Kreis Wesel. 1044 Ausbildungsplätze sind nicht besetzt, 997 Schulabgänger sind noch ohne Lehrvertrag. Besonders Handwerker im Kreis suchen nach Azubis.

Die ersten Auszubildenden sind in den Beruf gestartet, weitere steigen zum 1. September ein – selbst für diejenigen, die noch keinen Lehrvertrag unterschrieben haben, stehen die Chancen gut, eine „Last-Minute-Lehrstelle“ zu finden. So gut wie schon seit Jahren nicht mehr. 1044 offene Stellen registrierte die Agentur für Arbeit Ende Juli im Kreis Wesel. Demgegenüber stehen 997 Jugendliche, die noch auf der Suche sind. Erstmals gibt es in diesem Jahr mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als Bewerber. „Die Situation hat sich zugunsten der Jugendlichen verbessert“, sagt Sabine Hanzen-Paprotta, Sprecherin der Weseler Arbeitsagentur. Damit liegt der Kreis Wesel im landesweiten Trend.

Gute Chancen haben Schulabgänger im Kreis Wesel zum Beispiel in Berufen wie Fachinformatiker, Hörakustiker oder Augenoptiker – und besonders in handwerklichen Branchen wie Anlagenmechaniker für Sanitärtechnik, Zerspanungsmechaniker, Kraftfahrzeugmechatroniker, Friseur oder Metallbauer oder Tischler. Im Baubereich kommen auf einen Bewerber gar vier offene Ausbildungsstellen. Aber auch in anderen Berufen gibt es offene Stellen, berichtet die Agentursprecherin.

Arbeitsagentur Wesel bietet Hilfe für Azubis mit Problemen

Aber warum haben so viele Lehrherren in Wesel und Umgebung noch keinen passenden Azubi gefunden? Derzeit werden einfach viele Fachkräfte gesucht, erläutert Hanzen-Paprotta. Denn in vielen Betrieben gehen in den kommenden Jahren Mitarbeiter der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Demgegenüber ist die Zahl der Schulabgänger aber rückläufig. Es könne auch daran liegen, dass die Zeugnisnoten Noten des Bewerbers nicht zu den Vorstellungen des potenziellen Lehrbetriebes passen. Daher appelliert die Arbeitsagentur an die Betriebe, sich die Jugendlichen persönlich anzuschauen, zum Beispiel durch „Schnuppertage“, erklärt Hanzen-Paprotta. Denn die Arbeitsagentur bietet und finanziert Unterstützungsangebote wie die Assistierte Ausbildung, damit auch Bewerber mit Problemen eine Lehre bewältigen können.

Kreishandwerkerschaft rät Schulabgängern: Einfach mal im Betrieb fragen

Besonders im Handwerk macht sich das Nachwuchsproblem bemerkbar, bestätigt Holger Benninghoff, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. „Es gibt viele Betriebe, die noch immer Auszubildende suchen.“ Auch er sieht einerseits den demografischen Wandel als Ursache, aber auch die Tatsache, dass viele Jugendliche eher ein Studium anstreben.

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Immerhin: Seit 2017 steigt die Zahl der Auszubildenden im Handwerk im Kreis Wesel wieder, denn die Betriebe kümmern sich intensiver um Nachwuchswerbung. Auch habe sich herumgesprochen, dass die Berufsaussichten im Handwerk gut sind und dass viele Berufe inzwischen hoch technisiert und damit für den Nachwuchs interessanter sind. Die Auftragsbücher der Betriebe sind voll. „Es läuft gut in der Wirtschaft“, so Benninghoff. 520 Auszubildende gibt es im Kreis Wesel derzeit – das sind 70 mehr als vor einem Jahr.

Benninghoffs Tipp: Wer jetzt noch etwas sucht, der sollte doch einfach mal einen Besuch in einem interessanten Betrieb wagen und dort nachfragen. Der Mut imponiere so manchem Chef.

Auch Thorsten Neuenhoff aus Hamminkeln Brünen kennt die Nachwuchssorgen im Handwerk. Er ist Geschäftsführer von „Neuenhoff - Karosserie + Lack“ im Brüner Gewerbegebiet und sucht pro Jahr jeweils einen Auszubildenden als Lackierer und und einen als Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker mit der Fachrichtung Instandhaltung. Doch die Suche ist schwierig. „In diesem Jahr habe ich es noch einigermaßen hinbekommen.“ Aber „adäquate Jungs“ seien mittlerweile Mangelware.

Ausbilder: Weniger Lehrlinge durch Niedergang der Hauptschule

Er ist sich sicher, dass die Lage am Ausbildungsmarkt im Handwerk vor allem mit dem Niedergang der Hauptschule zu tun hat, gerade auf dem Land. „Das war unser Reservoir“, so Neuenhoff. Jungs, die gerne schrauben, sich für technische Abläufe interessieren, anpacken können, seien selten geworden. Und mit dem Aufkommen der Gesamtschule wollten viele Eltern, so seine Einschätzung, dass ihre Kinder lieber die Mittlere Reife oder das Abitur machen, um später beruflich erfolgreich zu sein. „Ich habe selber einen Hauptschulabschluss und wenn ich mir unsere Abschlussklasse ansehe, dann hat die Hälfe davon mittlerweile Führungsaufgaben.“ Er will auch im nächsten Jahr wieder zwei Auszubildende einstellen. Wenn er denn welche findet.

Schulabgänger können sich bei der Arbeitsagentur einen Beratungstermin unter oder www.arbeitsagentur.de/beratungswunsch holen. Die Kreishandwerkerschaft hilft ebenfalls weiter unter . Informationen auch unter www.khwesel.de. Allgemeine Infos zur Jobsuche gibt’s hier: www.dasbringtmichweiter.de

>> 56 freie Stellen in der Ernährungsindustrie im Kreis Wesel

Auch in der Ernährungsindustrie werden noch Auszubildende gesucht. Darauf macht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Nordrhein aufmerksam. Geschäftsführer Hans-Jürgen Hufer appelliert an Jugendliche, sich auch in dieser Branche umzuschauen: „Vom Süßwarentechnologen bis zur Chemielaborantin – die Lebensmittelindustrie bietet hochtechnische Berufe bei überdurchschnittlicher Bezahlung. Im Kreis Wesel haben Firmen jetzt noch 56 freie Plätze für künftige Experten rund ums Essen und Trinken zu vergeben.“

Gelernte Fachkräfte hätten nach der Lehre kaum Probleme, eine Stelle zu finden. Besonders gefragt sei die Fachkraft für Lebensmitteltechnik. Moderne Technologien bieten hier ganz neue Möglichkeiten. Infos gibt es über die Arbeitsagentur.