Am Niederrhein. Pflegende, Behinderte und arme Familien seien im Kreis Wesel allein gelassen worden. Auch der Kreis Kleve bleibe Antworten schuldig.

Kritisch betrachtet der Sozialverband VdK Niederrhein die Sozialbilanz in der Coronazeit – und dass die Kreise Wesel, Kleve und die Stadt Duisburg genau genommen keine gezogen haben. 15 Fragen hatte der Vdk an die Landräte und den Oberbürgermeister geschickt.

„Wir sind da ein bisschen fassungslos“, fasst Vorsitzender Horst Vöge die Resonanz zusammen. Man habe dafür keine Zeit, der Klever Landrat Wolfgang Spreen empfahl dem VdK zur Kreistagssitzung zu kommen, da könne man auch etwas erfahren.

Der Weseler Landrat Dr. Ansgar Müller ließ wissen, dass man perspektivisch dran sei, auch in Duisburg wurden die Fragen nicht beantwortet, es gibt aber eine Zusage, sich nach den Sommerferien darum zu kümmern, immerhin. „Ich frage mich, wann Landrat Müller die Antworten angeht – im Oktober, wenn er nicht mehr im Amt ist?“, so Horst Vöge bissig.

Pflegende Angehörige wurden im Stich gelassen

„Es hat im Kreis Wesel 3164 Fälle häuslicher Quarantäne gegeben, das hat doch Auswirkungen auf die Bevölkerung“, so Vöge. Die Verwaltung sei weder bürgernah noch transparent. Der VdK hatte Fragen unter anderem zu den Maßnahmen, zur Situation in kritischen Einrichtungen, der des Personals, Schutz und Hygiene gestellt.

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Wie war und ist die Situation der Pflegebedürftigen? 66.000 davon gibt es im Kreis Wesel, 16.000 davon stationär. Und werden in den Krankenhäusern die Krebs- und Herz-Kreislauf-Patienten noch ausreichend behandelt? Fragen, auf die der Sozialverband Antworten fordert.

36.000 Menschen im Kreis Wesel werden zuhause gepflegt, es gab zeitweise keine Kurzzeit- oder Tagespflege. „Das bedeutet: Die Pflegenden standen vor der Wahl, zuhause zu bleiben oder ihre Angehörigen zu vernachlässigen“, sagt Vöge: Man habe sie im Stich gelassen.

Arme Kinder sind in der Pandemie die Verlierer

Auch das Armutsrisiko beschäftigt den Verband: 19,8 Prozent der Menschen zwischen 15 und 25 Jahren seien von Armut bedroht, sie verdienen weniger als der Durchschnitt (der liegt aktuell bei 968 Euro). „Es geht meist um Hartz IV-Haushalte, für die Kinder gilt wohl der Spruch ‘Einmal Hartz IV immer Hartz IV’“, so Vöge.

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Sie seien in der Pandemiezeit besonders benachteiligt. „Wenn das Kind einer Alleinerziehenden ein Pad benötigt und die Frau dann zu hören bekommt, es müsse aber ein Apple sein, kann sie das nicht bezahlen“, nennt er ein Beispiel aus dem Alltag.

Behinderte Kinder in den Förderschulen des Kreises und ihre Eltern seien ebenfalls allein gelassen worden. „Der Fokus lag auf den Berufsschulen und den Abschlussklassen“, so die Kritik. Mit Blick auf eine mögliche zweite Corona-Welle könne man sich nicht endlos Zeit mit Antworten nehmen.

Der VdK bietet wieder persönliche Beratung an: Mit Termin und Maske

Zwei Monate lang war für den VdK ein direkter Kontakt mit den Mitgliedern unmöglich. Seit Mitte Mai gibt es wieder Sprechstunden mit Terminabsprache.

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13.156 Mitglieder zählt der VdK im Kreis Wesel, 8267 im Kreis Kleve und 8.380 in Duisburg. Es gibt noch 52 Ortsverbände insgesamt, drei lösten sich im vergangenen Jahr auf, darunter Wertherbruch-Loikum und ein kleiner in Moers. Das Problem sei, so Geschäftsführerin Svenja Weuster, Ehrenamtler zu finden.