Wesel. Der 58 Jahre alte Lehrer tritt am 13. September für Bündnis 90/Die Grünen an. Wir trafen uns an seinem Lieblingsort und stellten ihm acht Fragen.
Wenn Ulrich Gorris zur Stadtmitte möchte, dann zieht er die Badehose an, springt in den Auesee und schwimmt etwa 600 Meter bis zur gelben Boje. Dort sei nämlich der Mittelpunkt Wesels, die Stadtmitte also, sagt der Bürgermeisterkandidat von Bündnis 90/Die Grünen.
Der 58-Jährige ist Triathlet - als Entspannung vom vielen Sitzen. Und so könnte man ihn momentan vier-, fünfmal in der Woche am Auesee treffen, wo er schwimmt, läuft und radelt.
Neoprenanzug im Frühjahr
Gerne kommt er am frühen Morgen vorbei, aber auch nach langen Sitzungen im Rathaus versucht der Lehrer, der seit 1984 Grünen-Mitglied ist, wenigstens noch einmal eine kurze Runde im Wasser zu drehen. Außerhalb der Sommermonate benutzt er einen Neopren-Anzug, denn er versucht immer zwischen dem Geburtstag seiner Frau am 27. April und dem Geburtstag seiner Mutter am 16. Oktober dem beliebten See einen Besuch abzustatten. Er ist sein Lieblingsort in Wesel.
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Sport hat das WTV-Urgestein schon immer gemacht. Erst Leichtathletik, später auch als Trainer, dann Handball und erneut als Trainer, nun also seit fast 20 Jahren Triathlon, „wo die Knochen nicht mehr so mitmachen“, wie er selbst sagt. Sonntags fährt er gern mit dem Fahrrad nach Rees und zurück, um anschließend einmal um den Auesee zu laufen.
Xanten-Triathlon gewonnen
Vor zwei, drei Jahren hat er den Triathlon in Xanten in seiner Altersklasse gewonnen. In diesem Jahr wäre er gern in Bonn gestartet, doch Corona hat einen Strich durch die Absicht gemacht.
Mit dem Fahrrad ist Ulrich Gorris so gut wie immer unterwegs. Deshalb hat er drei zur Auswahl. Ein Rennrad, ein Mountainbike und ein Tourenrad. Geht es weiter weg, wird der Zug genommen. Und nur wenn es ganz eng getaktete Termine gibt oder stark regnet, steigt auch Ulrich Gorris schon einmal ins Auto.
Mit Blick auf die Kommunalwahl am 13. September haben wir ihm acht Fragen gestellt:
Warum glauben Sie, dass Sie der Richtige für das Amt des Bürgermeisters sind?
Digitalisierung und Klimawandel werden unser Leben und unsere Wirtschaft in den kommenden Jahren stark verändern. Ich will Wesel grüner, nachhaltiger und zukunftsfähiger gestalten. Dafür habe ich die richtigen Konzepte.
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Welches Thema würden Sie als Erstes angehen, wenn Sie Bürgermeister werden?
Ich würde eine zentrale Forderung der Fridays for Future umsetzen, alle städtischen Entscheidungen auf ihre Klimawirkungen überprüfen zu lassen. Die jeweils klimafreundlichere Variante wird bevorzugt.
Wenn die Südumgehung 2025 fertig ist, wird es in der Stadt weniger Verkehr geben. Eine Entlastung der B8 sowie der Schermbecker Landstraße ist aber nicht zu erwarten. Was ist zu tun?
Unsere Mobilität muss grundsätzlich neu gedacht werden. Genau wie es uns gelingt, den fossilen Energieverbrauch vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln, müssen wir auch unseren Wohlstand von immer mehr Autoverkehr abkoppeln. Das Fahrrad muss der Standard in der Stadt werden. Wir müssen ein zuverlässiges und preisgünstiges Stadtbussystem entwickeln. Bahnstrecken wie die Walsum-Bahn können reaktiviert und eine Strecke in Richtung Münster neu angelegt werden. Durch die Ausweitung von Homeoffice wird der Berufsverkehr zurückgehen. Die Digitalisierung der Mobilität unter dem Stichwort Multimodalität wird Autoverkehr weiter reduzieren. Wir Grünen werden keinem weiteren Flächenverbrauch für Umgehungsstraßen oder Straßenausbau zustimmen.
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Die Weseler Schulen sind gut aufgestellt, heißt es immer wieder. Oder gibt es doch das eine oder andere Manko? Und kann sich eine Stadt wie Wesel das fast 100 Millionen Euro umfassende Sanierungspaket überhaupt leisten?
Mit dem Investitionsprogramm für Schulen bringt Wesel die Bildungschancen unserer Kinder voran und setzt Maßstäbe im Klimaschutz. Die Neubauten werden klimaneutral oder als Plusenergiehäuser geplant. Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten bezogen auf seine Wirtschaftsleistung viel zu wenig in Bildung investiert. In das 100-Mio-€-Paket fließen zahlreiche Landes- und Bundesprogramme ein. Wichtig ist es jetzt auch, sehr schnell die digitale Ausstattung der Schulen, vor allem die Breitbandanschlüsse und die WLan-Netze zu optimieren.
Rund um die Aue gibt es viele Möglichkeiten der stillen Erholung. Müsste Wesel noch andere Angebote für Bürger und Gäste schaffen? Und wenn ja, welche?
Viele Weseler lieben gerade am Rhein und am Auesee die ruhige Erholung. Der neue Biergarten ist eine Bereicherung. Das Kombibad wird ein Anziehungspunkt werden. Ich würde mir wünschen, dass ein Jugendparlament an Entscheidungen über Freizeitangebote für junge Menschen beteiligt wird. Am Auesee selbst brauchen wir auf jeden Fall mehr schattenspendende Bäume und eine schöne kleine Gastronomie.
Der Handel im Internet macht den Geschäftsleuten immer mehr zu schaffen. Was ist dringend nötig, damit die Innenstadt nicht verödet? Und was passiert, wenn der Kaufhof – zum Beispiel wegen hoher Mietforderungen – doch noch die Hansestadt verlässt?
Die Stadt kann die Digitalisierung vor allem kleinerer Einzelhändler unterstützen. Über das Stadtmarketing können regionale Werbekampagnen und ein Lieferservicesystem, am liebsten mit Elektrolastenrädern, gefördert werden. Wir können dafür sorgen, dass Kunden leicht auch mit dem Rad oder Bus in die Stadt kommen und sich wohl fühlen. Lokal gebundene Vermieter sind häufig stärker am Wohlergehen der Stadt interessiert und haben in der Coronakrise Mieten reduziert oder gestundet. Auf Großinvestoren haben wir als Stadt leider nur wenig Einfluss.
Es gibt immer mehr Singlehaushalte und ältere Menschen – ist Wesel hier gut aufgestellt? Reichen die Angebote in der Kreisstadt für eine immer älter werdende Gesellschaft aus? Was muss unbedingt getan werden?
Einer meiner ersten Anträge im Stadtrat lautete „Jung kauft Alt“. Dabei ging es darum, den Übergabeprozess großer Immobilien von Senioren an junge Familien durch Beratung und Unterstützung zu begleiten. Die Stadt muss verstärkt bei Bauvorhaben eine Quote für sozial gebundene und seniorengerechte, barrierefreie Wohnungen vorgeben. In allen Stadtteilen muss Wohnraum für ältere Menschen geschaffen werden, damit diese in ihrem sozialen Umfeld bleiben können, so wie das zurzeit in Flüren und Büderich angedacht wird. Ein wichtiger städtischer Akteur ist unser Bauverein, der im Bereich Renovierung gute Arbeit leistet.
Schließt die Schule, stirbt das Dorf, heißt es. Was ist nötig, um das Leben in Wesels Dörfern besonders für junge Familien attraktiv zu machen?
Zunehmendes Homeoffice macht es für junge Familien immer interessanter auf dem Land zu leben. Vor allem müssen KiTas und Grundschulen in den Orten gehalten werden. Dazu kommt eine zuverlässige, möglichst dicht getaktete Busanbindung. In Wesels Dörfern ist der soziale Zusammenhalt oft stärker sichtbar als in der Stadt. Das zeigen tolle Projekte, wie die Dorfschule Ginderich, die Fähre und das Dorfmuseum in Bislich und die vielen Sport- und Kulturvereine.