Wesel. Es gibt Orte in Wesel, an denen sich viele Menschen unsicher fühlen – das ergab unsere Umfrage. Geht die Angst wirklich mit? Ein Selbstversuch.

Geht es ums Thema Sicherheit, schneiden der Bahnhof und die Innenstadt bei unserer Befragung am schlechtesten ab. Nirgendwo sonst fühlen sich die Weseler abends so unwohl. Aber woher kommt diese Verunsicherung? Ein Selbstversuch soll Antworten liefern.

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„Ich bin jetzt weg. Pass auf, dass du nicht entführt wirst“, scherzt meine Kollegin beim Verlassen der Redaktion. Ich verabschiede mich und werfe einen Blick auf die Uhr: 19.28 Uhr. Noch eine halbe Stunde, dann geht’s los. Bis dahin heißt es – warten.

Handy und Portemonnaie landen zur Sicherheit im Auto

Während ich in Gedanken die Route durchgehe, klingelt mein Handy. „Ich bin jetzt da“, sagt die Stimme am anderen Ende. „Alles klar, ich komme runter“, antworte ich. Unten angelangt, erwartet mich bereits der Fotograf. „Ich bringe noch schnell den Rucksack ins Auto“, sage ich im Vorbeigehen. Auch Handy und Portemonnaie lege ich in den Kofferraum. Angst, sie könnten unterwegs gestohlen werden, habe ich keine. Aber sicher ist sicher.

Ich bin froh, dass mich unser Fotograf bis zum Bahnhof begleitet. So kann ich mich besser darauf einstellen, was mich auf dem Rückweg erwartet. Die anfängliche Skepsis scheint aber unbegründet: Während wir auf Höhe der dm-Filiale die ersten Fotos schießen, werden wir immer wieder von vereinzelten Fußgängern überholt, die wortlos an uns vorbeiziehen. Sogar eine junge Frau mit Kinderwagen kommt uns entgegen. Angst oder Verunsicherung in ihrem Blick? Fehlanzeige!

Wesel: Die Fußgängerzone ist komplett beleuchtet

„Merkwürdig, dass ausgerechnet die gut beleuchteten Orte bei der Umfrage so schlecht abgeschnitten haben“, sagt der Fotograf. Und tatsächlich: Auf der gesamten Strecke gibt es keine Stelle, die in Dunkelheit gehüllt ist. Da lösen selbst der Radfahrer, der sich vor dem Kornbäcker mit einem Feuerzeug ein Wegbier öffnet, oder die Gruppe Jugendlicher, die sich an einer Bank vor dem Bahnhofseingang lachend über einen Handybildschirm beugt, kein Unbehagen in mir aus. Ob das auf dem Rückweg noch genauso sein wird?

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Am Bahnhof angelangt, trennen sich unsere Wege. Von jetzt an bin ich auf mich allein gestellt. Kein Problem: Vier Jahre lang bin ich während meines Studiums zwischen Duisburg und Köln hin und hergependelt – ob früh morgens oder spät abends. Da sollte der Bahnhof in Wesel doch ein Leichtes sein. Zugegeben: Wirklich einladend sieht der Eingangsbereich mit der zersplitterten Glastür nicht aus. Aber welcher Bahnhof kann das schon von sich behaupten.

Bahnhof Wesel: Pendler warten wortlos auf ihren Regionalexpress

Auf Gleis 5 angekommen, erkenne ich vertraute Verhaltensmuster: Eine junge Frau tippt auf ihrem Smartphone, das Gesicht bis unter die Nase in ihre grüne Winterjacke gehüllt. Fünf Meter weiter steht eine Frau mit Kopfhörern in den Ohren. Daneben sitzt ein Mann, den Blick starr auf die Anzeigetafel gerichtet. Hier will offenbar jeder für sich allein sein – und möglichst ungestört auf den Regionalexpress in Richtung Bocholt warten.

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Ich drehe mich um und verlasse das Bahnhofsgelände. Die Gruppe Jugendlicher ist mittlerweile von fünf auf sieben Personen angewachsen. Die jungen Männer unterhalten sich und schenken mir keinerlei Beachtung. Wirklich bedrohlich wirken sie nicht – trotzdem laufe ich einen kleinen Bogen.

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Auch auf dem restlichen Weg durch die Innenstadt kommt es nur selten zu Blickkontakt mit anderen Passanten. Frauen, die alleine durch die Fußgängerzone laufen, treffe ich eher selten an. Vor Memos Dönerladen kommt mir ein älterer Mann mit seinem Hund entgegen. Der kleine Vierbeiner mit braunem, wuscheligem Fell jagt einem Tennisball hinterher. Ich laufe weiter geradeaus, biege einige Schritte später rechts ab in die Schmidtstraße und stehe kurz darauf vor unserer Redaktion. Ziel erreicht, denke ich mir. Und jetzt ab ins warme, vertraute Auto.