Am Niederrhein. Geeignete Weideflächen für arktische Wildgänse am Niederrhein schrumpfen weiter. Noch finden die Vögel den Weg in die Region – auch ohne Navi.
Unsere Region ist in diesen Monaten wieder der Treffpunkt für ein spektakuläres Naturschauspiel. Täglich trudeln zurzeit weitere große und kleine Trupps arktischer Wildgänse lauthalsschnatternd bei uns ein.
Zwischen Duisburg und der holländischen Grenze landen sie bevorzugt im Rheinvorland. Die meisten kommen aus dem hohen Norden Europas und vor allem aus den unglaublichen Weiten der Tundra und Taiga Westsibiriens.
Bis zu 200.000 Vögel an manchen Wintertagen
An Spitzentagen bevölkern bis zu 200.000 imposante Schnattertiere hiesiges Grünland. Allen voran die Blässgans, die mit über 90 Prozent der sich am Niederrhein aufhaltenden Gesamtindividuen das winterliche Wildgansszenario beherrscht.
Längst sind die Wildgänse am Niederrhein ein Tourismusmagnet. Geführte Exkursionen werden vom Nabu im Kreis Kleve und im Kreis Wesel angeboten.
Die Vögel waren meist wochenlang unterwegs; dabei haben sie mitunter zwischen 4000 und 6000 Kilometer zurückgelegt. Das zerrt natürlich an den Energiereserven und bringt auch andere Gefahren auf den Tagesreiserouten mit sich. Die Unbilden der Witterung können unterwegs zu einem längeren Aufenthaltsstopp zwingen. Zudem wird auf arktische Wildgänse in vielen nordöstlichen Anrainerstaaten und leider auch in einigen nördlichen Bundesländern immer noch mit Schrot geballert.
Ein Jagdverbot besteht seit 1974
Man darf davon ausgehen, dass die wenigsten dieser erlegten Gänse überhaupt gegessen werden können. Gerade bei den älteren arktischen Wildgänsen wird nämlich das eher zähe Muskelfleisch wohl im Topf oder in der Pfanne „verrückt“.
Seit 1974 ist die Jagd auf diese Gänse in NRW erfreulicherweise verboten.
Die hellwachen, klugen Watscheltiere kommen an den Niederrhein, weil sie bei unseren relativ milden Wintern ausreichend Weidegras und Ackergrün schnabulieren können. Dazu bevorzugen sie Areale mit guter Rundumsicht. Sie sind übrigens biologisch gesehen zum Fressen verdammt, weil sie ziemlich schlechte Energieverwerter sind.
Mittagspause, Nachtflug, natürliches Navi
Sie futtern von morgen bis abends, sogar noch über die Tageslichtstunden hinaus. Zum Tagesrhythmus gehört auch, dass eine Gänse-Futtergemeinschaft meist ein Mittagspäuschen auf einem benachbarten Gewässer verbringt, um Wasser zu schöpfen oder auch ausgiebig zu baden. Innerhalb der großen Trupps bleiben die einzelnen Familien möglichst immer zusammen; wie schon beim langen Flug ins Winterquartier. Die Junggänse können sich keines genetischen Codes bedienen, womit sie beispielsweise alleine in milde Futter-Gefilde finden, so die Wissenschaftler. Sie folgen ihren Elternvögeln und kommunizieren mit ihrer Stimme; ob bei Nacht im Fluge oder auch tagsüber im Gelände.
Unerwartete massive Störquellen, wie ein zu niedriger Helikopterflug über eine weidende Gänseschar, können sogar Tausende arktische Wildgänse urplötzlich aufscheuchen. Dabei werden durchaus auch immer wieder Familienverbände auseinandergerissen. Wenn die gefiederten Pulks dann wieder landen, herrscht solange ein lautes Stimmen-Tohuwabohu, bis die verloren gegangenen Familienmitglieder sich wiedergefunden haben. Und das klappt sogar – ganz ohne Navi und WhatsApp.
Dumme Gans? Dämlicher Volksmund!
Der Volksmund hat anno dazumal „dumme Gans“ als Schimpfwort ins Leben gerufen; hätte er doch lieber geschwiegen.
Wildgänse sind nämlich ganz schön clever, haben ein hervorragendes Gedächtnis, ein ausgetüfteltes Verhaltensrepertoire mit ausgeprägtem Sozialverhalten und können durchaus kognitiv handeln.
Zudem ist die Wachsamkeit dieser Vögel äußerst bemerkenswert. Natürliche Fressfeinde wie der Fuchs haben kaum eine Chance, eine gesunde weidende Gans zu überwältigen. Zudem übernachten Wildgänse häufig in riesigen Ansammlungen Ufer fern auf Gewässern.