölfin GW954f bisher noch gar nicht über die magische Höhe von 1,20 Meter gesprungen, weil der bildliche Nachweis fehlt. Die Wölfin hat bei der ihr zugeordneten Rissereignissen jeweils stromführende Zäune zwischen 90 und 1,20 Meter oder mittlerweile sogar noch höher überwunden.“

Erlerntes und gefestigtes Jagdverhalten?

Und weiter: „Dies rechtfertigt zunächst die Annahme, dass das Überwinden derartiger Schutzzäune zu ihrem erlernten und gefestigten Jagdverhalten gehört. Bisher wurden im Übrigen nirgends Untergrabespuren gefunden.“

„Die Zäune waren meistens in der Fläche intakt, sodass denklogisch nur ein Überspringen möglich war und ist. Insgesamt muss man aufgrund der gemachten Erfahrungen mit den Lanuv-Mitarbeitern zu dem Ergebnis kommen, dass diese in ihrem Elfenbeinturm sitzen, ihre eigene Logik haben und diese leider ihr Silodenken konsequent verfolgen.“

Man bestätige nur dann etwas, wenn die gegenteilige Auffassung definitiv nicht mehr verneint werden könne.

Jürgen Höchst aus Gahlen ist wütend.
Jürgen Höchst aus Gahlen ist wütend. © FFS | Konrad Flintrop

Höchst: „Eine objektive Beweisführung setzt aber schon früher an und kann auch schon früher zu tragfähigen und auch zu gerichtsfesten Entscheidungen führen. Die Ministerin hatte bei der von der SPD beantragten aktuellen Viertelstunde im Umweltausschuss des Landtags wohl auch kundgetan, dass die ehrenamtlichen Wolfsberater nur ungern zu uns ins Schermbecker Wolfsgebiet kommen. Das mag sicher bei dem einen oder anderen Berater so sein, denn wir sind aufgrund der gemachten Erfahrungen mit den Behörden sehr kritisch und gucken ganz genau hin. Das mag niemand gerne – ist aber leider unumgänglich. Und wenn die Ministerin sagt, dass es diese Kommunikationsprobleme nur im Schermbecker Wolfsgebiet gibt, ja, da hat sie sicher recht, weil auch nur wir eine Problemwölfin haben!“

Mehrfach hätten Leitungsorgane des Lanuv medienwirksam betont, wie wichtig Kooperation mit betroffenen Bürgern sowie Aufklärung der Öffentlichkeit für das Wolfsmanagement in NRW sind.

Dazu Jürgen Höchst: „Wie diese Kooperation dann im Detail aussieht, haben Betroffene und Mitglieder des Gahlener Bürgerforums dann erfahren. Das Lanuv betreibt hier reine Einbahnstraßenpolitik. Informationen der Bürger, die an das Lanuv herangetragen werden, werden zwar zur Kenntnis genommen, wichtige Hinweise zum Vorhandensein eines weiteren Wolfs sowie zur korrekten Rissbewertung werden allerdings vollkommen ignoriert. Um mit einem Märchen an dieser Stelle aufzuräumen: Das Lanuv teilte im Mai mit, dass „neben der ortstreuen Wölfin GW954f seit April das Vorkommen eines weiteren männlichen Wolfes mit der Kennung GW1587m im Wolfsgebiet Schermbeck bestätigt werden kann. Bereits am 01.01.2020 wurden am Gahlener Mühlenberg zwei erwachsene Wölfe gesehen; dies wurde dem Lanuv auch am 08.01.2020 gemeldet. Spricht man Lanuv-Mitarbeiter darauf an, warum man diesen Hinweis nicht entsprechend gewürdigt hat, heißt es: Wir bekommen so viele Meldungen. So sieht also das „intensivierte“ Wolfsmonitoring aus?“