Xanten. Auf der Bislicher Insel bei Xanten überwintern jedes Jahr verschiedene Vogelarten. Ein informativer Rundgang mit Biologin Ilka Weidig.

Das Geschnatter kommt näher, es hört sich höher und aufgeregter an, als man es von hiesigen Gänsen gewöhnt ist. Doch aufgeregt scheint der Schwarm nicht zu sein, der sich gerade auf einer der Wiesen der Bislicher Insel niederlässt. „Das sind Blässgänse, unsere größte Gruppe an Wintergästen“, erklärt Ilka Weidig, Leiterin des Naturforums des Regionalverbands Ruhr.

Die Biologin leitet das Besucherzentrum seit 2017. Sie hat schon unzählige Führungen gemacht, ihrer Begeisterung hat das aber keinen Abbruch getan. Ausgerüstet mit Fernglas, Gummistiefeln und Regenjacke, geht sie auf dem Hauptweg voran, mitten hinein in die Auenlandschaft.

Wintergäste auf der Bislicher Insel in Xanten, hier: ein Zwergsäger-Pärchen, erkennbar an den „Frisuren“.
Wintergäste auf der Bislicher Insel in Xanten, hier: ein Zwergsäger-Pärchen, erkennbar an den „Frisuren“. © CHRISTOPH SPRAVE

Die ist für viele Vogelarten ein ideales Winterquartier: Dank des milden Klimas am Niederrhein finden Vögel hier genug zu fressen – das ist vor allem für Gänse wichtig, da sie sich hauptsächlich von Gräsern und Kräutern ernähren und deswegen auch gerne mal als die „Kühe der Lüfte“ bezeichnet werden.

Biologin stellt fest: Klimawandel macht sich bemerkbar

Normalerweise wären jetzt schon viel mehr Wintergäste da. „Aber es wird jedes Jahr später, der Klimawandel macht sich eben bemerkbar“, sagt Weidig. Gänse seien pragmatisch veranlagt und würden nur stückweise weiterfliegen – und zwar immer erst dann, wenn die Wiesen abgefressen sind oder Schnee fällt und damit ihre Nahrungsquelle verschließt.

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Weidig und das Team vom Naturforum warten. „Ich nehme an, da wird noch ein Schwung kommen. Aber so lange das Wetter so mild bleibt wie jetzt, werden sie bleiben, wo sie sind.“ Die grauen Blässgänse rupfen die Wiese ab. Für dieses Gras haben sie einen langen Weg zurückgelegt: Sie kommen aus dem nördlichen Russland, die meisten brüten an der Eismeerküste. Ihren Namen verdanken sie der Blässe um ihren Schnabel, ein weiteres Erkennungsmerkmal sind die schwarzen Streifen an der Brust.

In Spitzenzeiten gab es Winter mit 25.000 Blässgänsen auf der Bislicher Insel und 200.000 am gesamten Niederrhein. Diese Zahlen habe man aber schon lange nicht mehr beobachtet. Die Gänse kommen also nicht nur später zum Überwintern an, sie werden auch weniger. Momentan schätzt Weidig ihre Zahl auf 1000 bis 2000.

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Auch andere arktische Gänse kommen jedes Jahr zu Besuch: die Weißwangengänse, die dank ihres schwarz-weißen Gefieders auch als Nonnengans bezeichnet werden. Erst vor wenigen Tagen sind einige von ihnen in Xanten angekommen, ihre Zahl ist aber überschaubar. „Auf zehn Blässgänse kommt eine Weißwangengans“, erklärt Weidig. Sie können leicht mit den auf der Bislicher Insel heimischen Kanada-Gänsen verwechselt werden: Die haben eine weiße Kehle, jedoch kein weißes Gesicht, und sind viel größer.

Hütten auf der Bislicher Insel: Ausguck eröffnet den Blick

Nach ein paar hundert Metern verlässt Weidig den Pfad, um zu einer der drei Beobachtungshütten zu gelangen. Der Ausguck eröffnet den Blick auf eines der Gewässer, auf dem noch weitere Wintergäste schwimmen: Enten.

Biologin Ilka Weidig leitet das RVR-Besucherzentrum auf der Bislicher Insel in Xanten.
Biologin Ilka Weidig leitet das RVR-Besucherzentrum auf der Bislicher Insel in Xanten. © CHRISTOPH SPRAVE

Neben den Dauergästen wie Stock- und Schnatterenten lassen sich mit dem Fernglas Zwergsäger und Säger erkennen – anhand ihrer „Frisur“, die wie ein Irokesenschnitt vom Kopf absteht. Auch die Krickente gibt ein winterliches Gastspiel, erkennbar an ihren gelben Federn am Hinterteil und der grünen Färbung um die Augen. Wer kommt und wer bleibt, ist im ständigen Wandel. Das beste Beispiel dafür ist der Seeadler, der vor Jahren ursprünglich als Wintergast auf die Bislicher Insel kam und dort nun seit drei Jahren brütet. Auch der Silberreiher kam als Wintergast und ist auf der Insel geblieben, er brütet hier jedoch noch nicht.

Weidig verlässt die Beobachtungshütte und geht auf dem Pfad in Richtung Besucherzentrum zurück. Die Wiese, auf der sie auf dem Hinweg die Blässgänse beim Weiden beobachtet hat, sind weg. „In der Dämmerung fliegen sie zu einem der tiefen Seen, um dort auf dem Wasser zu übernachten – aus Schutz vor einem ihrer wenigen Feinde, dem Fuchs“, erklärt sie.

Führungen zu den Wildgänsen

Am Sonntag, 26. Januar, und Sonntag, 16. Februar, jeweils um 10 Uhr, bietet das Naturforum des Regionalverbands Ruhr Grün Exkursionen zu den arktischen Wildgänsen an.

Die zweistündige Tour mit Begleitung des Gänseexperten Johan Mooij führt zu Nahrungsplätzen der Gänse auf der Bislicher Insel und in der Umgebung von Xanten.

Seit 2004 gibt es eine kleine Informationsstelle des Regionalverbands Ruhr Grün auf der Bislicher Insel. Die wurde zu einem Besucherzentrum mit einer Dauerausstellung zur Auenlandschaft und deren Bewohnern erweitert.

Wie sich das Überwinterungsverhalten der arktischen Gänse entwickeln wird, ist ungewiss. Eins ist für Weidig jedoch klar: „Die Bislicher Insel als Überwinterungsquartier ist endlich.“ Die arktischen Vögel würden aller Voraussicht nach in einigen Jahren nicht mehr bis zum Niederrhein fliegen, weil die Winter immer milder werden – dann reichen möglicherweise auch kürzere Strecken, etwa ins Baltikum.