Kreis Wesel. Nicht nur ein neu geplantes Windrad in Wesel-Büderich könnte NRWs einziges Seeadler-Brutpaar gefährden. Auch die Altanlagen werden jetzt geprüft.
Ein neues, 200 Meter hohes Windrad am Menzelener See in Büderich ist beantragt – kann das Projekt das einzige in NRW bekannte Seeadler-Brutpaar auf der Bislicher Insel gefährden? Der Naturschutzbeirat des Kreises Wesel sorgt sich um die seltene Art und hat im November mehr Informationen gefordert.
Die liegen nun vor und bringen für die Betreiber eine unangenehme Überraschung: Nicht nur das neue Windrad ist jetzt in der Diskussion. Auch die bereits genehmigten und legal betriebenen Windkraftanlagen Meerfeld, Borth, und zwei Büdericher Windräder stehen jetzt nachträglich auf dem Prüfstand.
Gutachter untersuchen die Gefahr durch Altanlagen
Ihre Betriebszeiten könnten deutlich eingeschränkt werden. Ein Überprüfungsverfahren soll nun eingeleitet werden, Gutachter klären, wie gefährlich die Altanlagen den Seeadlern werden können. Das sei wegen der hohen ökologischen Wertigkeit der Seeadler zwingend erforderlich, argumentiert die Verwaltung.
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Eine komplette Stilllegung der Anlagen stehe nicht im Raum, sagt Klaus Horstmann, Leiter des zuständigen Fachdienstes, auf NRZ-Anfrage. Im für den Betreiber ungünstigsten Fall könnten die Betriebszeiten auf die Nacht reduziert werden. Schon jetzt stehen nachts die Anlagen dann still, wenn die Witterung den Fledermausflug begünstigt – Niederschlag, Temperatur und Windgeschwindigkeit zählen. „Neue Auflagen könnten die Wirtschaftlichkeit der Anlagen beeinträchtigen“, sagt Horstmann.
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Der Kreis Wesel sieht sich für den Schutz des Seeadlers „in gesteigerter Verantwortung“, heißt es in der Vorlage zur nächsten Sitzung des Naturschutzbeirates am 3. Februar. Auch wenn sich eine geschützte Art erst nachträglich im Bereich eines Windrades ansiedelt, hat der Artenschutz rechtlich hohe Priorität.
Bestandsschutz der Betreiber ist kein ausreichendes Argument
Das bedeutet: Die Seeadler können die Genehmigungsvoraussetzungen in Frage stellen. Der Betreiber der Anlagen könne sich dann „nicht pauschal und uneingeschränkt auf ‘Bestandsschutz’ berufen“, sondern lediglich verlangen, dass die Behörde seine Belange sorgfältig abwägt.
„Die Konfliktsituation ist von Amts wegen näher zu erforschen. Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Wir müssen das jetzt anpacken, sonst verletzen wir unsere Amtspflichten“, erläutert Horstmann.
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Der Kreis geht von einen sogenannten „Gefahrenverdacht“ aus, das bedeutet, dass für ihn aktuell die Sachlage noch unklar ist. Es gelte Erkenntnislücken zu schleißen.
Kreis und Landesregierung haben ihr Vorgehen abgestimmt
Die Seeadler genießen eine derart hohe Priorität, dass der Kreis in dieser Angelegenheit mit dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und dem LANUV besprochen hat. Ergebnis: Es handelt sich bei den Seeadlern auf der Bislicher Insel um ein Vorkommen, „das für die Erhaltung der Art von herausragender Bedeutung ist“. Daher sei „von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen“.
Der Kreis müsse ein Fachgutachten mit einer Raumnutzungsanalyse beauftragen. Was das kosten wird, und ob der Betreiber dafür ganz oder teilweise aufkommen muss, ist unklar.
Doch Horstmann hat die Hoffnung, dass sich künftig Klima- und Umweltschutz in solchen Konfliktlagen unter einen Hut bringen lassen. Es gibt eine neue Technik, die den Vogelanflug auf ein Windrad erkennen kann. „Wird beispielsweise die Silhouette eines Seeadlers erkannt, dreht sich die Anlage aus dem Wind.“ Bis dahin gilt es, die seltenen Vögel auf andere Art zu schützen, „wir haben nur dieses eine Brutpaar“.