Wesel. . Vor einhundert Jahren haben die Besitzer auf 1800 Hektar gejagt. Heute ist es weniger Fläche, dafür gibt es viele Tier- und Pflanzenarten
Die kleine Ortschaft Diersfordt hat um die 300 Einwohner, grenzt im Norden unmittelbar an den Diersfordter Wald, der Teil eines der größten Waldkomplexe am Unteren Niederrhein und ein Lebensraum für seltene Pflanzen und Tierarten ist. Im Jahr 1850 ließen die damaligen Schlossherren ein 1800 Hektar großes Wildgatter für die Jagd errichten – heute ist die Fläche mit 350 Hektar um einiges kleiner.
Rot-, Dam- und Muffelwild sind im Gatter heimisch
„Dieser Bereich war damals so etwas wie der größte lebende Kühlschrank“, vermutet Otto Pöll, Leiter des Forstamtes Niederrhein. Die eigentliche Entwicklung des Diersfordter Waldes prägten seit dem späten Mittelalter die Besitzer der einstigen Burganlage, die in dem Gebiet unter anderem das Waidwerk betrieben. Obwohl sich der Wald aufgrund von Klima, Deichbau, Verkehr oder Landwirtschaft im Laufe der Jahrhunderte stark verändert hat, hat er besonders unter den Kriegseinwirkungen gelitten – große Flächen wurden abgeforstet.
Auch interessant
Graf Alexander Stolberg zu Wernigerode ist heute der Besitzer des Waldes und die Familie zuständig für die Jagd. In vier Jahren ändert sich das, dann kauft das Forstamt den Wald. Es hat bereits 2000 die Bewirtschaftung übernommen. Heute fühlen sich Rot-, Dam- und Muffelwild sowie Wildschweine im Gatter heimisch. „Wobei das Schwarzwild, also die Wildschweine, den Zaun überwunden haben und die Felder der Landwirte durchwühlen“, sagt Otto Pöll. Das sorge für großen Ärger. Im Wald richten sie dagegen keinen Schaden an.
Hirschkäfer richtet großen Schaden an
Ganz im Gegensatz zum Hirschkäfer. Das ausgewachsene Tier frisst ein wenig die Bäume an, die Engerlinge, die von den Weibchen am Rand eines Baumstumpfes abgelegt werden, fressen die Wurzeln. „Mittlerweile auch von gesunden Bäumen. Die Massenvermehrung ist so schlimm, dass wir keine Kulturen anpflanzen können“, bedauert der Forstamtsleiter. Einzigartig ist laut Pöll das große Eichenbaumvorkommen. Durch eiszeitliche Ablagerungen entstand ein sandiger, nährstoffarmer Boden, mit dem nur wenige Baumarten zurecht kommen, weshalb auf knapp der Hälfte der Fläche die Stieleiche dominiert.
Auch interessant
Ebenfalls an die Ortschaft grenzt der Diersfordter Waldsee. Dort gibt es allerhand Tiere, wie sechs Möwenarten mit mehr als 100 Brutpaaren, Flussseeschwalben, Eisvögel, Biber, einige hundert Arten Fische, Libellen und Flussuferwolfspinnen. Die Naturdioramen im Eiskeller des Heimatvereins bieten eine gute Übersicht über die heimischen Tierarten. Das Besondere: Vordergrund und gemalter Hintergrund gehen im Auge des Betrachters ineinander über, es wirkt, als ob der ausgestopfte Biber wirklich am Holz nagte.
Bis 2013 könnte der See 300 Hektar groß sein
Der Waldsee ist eine Abgrabung, aus der die Firma Holemans seit 2014 Kies und Sand gewinnt, die Firma Suhrborg tat dies bereits seit 1961. Bis heute sind 230 Hektar Land in Wasser umgewandelt worden, in den nächsten 15 Jahren kommen laut Beate Böckels, die bei Holemans für die Rekultivierung zuständig ist, 40 Hektar hinzu, bis 2030 könnte der See 300 Hektar groß sein.
Für die Kartierung der Pflanzen und Tiere ist die Biologische Station zuständig. Läuft mit der Rekultivierung etwas nicht wie geplant, „dann müssen wir das sofort ändern“, sagt Böckels. Klaus Kretschmer von der Biostation blickt in die Zukunft: „Es findet ein langsamer Wechsel von einem Weichholzauen- zu einem Hartholzwald statt.“ Durch den Eichelhäher gelangen Früchte aus dem Wald in die Nähe des Sees. „Das erleben wir aber wohl nicht mehr“, sagt Kretschmer.
Diersfordt damals und heute