Zwei junge Seeadler waren Anfang April auf der Bislicher Insel bei Xanten geschlüpft. Sie wurden jetzt beringt und mit GPS-Sendern ausgestattet.

Am Niederrhein. Jeden Tag kann es jetzt soweit sein. Fachleute warten darauf, dass der neuerliche Seeadler-Nachwuchs auf der Bislicher Insel bei Xanten neugierig den Horst verlässt und probeweise in den Ästen des Nistbaumes herumturnt. „Aus Nestlingen werden Ästlinge“, sagt Thomas Kämmerling. Üblicherweise ist es nach 50 Tagen so weit.

Die wichtigste Nachricht: Die beiden Jungadler sind wohlauf und prima entwickelt. „Die Tiere machen einen guten Eindruck, sie scheinen topfit zu sein“, berichtete Kämmerling an diesem Dienstag (18. Juni 2019) im Gespräch mit der Redaktion. Er leitet den Forstbetrieb Ruhr Grün des Regionalverbandes Ruhr (RVR), zu dessen Gebiet die Bislicher Insel gehört.

Das Foto vom 3. Juni zeigt einen der Jungvögel, der gerade mit Sender und Ring ausgestattet wird. Das schon sehr große Tier ist wohlauf. Es drückt sich nur aus einem reinen Schutzreflex heraus auf die Erde.
Das Foto vom 3. Juni zeigt einen der Jungvögel, der gerade mit Sender und Ring ausgestattet wird. Das schon sehr große Tier ist wohlauf. Es drückt sich nur aus einem reinen Schutzreflex heraus auf die Erde. © Ruhr Grün / Kämmerling

Die beiden Jungtiere - ein Weibchen und ein Männchen - waren am 5. April geschlüpft. Es ist der mittlerweile dritte Nachwuchs, seit Seeadler in Nordrhein-Westfalen brüten. Die mächtigen Raubvögel (bis 2,40 Meter Spannweite) sind streng geschützt. Laut Landesumweltamt (Lanuv) ist nirgendwo dokumentiert, „auch in der mittelalterlichen Literatur nicht“, dass Seeadler jemals auf dem Gebiet des heutigen NRW gebrütet hätten. Die Bruterfolge seit dem Jahr 2017 auf der Bislicher Insel gelten deshalb als echtes ökologisches Highlight. Im 19. und 20. Jahrhundert galten Seeadler in großen Teilen Europas als ausgerottet.

In NRW ziehen immer wieder Seeadler durch

Über den Zustand der Jungtiere ist Kämmerling deshalb so gut informiert, weil Ruhr-Grün-Vertreter zusammen mit Lanuv-Experten die Jungtiere am 3. Juni beringt und mit GPS ausgestattet haben. Die Aktion verlief reibungslos. „Nach zwei erfolgreichen Bruten haben wir gedacht, wir können es wagen“, sagte Kämmerling. Seeadler breiten sich seit einiger Zeit wieder in Europa aus, die Vögel haben einen enormen Mobilitätsradius. „Wir wollen wissen, wohin die Jungtiere ziehen“, so der Leiter von Ruhr Grün. Er geht davon aus, dass die beiden Jungvögel Anfang Juli richtig flügge werden und den Horst endgültig verlassen.

Woher die beiden Altvögel der Bislicher Insel stammen, weiß man nicht. „Ein Tier ist unberingt, beim anderen ist der Ring nicht lesbar“, erklärte Michael Jöbges, Vogelschutz-Experte des Lanuv, auf Nachfrage der Redaktion. Die Brut auf der Bislicher Insel ist laut aktuellem Kenntnisstand die nach wie vor einzige im Bundesland. „Es ziehen aber immer Seeadler

durch“, berichtete Jöbges. In den Niederlanden und in Niedersachsen gebe es Bestände. Ein Paar, das im Nachbarbundesland brütet, werde immer wieder auf NRW-Seite in den Weserauen gesichtet.

Seeadler benötigen störungsfreie Brutgebiete

Damit sich Seeadler niederlassen, muss „ein Gebiet störungsfrei sein und über ein entsprechendes Nahrungsangebot verfügen“, erklärt Vogelschutz-Fachmann Michael Jöbges vom Lanuv. Ein Gewässer in der Nähe sei nicht zwingend, ist aber von großem Vorteil. Fische und Wasservögel machen den weitaus größten Teil der Beute aus. Seeadler verschmähen aber auch kleinere Säugetiere wie Kaninchen nicht.

Besuchermagnet für die Bislicher Insel

Bei Ruhr Grün ist man froh und stolz ob der Seeadler. Für die Bislicher Insel und ihr Naturforum haben sich mächtigen Vögel zu einem „Zugpferd“ entwickelt. „Wir merken das an den Besucherzahlen. Die Leute fragen uns auch, was machen die Adler?“, erzählt Betriebsleiter Kämmerling. Von einer Beobachtungshütten aus gebe es auch tatsächlich, gute Chancen einen der Vögel zu erblicken, weil sich einer ihrer Lieblingslandeplätze ganz in der Nähe befindet. Kämmerling betont, dass man aber auch sehr darauf bedacht sei, den Vögeln ein störungsfreie Aufzucht ihrer Jungen zu ermöglichen.