Wesel. Zum Vortrag des Grünen-Fraktionschefs Hofreiter über Klima- und Artenschutz kamen auch viele Landwirte. Sie fühlen sich zu Unrecht angeprangert.

In diesem Wahlkampf sind Veranstaltungen mit Unterstützung prominenter Landes- oder Bundespolitiker eher rar – die Grünen haben es dennoch geschafft, den Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Anton Hofreiter nach Wesel zu holen. Unter freiem Himmel in der Naturarena des Nabu wurde es am Montagabend allerdings voller als gedacht. Zu den 100 bis 150 Besuchern zählte auch eine größere Gruppe Landwirte, die mit ihren Traktoren angereist waren, um mit dem bayrischen Bundespolitiker ihre Sicht der Dinge zum Thema Art- und Umweltschutz zu diskutieren – teils auch lautstark und emotional.

Denn, so wurde schon bei der anfänglichen Führung über das Gelände mit Gregor Alms von Nabu deutlich, die Landwirte fühlen sich von den Grünen zu Unrecht an den Pranger gestellt. Etwa durch die Diskussion über zu viel Gülle auf den Feldern und das Insektensterben. „Es wird immer nur gegen Landwirte gesprochen“ schimpfte ein Zuhörer schon während des Besichtigung des 8000 Quadratmeter großen Geländes mit seinen insekten- und amphibienfreundlichen Gärten und Teichen.

Bauern üben Kritik an Wahlwerbung der Grünen

Grüne Wahlwerbung stößt den Bauern sauer auf, der angebliche Glyphosateinsatz beim Kartoffelanbau zum Beispiel, wie Rüdiger Neuenhoff aus Hamminkeln der NRZ erklärte. Denn das umstrittene Herbizid komme beim Kartoffelanbau gar nicht zum Einsatz.

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Bürgermeisterkandidat Ulrich Gorris warb zu Beginn des Vortrags von Anton Hofreiter um Sachlichkeit: „Lasst uns ruhig miteinander reden, mit Streit gewinnt niemand“. Grüne und Landwirte müssten in einem Boot sitzen, betonte er und dass er sich freue über den Besuch der Landwirte. Hofreiter warnte anschließend davor, den Klimawandel und die drohende „sechste Aussterbekatastrophe“ zu ignorieren: „Der Realität ist es wurscht, ob ihr an sie glaubt oder nicht.“ Für den Biologen, der beruflich zur Artenvielfalt geforscht hat, ist es notwendig, nicht füllbare Lücken zum Ökosystem zu verhindern. „Wenn wir zu viele Knoten aus dem Netz herausschneiden, reißt das Netz.“

Anton Hofreiter zeigt Verständnis für Frust der Bauern

Seine Forderung: Die drastische Reduzierung fossiler Brennstoffe, Busse und Bahnen zu stärken, erneuerbare Energien fördern. Aber auch Veränderungen in der Landwirtschaft sind notwendig, denn Pestizid- und Düngereinsatz sorgen für einen erheblichen Artenverlust, so Hofreiter. Er zeigte auch Verständnis für den Frust der Bauern: „Ihr steht ökonomisch mit dem Rücken zur Wand. Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, will man das nicht hören“. Unter Druck geraten die Bauern zum Beispiel durch die Macht weniger Discounterriesen bei der Preisgestaltung. Hier müsse das Kartellrecht geändert werden. Ebenfalls müsse das Mercosur-Feihandelsabkommen verhindert werden, es sorge dafür, dass billiges Fleisch aus Südamerika auf die deutschen Märkte gelangt.

Viele Landwirte waren mit dem Traktor nach Bislich gekommen.
Viele Landwirte waren mit dem Traktor nach Bislich gekommen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Hofreiter warb dafür, Gesetze zu ändern, Rahmenbedingungen auch für die Landwirte zu verbessern, um Klimawandel und Artensterben zu bremsen. „Die Probleme lassen sich in den Griff kriegen. Sie sind von Menschen geschaffen und auch von Menschen abstellbar.“ Das fange auf kommunaler Ebene an.

Wer ist verantwortlich für das Artensterben?

Aber sind wirklich die Bauern in erster Linie verantwortlich für den Artenschwund? Ein Landwirt verwies auf die enorme Flächenversiegelung durch Bauprojekte. „Das Insektensterben ist nicht nur den Bauern zuzuschreiben.“ Ein anderer verwies auf die gute CO2-Bilanz seiner Milch, „wir stehen besser da als ein Biobetrieb.“

Land- und Forstwirtschaft, entgegnete Hofreiter, seien tatsächlich nicht alleine, aber in der Hauptsache für das Artensterben verantwortlich, „schon wegen der großen Flächen“. Erst dann kämen an dritter Stelle die Verkehrsflächen. Man müsse die Realität anerkennen, aber auch die Zwänge der Landwirte ändern. „Wen wir regieren, dann kriegt ihr eure Lösungen“, rief er den Bauern auf die Frage zu, ob er Lösungen parat habe.

Die zunehmende Dunkelheit auf dem unbeleuchteten Gelände setzte der Diskussion ein Ende, aber sie könne ja mit den lokalen Politikern vor Ort fortgesetzt werden, sagte Ulrich Gorris abschließend. Dass es Gesprächsstoff gibt, zeigt das Fazit einiger Landwirte am Ausgang: „Überzeugt hat uns das nicht.“