Kreis Wesel. Der Landesentwicklungsplan nimmt den bisherigen Verbrauch von Kies und Sand als künftigen Bedarf. Dagegen wehrt sich der Kreis Wesel.
Der dritte Teil unseres Sommerinterviews mit Landrat Dr. Ansgar Müller beschäftigt sich mit seinem Vorschlag, in Sachen Kiesabbau gegen den Landesentwicklungsplan (LEP) zu klagen.
NRZ: Schon bevor der Landesentwicklungsplan beschlossen war, haben Sie zusammen mit Neukirchen-Vluyn, Rheinberg, Alpen und Kamp-Lintfort vorgeschlagen, gemeinsam mit dem Kreis eine Klage dagegen einzureichen, Thema ist die Kiesgewinnung. Was könnte unter dem Strich für Mensch und Landschaft dabei herauskommen?
Dr. Ansgar Müller: Wir haben die Klage in den Raum gestellt, wir haben aber immer auf Dialog mit dem Land gesetzt. Leider ist der nicht zustande gekommen. Wir verfolgen das Ziel, zu niedrigeren Flächenfestsetzungen zu kommen, unsere Kritik richtet sich konkret gegen die Bedarfsbestimmung. Die Landesregierung, und letztlich durch Beschluss auch der Landtag, bestimmt den Bedarf ausschließlich nach dem Verbrauch der Vergangenheit und sagen dann: Dieses Volumen muss jetzt für 25 Jahre sichergestellt werden. Bisher ging man von 20 Jahren aus. Das führt zu der Notwendigkeit, 300 Hektar zusätzlich im Kreis Wesel auszuweisen, was eine immense Fläche ist.
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Die inhaltliche Kritik an dieser Art der Bedarfsfeststellung liegt zum einen darin, dass es keine Steuerung gibt. Einfach zu sagen, der Verbrauch der Vergangenheit ist auch der Bedarf der Zukunft und wird einfach fortgeschrieben, ist keine Steuerung. Und das, obwohl die Landesregierung selbst in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie auch den schonenden und retardierenden Umgang mit den endlichen Ressourcen propagiert. Konkret beim Thema Bauen will die Landesregierung auch die alternative Verwendung von Recyclingmaterial und Holz als Baustoff forcieren. Dazu passt es nicht, wenn sie sagt: Ja, aber der Kiesverbrauch wird immer der Gleiche sein wie in der Vergangenheit.
NRZ: Was könnte ein Gericht jetzt verändern?
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Müller: Dass diese Festlegung im LEP aufgehoben und für rechtswidrig erklärt wird und dass die Landesregierung und der Landtag dazu verpflichtet werden, hier eine inhaltliche Bedarfsbestimmung vorzunehmen, die auch diese Ziele berücksichtigt. Das ist rechtlich eine sehr parallele Argumentation, aus der das Oberverwaltungsgericht den weiteren Braunkohleabbau am Hambacher Forst gestoppt hat. Da hat das Gericht auch gesagt: Die Begründung ‘wir haben bisher den Strom in diesem Umfang aus Braunkohle gebraucht, deshalb brauchen wir ihn künftig auch’, genügt nicht, um bei so gravierenden Eingriffen in die Natur, Landschaft und Planungsrechte der Kommunen solche Vorhaben zu rechtfertigen. Da muss eine stärkere inhaltliche Begründung her, warum das denn notwendig sein soll und nicht nur einfach eine Fortschreibung der Vergangenheit. Das ist im Grunde der gleiche Gedanke wie beim Kiesabbau.
NRZ: Könnte so ein Urteil auch die Forderung des Kreistages nach einer gesetzlich verankerten Nachweispflicht darüber, wohin der Kies geht, voranbringen? Lässt sich das einklagen oder ist es eine rein politische Forderung?
Müller: Aus unserer Sicht ist es ein rechtlicher Mangel in dieser Bedarfsdefinition, dass die Landesregierung noch nicht einmal sagt, für welches Gebiet sie denn den Bedarf decken will. Will sie den Bedarf an diesen Baustoffen, der in NRW besteht decken oder auch darüber hinaus? Auch im Ausland – die Bürgerinitiativen berichten ja davon, dass der Kies sogar bis ins Mittelmeer transportiert wird? Was heißt denn hier Bedarf? Dazu gibt es überhaupt keine Aussage. Und das ist auch aus Sicht des Universitätsprofessors Kment, den wir mit dem Gutachten beauftragt haben, ein rechtlicher Mangel.
NRZ: Die Regierung kann ja nicht steuern, wohin die Kiesunternehmen ihre Ware verkaufen...
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Müller: Genau, gleichwohl ist es eine Planungsfrage, wieviel Bedarf man annimmt, um diese gravierenden Eingriffe in Natur und Landschaft zu rechtfertigen und man muss sagen, wie man planerisch damit umgeht. Wohin die einzelne Tonne Kies geliefert wird, ist eine andere Frage. Das ist beim Strom genauso. Deutschland plant den Strombedarf fürs eigene Land und trotzdem gibt es Leitungen über die Grenzen, Strom wird ja auch international gehandelt. Das muss man planerisch, aber auch rechtlich voneinander trennen.
NRZ: Sie hatten angeregt, dass der RVR (Regionalverband Ruhr) auch gegen den LEP in dieser Sache klagt. Tut er das inzwischen?
Müller: Das habe ich jetzt, nachdem der Plan verabschiedet ist, nochmal schriftlich als Bitte an den RVR gerichtet, aber es gibt noch keine Entscheidung.
NRZ: Können Sie einschätzen, wie die Chancen dafür stehen? Ist zu befürchten, dass beim RVR dieses niederrheinische Problem keine hohe Priorität hat?
Müller: Das muss man abwarten, darüber möchte ich nicht spekulieren.