Xanten/Rheinberg. 13,9 Millionen Euro sollten für den Bau von Oberleitungen auf der Strecke des RB 31 veranschlagt sein. Nun rudert das Verkehrsministerium rudert.

Es klang zu schön, um wahr zu sein: Anfang Februar tauchte die Bahnstrecke zwischen Duisburg und Xanten in einer Vorlage des Verkehrsministeriums mit 152 Elektrifizierungsvorhaben auf. 13,9 Millionen Euro waren für den Bau von Oberleitungen für die Linie der Regionalbahn 31 veranschlagt. Doch das Verkehrsministerium ruderte zurück: Alles nur temporäre Überlegungen. „Die Liste wurde extern angefertigt und beinhaltet alle Streckenabschnitte, die in NRW nicht elektrifiziert sind.“ Sie diene zunächst dazu, abzuschätzen, was eine Elektrifizierung aller Strecken in etwa kosten würde, „ohne, dass bereits eine konkrete Förderabsicht vorliegt“, erklärte Dietmar Rosarius, Referatsleiter für den Schienenpersonennahverkehr.

Der für die Linie RB 31 zuständige Verkehrsverbund VRR betont: „Wir haben uns gegen eine Elektrifizierung der Strecke entschieden.“ Und eine Sprecherin des Verkehrsministeriums gibt zu verstehen, dass „der oberleitungsfreie Abschnitt mittels Batterien überbrückt werden kann.“ Tatsächlich ist lediglich der 14 Kilometer lange Teil der Strecke zwischen Millingen und Xanten bisher nicht elektrifiziert.

Schneller beschleunigen

Seit Mai 2018 läuft ein Vergabeverfahren von VRR und NWL (Nahverkehr Westfalen-Lippe) für die Anschaffung von Zügen mit batterie-elektrischem Antrieb. Diese „emissionsfreien Fahrzeuge“ sollen ab 2025 im Niederrhein-Münsterland-Netz, also auch zwischen Duisburg und Xanten eingesetzt werden. Zu diesem Zeitpunkt endet auch der Vertrag des VRR mit der NWB (Nordwestbahn), die die Linie RB 31 seit Ende 2009 betreibt und bisher die Fahrzeuge selbst stellt. Die beiden Aufträge vergibt der VRR erstmals separat: Die Fahrzeuge kommen direkt vom Hersteller und werden von ihm instandgehalten. Der Streckenbetreiber gewährleistet die Fahrten. Wer ab 2025 die Linien RE 10, RE 14, RB 31 und RB 36 fährt, ist noch unklar. Die Ausschreibung des Betriebs soll laut VRR im Anschluss an die der Fahrzeuge erfolgen.

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Doch wie bringen elektrische Fahrzeuge oder ein neuer Betreiber Menschen zuverlässiger ans Ziel? Denn auch wenn die Landesregierung im Sinne der Klimawende propagiert, dass Elektrotriebzüge schneller beschleunigen, leiser sind und mehr Komfort bieten, dürfte das genauso wenig die Probleme der Linie RB 31 lösen wie ein Ausscheiden der NWB. Für das Gros der Verspätungen und Ausfälle ist die marode und teils eingleisige Infrastruktur verantwortlich.

Konkrete Ausbaupläne gebe es aber vorerst keine, erklärt der VRR. Dieser meldet als Aufgabenträger für den Nahverkehr einen Ausbaubedarf beim Verkehrsministerium an, das wiederum das Anliegen überprüft und es an den Bund weiterleitet. Der VRR plant bei Genehmigung von Fördergeldern durch Bund und Land dann mit der Deutschen Bahn zusammen den Ausbau, die ihn als DB Netz schließlich durchführt. Die Fördergelder des Bundes werden dabei über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) vergeben und wurden gerade durch das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung aufgestockt: Waren es 2019 noch 332 Millionen Euro, ist die Summe für 2020 doppelt so hoch, steigt 2021 auf eine Milliarde und 2025 auf zwei Milliarden.

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Zusätzlich stellt Nordrhein-Westfalen im Rahmen der ÖPNV-Offensive weitere 600 Millionen Euro zur Verfügung. Geld wäre also da. Doch offenbar liegen die Prioritäten anderswo, beispielsweise bei der Linie RE 10 nach Kleve, die nun modernisiert wird. Der VRR bestätigt zumindest Überlegungen, moderne elektronische Stellwerke auf der Linie RB 31 zu bauen, ein solches entsteht gerade in Kamp-Lintfort. Als Standorte kommen dabei die vorhandenen Stellwerke in Rheinberg, Rheinkamp und Millingen infrage. Das mechanische Stellwerk Rheinkamp existiert seit 1904 und wird noch von Hand bedient. Auch das Stellwerk in Millingen ist mehrere Jahrzehnte alt. Die häufigen Stellwerk- und Weichenstörungen ließen sich durch neue Stellwerke minimieren.

Vernachlässigt

Zudem seien neue Kreuzungspunkte auf der Strecke denkbar, sagt ein Sprecher des VRR. Bisher existiert auf dem 25 Kilometer langen letzten eingleisigen Abschnitt nach Xanten lediglich in Millingen eine Stelle, an der zwei Züge einander passieren können. Hat ein Zug Verspätung, muss der andere warten. Ein Dominoeffekt, der für eine Vielzahl der Verspätungen verantwortlich ist. Der Haken an diesen Überlegungen: „Bis Mitte der 20er Jahre wollen wir mit den Planungen angefangen haben“, so der VRR. Heißt so viel wie: Die nächsten Jahre tut sich erstmal nichts. In einem Dokument der Deutschen Bahn ist eine potentielle Inbetriebnahme neuer Stellwerke am Niederrhein für das Jahr 2028 angesetzt.

Aus einem Schreiben von VRR und DB Netz an die niederrheinischen Ortsverbände der Grünen geht hervor, dass diese „perspektivisch“ geplante Modernisierung der Stellwerke mit „digitaler Technik“ als „Grundvoraussetzung für die Einführung eines stabilen Halbstundentaktes bis nach Xanten“ angesehen wird. Sofern der VRR diese Taktverdichtung beschließe, wäre wohl auch ein zweigleisiger Ausbau nötig, schrieb NRW-Bahnchef Werner Lübberink dem SPD-Landtagsabgeordneten René Schneider kürzlich. Das klingt nach Zukunftsmusik und dürfte erst in den 2030er Jahren Realität werden – wenn überhaupt. Denn wie zu hören ist, betrachtet der VRR einen Halbstundentakt derzeit als nicht rentabel.

Gegen den Vorwurf, die Strecke werde vernachlässigt, wehrt sich die Bahn. Ihre Begründung: Allein 2019 habe man 1,5 Millionen Euro in die Instandhaltung investiert, in den vergangenen Jahren 32 Weichen und 19 Kilometer Schiene erneuert. Bis 2025 sollen weitere 14 Kilometer sowie 40 Weichen und bis 2028 acht Bahnübergänge modernisiert werden.