Oberhausen. Rassismus und Diskriminierung sind alltäglich in Deutschland. Junge Gesamtschülerinnen aus Oberhausen berichten von ihren Erfahrungen.
Es ist fast beunruhigend still im Klassenraum der Gesamtschule Osterfeld. In Gruppen sitzen Schülerinnen und Schüler an Tischen und spielen Karten. Dann bittet Mohamed El Boujaddaini einige Schüler aufzustehen und sich an einen anderen Tisch zu setzen. Das Kartenspiel beginnt von Neuem. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich an Regeln halten, ohne widersprechen zu können.
Die Aufgabe hat Mohamed El Boujaddaini für sein „Interespect-Training“ entwickelt. Der 36-jährige Kölner hat mal eine Flüchtlingsunterkunft geleitet. Jetzt arbeitet er selbstständig als Coach. Er will mit seinem Programm „alle Formen der Diskriminierung bekämpfen“. Seine Workshops buchen Unternehmen, aber auch Schulen wie die Gesamtschule Osterfeld. Der Workshop ist eine der Programmpunkte anlässlich des Tages gegen Rassismus (21. März 2023).
Gesamtschule Osterfeld: 80 Nationen an einer Schule
El Boujaddaini sagt, eigentlich bräuchte die Klasse keinen Workshop. „Aber die, die ihn brauchen, buchen ihn nicht.“ Die Gesamtschule Osterfeld ist eine „Schule der Vielfalt“, sagt Direktor Gregor Weibels-Balthaus nicht ohne Stolz. Mehr als 80 Nationen sind hier vereint, die Migrationsquote wird auf 65 Prozent geschätzt. 1500 Schülerinnen und Schüler lernen an der GSO für ihre Zukunft.
Dennoch ist das Thema Rassismus brandaktuell und beschäftigt die jungen Schülerinnen und Schüler. Seit dem Geheimtreffen von AfD-Funktionären mit Rechtsextremen in Potsdam diskutiert Deutschland verstärkt über die Folgen eines Rechtsrucks. Hunderttausende Menschen sind deutschlandweit auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Auch in Oberhausen protestierten 5000 Menschen mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst.
Doch die Umfragewerte für die „Alternative für Deutschland“ (AfD) bleiben hoch. Und den Tag gegen Rassismus gibt es, weil er offenbar nötig ist.
Rassismus: Schülerinnen berichten von ihren Erfahrungen
An einem Tisch sitzen Sude (17), Eda (18) und Lena (18). Sie machen sich Sorgen wegen des Rechtsrucks in Deutschland. „Das macht uns Angst“, sagen sie. Die drei Schülerinnen wurden hier geboren, sind hier aufgewachsen. Teilweise sind sogar schon ihre Eltern hier geboren. Doch die Remigrationspläne der Rechtsextremen richten sich auch gegen deutsche Staatsbürger. „Man fühlt sich ausgegrenzt und fragt sich: Was haben wir falsch gemacht?“, erzählt Eda. „Wir haben gar nichts falsch gemacht.“ Lena findet, dass gerade die AfD mit der Angst der Menschen spielt. „Die Partei ist von Grund auf falsch. Für mich steckt hinter dem Ganzen die Angst vor etwas Neuem.“
Die Diskriminierungen, die die drei jungen Frauen erfahren, sind nicht immer gleich offensichtlich. „Mal ist es ein abwertender Blick“, sagt Sude. Mal sei es die Frage. „Wo kommst du her?“. Eda und Sude haben türkische Wurzeln. Aber die Frage irritiert sie, weil sie in Deutschland geboren wurden wie die anderen Jugendlichen. Lena fühlt sich ebenfalls diskriminiert, aber aus einem anderen Grund. „Man bekommt ja oft dumme Kommentare wie deutsche Kartoffel ab.“ Auch das sei verletzend. Zumal sie kroatische Wurzeln hat.
Bei Verbrechen „wird man sehr schnell beschuldigt“
Verstörend finden die Schülerinnen, wie über Kriminalität diskutiert wird. „In Deutschland wird man sehr schnell beschuldigt, wenn man einen ausländischen Namen hat“, findet Lena. Wenn es um Gewaltdelikte wie Messerstechereien gehe, werde oft eine Diskussion über die Herkunft des Täters geführt, beobachtet auch Eda. „Das macht mich traurig, weil die Nationalität ja meistens gar nichts damit zu tun hat.“
Trainer Mohamed El Boujaddaini und Schulleiter Weibels-Balthaus sitzen mit am Tisch und nicken immer wieder, wenn die Schülerinnen von ihrer Perspektive berichten. Sie sind beeindruckt von ihrer Offenheit. „Das, was ihr beschreibt, nennt man Othering“, sagt El Boujaddaini. „Wenn man fragt: ,Woher kommst du wirklich?‘ steckt zwischen den Zeilen, dass der andere anders ist.“ Er selbst antworte dann, dass er aus Köln sei. Wenn das nicht helfe, gebe er den Stadtteil und das Krankenhaus an.
Aufklärung nennt El Boujaddaini auch als wichtigste Waffe gegen Diskriminierungen. „Die eigene Betroffenheit und das Verlangen, sich zur Wehr zu setzen“, habe ihn dazu motiviert, Workshops anzubieten. „Der Weg, den ich aufzeigen möchte, ist die Bildung: sich mit Argumenten zur Wehr setzen.“
>>> Thementag an der OGS
Für den Thementag zum Internationalen Tag gegen Rassismus arbeitete die Gesamtschule Osterfeld mit vielen Partnern zusammen. „Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Schulleiter Weibels-Balthaus. „Ohne Kooperation geht es nicht.“ Die Falken bastelteten mit den Kindernh beispielsweise Flatterbänder mit Anti-Rassismus-Botschaften. Und das Theater Till setzte einen Anti-Gewalt-Schwerpunkt. Gegen Mittag besuchten die Schule mit Bezirksbürgermeister Thomas Krey die Gedenkstätte Malzstraße. Organisiert wurde der Thementag von Lehrerin Ella Krämer.