Kreis Wesel. Drei bis vier Monate dauert es im Hochbau und Ausbau, bis ein Handwerker einen Auftrag ausführt. Gründe: Auftragsflut und Fachkräftemangel.
Wer derzeit im Kreis Wesel einen Handwerker braucht, der muss sich auf eine lange Wartezeit von 14 bis 15 Wochen einstellen. Nach Worten von Holger Benninghoff, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft des Kreises Wesel, sind viele Betriebe „derzeit sehr gut ausgelastet“. Auf der anderen Seite mangele es am Fachkräfte-Nachwuchs. Besonders lange „Vorlaufzeiten“ müssten Auftraggeber im Hochbau wie auch im Ausbau hinnehmen. Wegen der anhaltenden Niedrig-Zinsphase mit günstigen Baukrediten würden immer mehr Menschen „massiv in Steine investieren“.
Die Auftragsbücher liefen über, Aufträge würden natürlich nicht zurückgewiesen. Benninghoff: „Betriebe mit drei bis 15 Mann sind doch froh über eine hohe betriebliche Auslastung!“ Selbstverständlich würde der Kunde aber über die unvermeidliche Wartezeit genau aufgeklärt.
Viele Betriebe sind überaltert
Der vielfach angekündigte „große Fachkräftemangel“ ist nach Worten von Günter Bode, Kreishandwerksmeister, nun tatsächlich auch im Handwerk des Kreises Wesel angekommen. Bode: „Viele Betriebe sind überaltert und beim Fachkräfte-Nachwuchs fehlt uns eine ganze Generation, nämlich die 28- bis 40-Jährigen.“ Trotzdem funktioniere aber der Markt und das System von Angebot und Nachfrage, sagt Bode. Zudem gebe es mit Blick auf die unterschiedlichen Gewerke im Handwerk deutliche Unterschiede der Wartezeiten. Bei Sanitär-Heizung-Klima, bei Elektro oder in seinem eigenen Gewerk dem des Malers, seien die Vorlaufzeiten geringer als beim Bau.
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Und: „Notfälle werden immer blitzschnell und mit oberster Priorität bearbeitet. Das Loch im Dach wird abgedichtet, auch wenn man derzeit auf einen Dachdecker lange warten muss!“ Allerdings, so räumt Bode ein, würden in diesen angespannten Zeiten Stammkunden klar bevorzugt behandelt. Bode: „Ich schreibe mittlerweile auch gar keine Angebote mehr.“
„Der anhaltende Akademikerwahn heizt das Problem an“
Einerseits seien da die niedrigen Zinsen sowie auch ein großer Renovierungsstau bei der öffentlichen Infrastruktur (Straßen, Brücken, Kanäle, etc) , anderseits sei da der „anhaltende Akademikerwahn“ der jungen Schulabgänger, die lieber zur Uni statt zur Lehre gingen, so Günter Bode. Dieser heize das Problem „lange Wartezeiten“ massiv an.
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Bode: „Wenn, wie vor Jahren, beim doppelten Abitur-Abgangs-Jahrgang im Handwerk praktisch niemand als Bewerber um eine Lehrstelle angekommen ist, dann stimmt doch da was nicht.“ Niemand wolle heute noch Bäcker oder Metzger werden, niemand wolle auf den Bau, trotz Höchst-Vergütung, der Schlosserberuf sei vielen zu dreckig und zu schwer. Dabei könne man als Handwerksmeister sehr gutes Geld verdienen und eine sichere Existenz aufbauen.
30 Prozent weniger Azubis
Von 2008 bis 2016 hat nach Beobachtung von Holger Benninghoff, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft des Kreises Wesel, die Anzahl der Azubis massiv abgenommen: Von 905 Auszubildenden (im 1. Lehrjahr) auf 590 im Jahr 2016. Ein Rückgang von mehr als 30 Prozent. „Ende 2018 zählen wir wieder 642 neu eingetragene Lehrverträge. Wir steigern uns, wir haben aber bei weitem nicht unser altes Niveau erreicht.“